Nach SMS-Leak in der „Zeit“: Ostbeauftragter fordert Ablösung von Döpfner

Sturm der Entrüstung gegen den Springer-Chef: In vermeintlichen Aussagen soll sich Mathias Döpfner abfällig gegenüber Ostdeutschen geäußert und versucht haben, die FDP über seine Medien bei den Bundestagswahlen zu unterstützen. Döpfner selbst dementiert.
Mathias Döpfner kommt zur Hauptversammlung der Axel Springer SE. (Archivbild)
Mathias Döpfner bei der Hauptversammlung der Axel Springer SE. (Archivbild)Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 15. April 2023


Der Vorstandschef des Axel-Springer-Verlags, Mathias Döpfner, hat Vorurteile gegen Ostdeutsche bestritten, nachdem die Wochenzeitung „Die Zeit“ ihm zugeschriebene abfällige Bemerkungen über Ostdeutsche veröffentlicht hat.

In einer am Donnerstag im Intranet von Springer veröffentlichten Erklärung schreibt Döpfner, er habe „natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands“. Er sei aber seit Jahrzehnten „enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind“. Der Erfolg der AfD beunruhige ihn.

Die „Zeit“ hatte zuvor nach eigenen Angaben aus internen Unterlagen des Medienkonzerns Äußerungen Döpfners zitiert, die aus den vergangenen Jahren stammen sollen. In seiner Erklärung äußerte sich Döpfner nicht zu deren Echtheit und sprach lediglich von „aus dem Zusammenhang gerissenen Text- und Gesprächsschnipseln“.

„Die ossis werden nie Demokraten“

Die Zeitung listete Zitate auf. Auffällig ist, dass mehrere direkt von Döpfner an den damaligen „Bild“-Chefredakteur Reichelt gerichtet sein sollen. Die journalistische Marke „Bild“ zählt zum Springer-Portfolio. Döpfner ist seit mehr als 20 Jahren Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags, außerdem ist er Großaktionär des Konzerns.

Der „Zeit“ zufolge soll Döpfner inklusive der darin enthaltenen Rechtschreibfehler etwa geschrieben haben: „Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen.“ [sic!] Von Kaiser Wilhelm sei es in Ostdeutschland zu Hitler und Honecker gegangen, ohne zwischendurch von den USA profitiert zu haben.

Ostbeauftragter der Bundesregierung: Döpfner „nicht mehr tragbar“

Die Passagen in dem Artikel zu Ostdeutschland führten prompt zu Kritik bei Politikern. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), forderte gar die Ablösung des Springer-Chefs. „Herr Döpfner ist nach dieser Veröffentlichung an der Spitze eines Verlages mit dieser publizistischen Macht und mit Blick auf die wichtige Rolle der Medien für unsere Demokratie endgültig nicht mehr tragbar“, sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenportal „t-online“ am Donnerstag.

Zu einem realistischen Bild der Gesellschaft gehöre auch die Perspektive der Ostdeutschen, die auch mehr als 30 Jahre nach der Einheit zu wenig zum Tragen komme, sagte Schneider. „Die Gedanken von Herrn Döpfner zeigen nicht nur Verachtung für diese Perspektive und die Menschen, sondern auch für die Demokratie.“ Die Spaltung des Landes dürfe kein Geschäftsmodell sein.

Auch der Ostbeauftragte der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, erklärte: „Döpfners Aussagen über die Ostdeutschen sind widerlich. Seinen Job sollte er nicht behalten dürfen.“ Die Ostbeauftragte der Grünen-Fraktion, Paula Piechotta, meinte: „Döpfners Aussagen verletzen, aber er ist definitiv nicht der einzige Westdeutsche, der so denkt.“ Solche Vorurteile „werden nur mit den neuen Generationen langsam aussterben“.

Sympathie für Trump und Abneigung gegen Merkel anstößig?

In den Zitaten, die die Wochenzeitung veröffentlichte, geht es auch um Sympathie für die Politik des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Trump verdiene laut Döpfner einen „Friedensnobelpreis“, den von „ibama“ [sic!], womit wahrscheinlich Trumps Vorgänger Barack Obama gemeint ist, will er diesem „wieder wegnehmen“.

Und anscheinend geht es laut Bericht auch um Kritik an Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die „Zeit“ zog ein Zitat heran, in dem von „M“ die Rede ist. „Sie ist ein sargnagel [sic!] der Demokratie.“ Es geht bei den Zitaten auch um eine Abneigung gegen Windräder.

Für Aufregung sorgte in den Onlinenetzwerken auch ein Zitat, wonach Döpfner sich kurz vor der Bundestagswahl 2021 intern für die FDP eingesetzt und geschrieben habe: „Kann man noch mehr für die FDP machen?“

Döpfner erklärte dazu am Donnerstag, er sei „den Werten dieser Partei sehr nah. Aber unsere Journalistinnen und Journalisten lassen sich davon Gott sei Dank nicht beeinflussen.“ Am Ende werde immer von den Chefredakteuren bei Springer entschieden, was sie veröffentlichen.

FDP-Spitzenpolitiker Wolfgang Kubicki sagte dazu gegenüber „Table.Media“: „Abgesehen davon, dass ich es für rechtlich grenzwertig und für moralisch problematisch halte, private Nachrichten pressetechnisch zu verwerten, sehe ich keinen Handlungsbedarf in der Causa Döpfner.“ Der Vorgang sei politisch nicht von Interesse.

Großinvestor hält sich bedeckt

In den Medien wird auch spekuliert, ob die Enthüllung neuer Aussagen Döpfners Auswirkungen auf den Großinvestor KKR haben. Dieser hält über eine Holding 48,5 Prozent der Anteile bei Springer. In einem am Mittwoch veröffentlichten Podcast, der im März aufgenommen worden sein soll, soll dessen Europachef Philipp Freise bekräftigt haben, „zu Hundert Prozent“ hinter Döpfner zu stehen. Einen Tag später wollte KKR diese Aussage gegenüber dem „Handelsblatt“ nicht wiederholen.

Unterdessen fordern Kommentatoren in zwei deutschen Wirtschaftszeitungen Konsequenzen für Döpfner. Die „Wirtschaftswoche“ fordert KKR auf, Konsequenzen zu ziehen, und das „Manager Magazin“ findet Döpfners Rücktritt „überfällig“.

Der Fall Reichelt

Aus Springer-Kreisen hieß es weiter zu dem „Zeit“-Artikel, Döpfner sei ein meinungsstarker Verlagschef, der aus Prinzip immer Gegenmeinung und Widerspruch herausfordere und dafür immer mal wieder polemisiere. Man lasse sich an dem messen, was in den Publikationen des Verlags stehe, nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen Chats. Die Absicht des Artikels sei erkennbar: Er solle Unruhe stiften und vom Wesentlichen ablenken.

Mit dem Artikel holt die Affäre um Reichelt den Medienkonzern, der vor allem in den USA expandieren will, aufs Neue ein. Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und den Konzern verlassen. Hintergrund seines Karriere-Endes bei „Bild“ waren Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Verbindung mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gewesen. Der Journalist selbst hatte später von einer „Schmutzkampagne“ gegen ihn gesprochen und hatte Vorwürfe zurückgewiesen.

Der Medienkonzern hatte im Frühjahr 2021 ein internes Verfahren gegen den Journalisten zur Überprüfung der Vorwürfe angestoßen und war dabei zunächst zum Schluss gekommen, ihm eine zweite Chance zu geben. Ein Medienbericht der US-Zeitung „New York Times“ griff den Fall dann im Oktober 2021 erneut auf, Springer zog unmittelbar darauf einen Schlussstrich und entband Reichelt von seinen Aufgaben.

Kurz vor Stuckrad-Barres neuem Buch

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete unabhängig von der „Zeit“-Berichterstattung unter Berufung auf eigene Informationen, dass Springer seit geraumer Zeit rechtliche Schritte gegen Reichelt prüfe. Der Medienanwalt von Julian Reichelt, Ben Irle – der auch in der „Zeit“-Berichterstattung zitiert wird –, teilte auf dpa-Anfrage wiederum mit, man prüfe seinerseits „strafrechtliche Verfolgbarkeiten von Verhaltensweisen und zivilrechtliche Inanspruchnahmen sämtlicher Beteiligten“.

Der „Zeit“-Bericht erschien wenige Tage vor der in der Medienbranche mit Spannung erwarteten Veröffentlichung des neuen Buches von Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre. Es soll sich bei dem belletristischen Werk „Noch wach?“, das am 19. April erscheint, um einen Schlüsselroman rund um das Medienhaus Springer handeln.

Stuckrad-Barre wurde Teil der Berichterstattung der „New York Times“ im Oktober 2022 über Springer, die den Weggang Reichelts mit auslöste. Döpfner zog mit einer in dem Artikel zitierten privaten Kurznachricht, die er an Stuckrad-Barre verschickt hatte, Kritik aus der Medienbranche auf sich. Der Springer-Chef hatte Reichelt darin als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehre. Fast alle anderen seien zu „Propaganda Assistenten“ [sic!] geworden. Springer hatte die Kurznachricht als Ironie eingeordnet.

Der Springer-Verlag ließ eine AFP-Anfrage zur Authentizität der in der „Zeit“ zitierten Döpfner-Äußerungen und eine Bitte um Stellungnahme zu dem „Zeit“-Bericht zunächst unbeantwortet.

(Mit Material von afp und dpa)



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