„Projekt Nessie“: Abzocke-Algorithmus soll Amazon mehr als eine Milliarde US-Dollar beschert haben

Die US-Kartellbehörde FTC hat eine Klage gegen den Online-Handelsriesen Amazon eingereicht. Das Unternehmen soll das „Projekt Nessie“ unterhalten haben, das einen geheimen Algorithmus zur Preisanpassung enthielt.
Amazon dünnt sein Netz von Läden ohne Kassen in US-Großstädten aus.
Amazon soll das „Projekt Nessie“ betrieben haben, um das Preisniveau künstlich hoch zu halten.Foto: Elaine Thompson/AP/dpa
Von 6. November 2023

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Bereits im September hatten die US-Kartellbehörde FTC und 17 Bundesstaaten eine Kartellklage gegen den Online-Handelsriesen Amazon eingereicht. Nun werden genauere Details bezüglich des Inhalts der Vorwürfe bekannt. Im Fokus steht dabei unter anderem das sogenannte „Projekt Nessie“. Dabei soll es sich um einen Algorithmus handeln, den Amazon zur Manipulation von Preisen verwendet habe. Der Konzern soll auf diese Weise mehr als eine Milliarde US-Dollar eingenommen haben.

Amazon soll „Projekt Nessie“ flexibel an- und ausgeschaltet haben

Ursprünglich war in einer Erklärung der FTC anlässlich der Einbringung der Klage die Rede von einer „illegalen Aufrechterhaltung einer Monopolstellung“. Jetzt geht aus Dokumenten des Bezirksgerichts in Seattle hervor, dass „Projekt Nessie“ den Zweck erfüllt habe, „den Amerikanern mehr als eine Milliarde Dollar aus der Tasche zu ziehen“.

Von Amazon selbst heißt es, die FTC stelle das Projekt falsch dar. Außerdem sei der Preisfindungsmechanismus nicht mehr in Verwendung. Die Kartellbehörde hingegen steht auf dem Standpunkt, dass „Projekt Nessie“ je nach Bedarf aktiviert und deaktiviert worden sei. Die Verwendung habe der Konzern flexibel gehandhabt, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Künstliche Anhebung des Preisniveaus auf den Märkten

Der Algorithmus sei dabei von bestimmten Verhaltensmustern anderer Einzelhändler ausgegangen, so die englischsprachige Epoch Times unter Berufung auf „Reuters“. Diese hätten sich in ihrer Preisgestaltung an Amazon orientiert. Sie wollten nicht wesentlich günstiger sein, weil das die Gewinnmargen zu sehr geschmälert hätte. Teurer zu sein wäre jedoch auch keine Option gewesen, weil Kunden dann Amazon genutzt hätten.

Amazon habe nun im Wissen um diesen Zusammenhang gezielt einige Produkte zu überhöhten Preisen angeboten – und diese aufrechterhalten, nachdem der Rest des Marktes seine angepasst habe.

Der FTC zufolge habe ein Rückgang der Verkaufszahlen infolge der überhöhten Preise Amazon nicht geschadet. Zwar habe es geringere Bruttoverkaufseinnahmen gegeben, allerdings seien die Gewinne allein im Jahr 2015 um zusätzliche 363 und 2018 um weitere 334 Millionen US-Dollar gestiegen. Insgesamt habe der Onlineriese zusätzliche Gewinne in Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar durch „Projekt Nessie“ erzielt.

Amazon: „Projekt Nessie“ sollte „ruinösen Dumpingwettbewerb verhindern“

Aus Sicht der FTC stellt der Einsatz des Algorithmus eine „unlautere Wettbewerbsmethode“ dar. Der einzige Zweck von „Projekt Nessie“ sei es gewesen, die Verbraucherpreise weiter in die Höhe zu treiben. Andere Onlineshops hätten auf die Anpassungen reagiert und damit Amazon einen Anlass geliefert, noch darüber hinaus die Preise zu erhöhen.

Amazon-Sprecher Tim Doyle zufolge sei das genaue Gegenteil der Sinn des „Preisfindungs-Tools“ gewesen. Man habe vielmehr einen ruinösen Wettbewerb durch Preisdumping vermeiden wollen, erklärte er „Reuters“ gegenüber:

Nessie wurde eingesetzt, um zu verhindern, dass unsere Preisanpassung zu ungewöhnlichen Ergebnissen führt, bei denen die Preise so niedrig werden, dass sie nicht mehr tragbar sind.“

Im Vorjahr habe die Inflation dem Tool die Grundlage entzogen. Deshalb habe CEO Doug Herrington darum gebeten, den „alten Freund Nessie einzuschalten, vielleicht mit einer neuen Ziellogik“. Andernfalls hätte die Rentabilität von Amazon leiden können.

Strafmaßnahmen und bereitwillige Akzeptanz minderwertiger Werbung

Die FTC beschuldigt Amazon zudem, im Zusammenhang mit dem „Projekt Nessie“ Spuren verwischt zu haben. Man habe die Funktion zum Verschwindenlassen von Nachrichten in der App „Signal“ verwendet und Kommunikation aus den Jahren 2019 bis 2022 vernichtet.

Darüber hinaus soll der Konzern zu Anti-Rabatt- und Zwangstaktiken gegriffen haben, um billigere Konkurrenten am Ausbau von Marktanteilen zu hindern. So soll es Strafmaßnahmen gegeben haben für den Fall, dass ein Händler eine Ware anderswo im Internet günstiger anbiete als auf dem Amazon-Marktplatz.

Zudem soll man gezielt Pay-to-Play- und Junk-Werbung im Online-Shop eingesetzt haben. CEO Jeff Bezos selbst habe seine Führungskräfte angewiesen, selbst mängelbehaftete Werbung zu akzeptieren. Auch wenn man sich darüber im Klaren gewesen sei, dass diese Praxis Verbrauchern schade, habe man sich den dadurch zu erwartenden Gewinn sichern wollen.

Eigene Warenhäuser von Verkäufern unerwünscht

Eine weitere Praxis, die nun im Kartellverfahren aufgerollt werden soll, ist die Verpflichtung für Verkäufer, die Logistik- und Lieferdienste von Amazon in Anspruch zu nehmen. Die Möglichkeit, Amazon Prime zu nutzen, ohne auf die Option „Fulfillment by Amazon“, habe Verkäufer ermutigt, eigene Lager zu betreiben.

Dies habe jedoch den Wettbewerbsvorteil von Amazon deutlich verringert, weshalb man Verkäufern untersagt habe, billigere oder auch andere Plattformen bedienende Dienste zu benutzen. Die FTC sieht auch darin ein kartellrechtlich relevantes Fehlverhalten.



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