Wozu dienen Corona-Kontaktlisten? Gaststättenverband fordert Klarheit über polizeiliche Nutzung

Der Gaststättenverband Dehoga hat Aufklärung darüber gefordert, wie die wegen des Coronavirus von Restaurants erstellten Gästelisten von der Polizei verwendet werden. Das Thema sei "hochgradig sensibel", sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.
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Die Corona-Listen, auf denen sich die Gäste in Restaurants, Hotels und Bars eintragen müssen, sorgen derzeit für Wirbel (Symbolbild).Foto: iStock
Epoch Times30. Juli 2020

Im Streit um den Zugriff der Polizei bei Ermittlungen zu Straftaten auf Registrierungslisten von Restaurants fordert nach dem Gaststättenverband Dehoga nun auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mehr Transparenz. „Auch wenn das Interesse an der Aufklärung von Straftaten selbstverständlich hoch ist, so darf nicht unreglementiert auf die Kontaktdaten zugegriffen werden. Hier müssen klare Spielregeln für die Polizei definiert werden“, sagte Freddy Adjan, stellvertretender NGG-Vorsitzender, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben).

Andernfalls werde das teilweise ohnehin niedrige Gästeaufkommen zum Schaden der Betriebe und Beschäftigten, weiter sinken, warnte er. Bei der Angabe der eigenen Kontaktdaten müssten die Gäste darauf vertrauen können, dass diese mit der notwendigen Sorgfalt behandelt werden. Die Branche selbst habe hier schnell gelernt: „Die anfangs ausgelegten Listen, die für alle Besucher eines Restaurants oder Hotels offen einsehbar waren, sind nahezu verschwunden“, so Adjan.

Der Gaststättenverband Dehoga verlangte zuvor von den Bundesländern Klarheit darüber, inwieweit die wegen der Corona-Pandemie von Restaurants erstellten Gästelisten von der Polizei verwendet werden. Das Thema sei „hochgradig sensibel“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). In Baden-Württembergs erhält die Polizei keinen Zugriff auf die Gästelisten, wie  Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte.

Die Regierungen der 16 Bundesländer müssten „dringend für Klarheit“ über die Verwendung der Daten durch die Polizei sorgen, sagte Hartges. Restaurants registrieren derzeit auf Anordnung der Gesundheitsämter persönliche Daten ihre Gäste. Dies soll bei der Nachverfolgung potenzieller Infektionsketten dienen. Zuletzt waren jedoch Fälle in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz bekannt worden, bei denen auch die Polizei auf die Daten zugegriffen hatte.

Der Zugriff auf die Listen ist den Strafverfolgungsbehörden nach den Regeln der Strafprozessordnung erlaubt, wie eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums der Nachrichtenagentur AFP sagte. Es müssten allerdings die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. „Eine solche Maßnahme muss dabei stets in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der jeweiligen Tat stehen“, sagte die Sprecherin.

Nach Paragraf 94 der Strafprozessordnung können Gegenstände, die als Beweismittel für eine Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung genommen werden. Sie können auch beschlagnahmt werden.

Unzulässiger Gebrauch laut Stuttgarter Innenminister

Demgegenüber sagte der Stuttgarter Innenminister Strobl, eine Verwendung der Listen durch die Polizei zur Verfolgung von Straftaten sei unzulässig. „Die Daten von Gaststättenbesucher werden nur zur Nachverfolgung von möglichen Infektionswegen genutzt“, sagte er.

„Für den Zugriff auf die Gästelistendaten muss es klare, einheitliche Regeln geben“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer zu AFP. „Wenn wegen Lappalien auf die sensiblen Daten zugegriffen wird, könnten die Gäste als Reaktion falsche Daten eintragen.“ Damit würde die gesamte Datenerfassung obsolet.

In einem Schreiben an die rund 65.000 Dehoga-Mitglieder, aus dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch zitiert hatten, brachte der Verband seine Sorge um die Akzeptanz der Gästelisten zum Ausdruck. In jedem Fall solle „äußerst zurückhaltend von derartigen Zweckänderungen der Datenerhebung Gebrauch gemacht werden“, heißt es darin.

Bayern verteidigt Gebrauch in Ausnahmefällen

Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) verteidigt die Verwendung von Corona-Kontaktlisten für die polizeiliche Strafverfolgung in Ausnahmefällen. „Es handelt sich um schwere Straftaten, bei denen das zur Ermittlung des Täters und für die Aufklärung der Straftat sinnvoll und richtig ist“, sagte er im ARD-Mittagsmagazin. Befürchtungen, dass sich aus Angst vor polizeilicher Ahndung bald kaum mehr jemand die Gästelisten einträgt, hält Hermann für „völlig“ unbegründet.

„Es muss ja irgendeinen sinnvollen Zusammenhang mit der Straftat geben.“ Auf Nachfrage sagte Herrmann, dass „nur ein Dutzend Mal in ganz Bayern“ davon gebraucht gemacht worden sei. „Das ist eine absolute Ausnahme nach den strengen Vorgaben der Strafprozessordnung. Es wird keineswegs von der Polizei beliebig darauf zugegriffen“, so der CSU-Politiker.

Bis auf Sachsen schreiben alle Bundesländer eine Registrierungspflicht in Restaurants und Cafés vor – ausdrücklich zu dem Zweck, um Corona-Infektionsketten nachzuverfolgen. Auf diese Zweckbindung beruft sich Baden-Württemberg und schließt eine weitere Verwendung der Daten für polizeiliche Ermittlungen aus. Andere Bundesländer wie Bayern, Hamburg oder Rheinland-Pfalz erlauben es dagegen, die Daten auch für die Strafverfolgung zu nutzen. (dts/afp/sua)



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