Was nützt eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden?
Das jüngste Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat nach unterschiedlichen Schätzungen Schäden in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro verursacht. Davon sind bis zu 50 Prozent unversichert. Ein fehlender Versicherungsschutz gegen erweiterte Natur- oder Elementargefahren dürfte für die meisten Menschen existenzbedrohend sein.
Vertragsfreiheit oder politische Gängelung?
Nun diskutieren Politik und Versicherungswirtschaft erneut über eine mögliche Pflichtversicherung. Befürchtet wird, dass mit einer Zwangsversicherung die Motivation zur Schadensprävention und Eigenvorsorge fehlt. Zur Prävention gehört das Renaturieren von Flussläufen ebenso wie ein Entsiegeln versicherter Flächen.
Was wäre zu tun? Viele Schäden ließen sich dadurch vermeiden, dass das Bauen in Hochrisikoregionen, wie etwa schon heute in der Schweiz, verboten würde. Denkbar wäre es auch, den Neubau von Wohngebäuden nur dort zu erlauben, wo eine erweiterte Elementarschadendeckung abschließbar ist.
Oft werden Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen ohne Schutz gegen erweiterte Elementargefahren abgeschlossen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Versicherungsvermittler und Vergleichsportale zwingend entsprechenden Schutz anbieten müssten. Wer dies nicht möchte, müsste aktiv abwählen (Opt-out). Für ein vergleichbares Modell sprach sich im August 2021 auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen aus.
Bis 1993 gab es in Baden-Württemberg eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Noch heute sind dort etwa 94 Prozent aller Gebäude entsprechend versichert. Dies zeigt, dass viele Kunden eine zuvor versicherte Gefahr nicht aktiv ausschließen wollen.
Denkbar wäre auch eine Pflichtversicherung für Schäden, die eine bestimmte Höhe übersteigen, verbunden mit einer freiwilligen Absicherung gegen sonstige Schäden.
Pflichtversicherung im Ausland teilweise obligatorisch
Andere europäische Länder gehen bereits länger erfolgreich den Weg einer Pflichtversicherung. Das ZDF benannte als Beispiel Frankreich:
„Im Juni 2013 verwüstete eine verheerende Flut den französischen Pilgerort Lourdes. Innerhalb von acht Monaten war das Städtchen wieder vollkommen aufgebaut. Denn in Frankreich sind private Versicherungsunternehmen gesetzlich verpflichtet, ihre Kunden im Rahmen einer Versicherung gegen Sachschäden in einer Gebäude-, Hausrat- oder Kfz-Versicherung zwingend auch gegen Naturkatastrophen zu versichern.“
So kurz vor der nächsten Bundestagswahl liegt nun der Verdacht nahe, dass sich viele Politiker nur als „Kümmerer“ gegen zukünftige Katastrophen präsentieren wollen. Dass es möglicherweise bei der Hilfe für Flutopfer nicht ausschließlich um die Interessen der Bevölkerung geht, zeigte die jüngste Abstimmung im Bundestag zum Gesetzesentwurf der Regierungskoalition vom 07.09.2021 (Drucksache 19/32275). Hier wurde ein Aufbaufonds in Höhe von 30 Milliarden Euro für die vom Julihochwasser betroffenen Gebiete mit weitreichenden Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und einer Verlängerung der pandemischen Lage bis zum August 2022 zu einem Abstimmungspunkt verbunden.
Wer für die Flutopfer Hilfe leisten wollte, musste zwangsweise auch für weitergehende Grundrechtseinschränkungen (wie das Auskunftsrecht des Arbeitgebers zum Impfstatus) stimmen. Da die Große Koalition aus CDU und SPD allein 343 Ja-Stimmen für das Kombi-Gesetz erreichte, spielten die geschlossene Ablehnung von AfD, FDP, Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen für den Ausgang der Abstimmung keine Rolle. Die Regierung hat vielmehr ihre politischen Interessen über die Wahl hinaus festgeschrieben und damit billigend in Kauf genommen, dass auch die Flutopferhilfe durch die fragwürdige Vermischung zweier Gesetze scheitern könnte.
Nach jedem Hochwasser wird erneut über die Vor- und Nachteile einer Versicherungspflicht gegen erweiterte Elementargefahren gesprochen. Die Argumente sind seit Jahren ähnlich.
In Folge der beiden Oderhochwasser im August 2002 und Juni 2013 kam der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu der Überzeugung, dass die Einführung einer Versicherungspflicht „falsch“ sei. Der GDV ist die Interessenvertretung der deutschen Versicherungswirtschaft.
Über Lösungen wird beraten. Thomas Dzatkowsky, Presse- und Vorstands-Stab der Barmenia Allgemeine Versicherungs-AG, äußerte am 10. September, dass sein Unternehmen mit dem GDV „und weiteren Mitgliedsunternehmen an Ideen und Lösungen wie Naturgefahrenversicherung bei gleichzeitig bezahlbaren Prämien“ arbeite. „Dabei ist die Versicherungslösung aber Teil eines Gesamtkonzeptes, zu dem auch Prävention, Aufklärung und staatliche Maßnahmen gehören.“ Ergebnisse erwarte man bis zum Herbst.
Aufklärung und Prävention müssen Hand in Hand gehen
Es müsse ein neues Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung entstehen, erklärt Peter Meier vom Schadensvorstand der NÜRNBERGER Versicherung. „Und zwar bestehend aus Aufklärung, verbindlichen Maßnahmen zur privaten und staatlichen Prävention sowie Versicherung. Eine singuläre Pflichtversicherung ist hier keine Lösung.“ Ein Alleingang sei keine Lösung. „Unwetterkatastrophen wie in NRW, Rheinland-Pfalz und auch in Bayern lassen sich nur im verantwortlichen Zusammenwirken von Bund, Ländern, Kommunen, Hauseigentümern, Mietern, Kreditwirtschaft und Versicherern minimieren.“
Die NÜRNBERGER biete seit Jahren ihren Kunden aktiv den Elementarschutz an, erklärt Peter Meier. Mittlerweile seien 73 Prozent der Hausratversicherungen und 55 Prozent der Wohngebäudeversicherungen zusätzlich mit einem Elementarschutz ausgestattet, was deutlich über dem Bundesdurchschnitt liege.
Es gibt sowohl gute Gründe für als auch gegen eine Elementarschadenpflichtversicherung.
Einige Gründe für eine Pflichtversicherung:
- Aktuell besteht nicht für jeden Hausbesitzer die Möglichkeit, sich überhaupt oder zumindest zu einer bezahlbaren Prämie gegen Elementarschäden zu versichern.
- Gebäude, die aktuell oder in den vergangenen 10 Jahren von Elementarschäden betroffen waren, lassen sich oft nur schwer versichern. Immer wieder wird von rund 99 Prozent versicherbarer Gebäude gesprochen. Dennoch kann es sein, dass das eigene Gebäude anders als bei Baubeginn heute in besonders gefährdeter Lage steht.
- Wenn ein unversichertes Gebäude zerstört wird, muss bisher der Steuerzahler dafür aufkommen. Auch die Aufräumarbeiten, die Bereitstellung öffentlichen Wohnraums oder die Folgen einer Privatinsolvenz können die Gemeinschaft belasten.
- Versicherer und Versicherungsnehmer haben im Schadenfall das Recht zu kündigen. Für den Versicherer ließe sich dieses ggf. einschränken oder ausschließen.
Einige Gründe gegen eine Pflichtversicherung:
- Es stellt einen Eingriff in die Privatautonomie der Gebäudeeigentümer dar.
- Eine Pflichtversicherung bedeutet für viele Mieter ein Ansteigen der Nebenkosten.
- Für gefährdungsarme Objekte dürfte mit Mehrkosten für Gebäudeeigentümer von 60 bis 100 Euro im Jahr gerechnet werden. In Hochrisikogebieten sind Kosten von 500 bis 1.000 Euro im Jahr vorstellbar, im Einzelfall auch mehr.
- Eine umfassende Absicherung könnte dazu führen, dass Hausbesitzer weniger Motivation zur Schadenprävention aufbringen oder sogar in besonders risikogefährdeten Gebieten wie an Flüssen oder Hängen bauen. Um das „subjektive Risiko“ zu reduzieren, könnte eine hohe Selbstbeteiligung vereinbart werden, möglicherweise müsste man für Hochrisikoregionen 10.000 oder sogar 25.000 Euro ins Auge fassen.
- Wenn Versicherer auch Gebäude in Hochrisikoregionen versichern würden, würde dies im Schadenfall meist eine große Zahl von Gebäude gleichzeitig treffen. Damit verbunden wären sehr hohe Kosten im Falle von Schäden.
- Die Bebauung in Hochrisikoregionen würde vor allem für gut gestellte Personen attraktiver. Diejenigen wären eher in der Lage, hohe Versicherungsprämien für eine höhere Wohnfläche, gehobene bauliche Ausstattung und Gefährdungslage zu zahlen.
Nur Prävention schützt vor Schäden
Eine hohe Absicherungsquote gegen Elementargefahren bietet den Vorteil, dass der Bürger entlastet wird und eine schnellere Wiederherstellung von Gebäuden ermöglicht würde.
Die Pflichtversicherung hilft aber wenig dabei, in hochwassergefährdeten Gebieten beispielsweise die Infrastruktur schnell wieder aufzubauen. Hier ist der politische Wille erforderlich, einen entsprechenden Katastrophenfonds zu schaffen.
Ein Versicherungsschutz schützt nicht vor Schäden – dies schafft nur Prävention.
Stephan Witte, Jahrgang 1971, ist Versicherungsmakler und Journalist. Seine Themenschwerpunkte sind private Sach- und Haftpflichtversicherungen, Jagdhaftpflichtversicherungen, Unfallversicherungen sowie der Umfang des Versicherungsschutzes infolge von Impfschäden durch die Vakzine gegen COVID-19. Nachdem er viele Jahre die Zeitschrift „Risiko & Vorsorge“ zunächst mit einem überwiegenden Teil der Beiträge, später auch als Herausgeber verantwortete, veröffentlicht er seine Beiträge mittlerweile auf „Critical News“.
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