„Vom Industrieland zum Industriemuseum“: Scharfe Verbände-Kritik an Habeck

Ein vernichtendes Urteil fällen gleich mehrere Verbände-Chefs an der Politik von Minister Habeck. Unrealistische Energiepolitik treibt Unternehmen ins Ausland.
Alte Ziegelei Bernburg-Gröna
Industrieruine (Alte Ziegelei) bei Bernburg/Sachsen-Anhalt.Foto: ttc tutorial text communication Bernburg
Von 8. Oktober 2022

Nicht nur die verschärfte Versorgungslage infolge des Ukraine-Krieges setzt die deutsche Wirtschaft unter Druck. Die Bundesregierung hält nach wie vor an ihren „Klimazielen“ fest – und damit an einer umfassenden Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare. Mehrere Verbände haben jüngst angedeutet, dass die Ziele utopisch sein könnten. Gleichzeitig würde deren Weiterverfolgung die Abwanderung von Unternehmen ins Ausland begünstigen.

Energieziele aus Sicht der Verbände nicht realistisch

In der „Bild“-Zeitung warnt Markus Steilemann, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), vor einem Zusammenbruch des Industriestandorts Deutschland. Dieser wäre die Konsequenz des absehbaren Strommangels im Land, der sich infolge der unrealistischen Energieziele abzeichne.

Um die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ausgerufenen Energieziele zu erreichen, müssten jeden Tag zehn Windkraftanlagen errichtet werden. Eine davon benötige 4.000 Tonnen Stahl:

Das heißt: fünf Eiffeltürme jeden Tag. Und das für die nächsten acht Jahre.“

Zwar ist Deutschland ist mit einer jährlichen Produktion von rund 40 Millionen Tonnen Rohstahl (2021) der achtgrößte Stahlhersteller weltweit und der größte Stahlhersteller in der EU, doch neben der Inlandsnachfrage für Bau, Autoindustrie und andere Branchen wandert ein erheblicher Teil des produzierten Teils auch in den Export.

Dazu kommen die extremen Stromkosten, die auch die heimische Stahlindustrie bedrohen. Weltweit ist China der größte Stahlexporteur. Ein von der Not getriebener Ausbau erneuerbarer Energien könnte die Abhängigkeit von Russland durch eine im Zweifel noch größere vom KP-Regime in Peking ersetzen. China ist nämlich auch führender Hersteller von Ersatzteilen für Solar- und Windparks sowie Förderer Seltener Erden.

Verbände sehen Gefahr der Deindustrialisierung

Steilemann rechnet vor: Um gemäß den Energiezielen der Bundesregierung ab 2045 emissionsfrei produzieren zu können, bräuchten insbesondere Unternehmen der chemischen Industrie das Zehnfache an Strom. In konkreten Zahlen ausgedrückt wären das 500 Terawattstunden im Wesentlichen nur aus Sonne und Wind.

Der Nettostromverbrauch von ganz Deutschland im Jahr 2021 betrug 508 Terawattstunden. Aus erneuerbaren Energiequellen wurden im ersten Halbjahr des Jahres 2022 etwa 137 Terawattstunden produziert. Steilemann bezweifelt die Fähigkeit des Landes, diese Herausforderung zu bewältigen. Die Folgen eines Scheiterns wären folgenschwer – Deutschland drohe dann der Absturz „vom Industrieland zum Industriemuseum“.

Auch Matthias Frederichs vom Baustoffe-Verband BVB sieht weder ausreichend günstigen noch grünen Strom. Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges hätten sich die Produktionskosten infolge der explodierenden Energiepreise verdoppelt. Gelinge es nicht, diesen unter Nutzung aller Kapazitäten – auch der Kernenergie – wieder zu drosseln, drohten „Pleiten und Abwanderung“.

Fast ein Viertel der deutschen Exportgüter „Waren ausländischen Ursprungs“

Zwar sei die Verlagerung bereits bestehender energieintensiver Produktion ins Ausland nicht so einfach, erklärt Ifo-Ökonom Oliver Falck. „Wir werden aber bei Neuinvestitionen wahrscheinlich Verlagerungen ins Ausland sehen.“

Ein Sprecher des Maschinenbau-Verbandes VDMA erklärte ebenfalls, dass die Energiepreise nicht der einzige Grund für Unternehmen wären, ins Ausland abzuwandern, aber „stark steigende Energiepreise können natürlich im Einzelfall das Zünglein an der Waage sein“.

Ein starker Preisanstieg bei der Energie könne die Wettbewerbsfähigkeit von Branchen beeinträchtigen. Dies treffe insbesondere auf diejenigen zu, die „im harten internationalen Wettbewerb und ohnehin schon wettbewerbsbedingt relativ geringe Umsatzmargen realisieren.“

Falck rechnet mit „vorübergehenden Produktionseinstellungen“ und der „Verlagerung besonders energieintensiver Produktionsschritte ins Ausland“. Das Statistische Bundesamt bestätigt den Trend. Dieser habe sich bereits vor der Corona-Krise abgezeichnet. Der Anteil der „Waren ausländischen Ursprungs“ an den deutschen Exporten ist demnach stetig gestiegen, von knapp zehn Prozent 1990 auf 24,5 Prozent im vergangenen Jahr. Daran lasse sich mittelbar ablesen, wie massiv die deutsche Industrie in die Auslandsproduktion investierte.

(Mit Material der dpa)



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