Weik & Friedrich: Der größte Raubzug der Geschichte

Titelbild
„Wir haben es ja nicht gewusst“, dürfte schon jetzt keine glaubwürdige Aussage mehr sein. Cover: Tectum Verlag
Von 25. Juli 2012

Der größte Raubzug der Geschichte – das klingt nach einem Wirtschaftskrimi, ist aber ein überaus profundes Finanz-Sachbuch, das durch seine verständliche Darstellung und den Humor seiner Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich wohltuend hervorsticht. Fast könnte man es als Lexikon in der augenblicklichen Krisensituation benutzen, in der die Abkürzungen einander ebenso jagen, wie die Abstimmungen, so gut ist es recherchiert und zusammengestellt.

Als Bettlektüre ist es nicht zu empfehlen, denn die Gänsehaut oder Wutattacken, die besonders Neulinge auf dem Gebiet Finanzen und Schuldenmacherei durchschauern dürften, sind kein ruhiges Ruhekissen. Immerhin geht es darum, warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden – und das wird jenseits aller politischen Richtungen abgehandelt. Verdienstvoll von dem eher kleinen Wissenschaftsverlag TECTUM in Marburg verlegt, gut lesbar editiert mit Karikaturen, Grafiken, vielen Zwischenüberschriften und Zitaten. Die Welle der Nachfrage hat die Erstauflage von 1.000 Stück im April längst über die 10.000 angehoben und das dürfte erst der Anfang auf dem Weg zum Bestseller sein.

Aber auch Leser, die mit Finanzartikeln vertraut sind, werden sich die Augen reiben, was nicht nur gierige Banker seit Jahren treiben, sondern auch, was die verantwortlichen Politiker seit Jahrzehnten zugelassen haben.

„Wir haben es ja nicht gewusst“, dürfte schon jetzt keine glaubwürdige Aussage mehr sein, denn hier werden – per 889 seriösen Fußnoten – öffentliches Material von Gesetzestexten über Gutachten bis hin zu Zeitungsartikeln zitiert, was jeder Verantwortliche schon längst hätte lesen können. Und das haben manche sicher auch getan und sich doch entschieden – bis auf wenige Ausnahmen – diesem größten Raubzug der Geschichte nichts Nennenswertes in den Weg zu legen.

Das wird aber bis heute vor dem Bürger, der mit seinem Geld bzw. seinen Steuern das alles finanziert, in diesen brutalen Zusammenhängen lieber verschleiert. Denn „das Spiel muss weitergehen“, wobei die von den Autoren als größtes Spielkasino bezeichnete EUREX sogar in Deutschland, in Frankfurt am Main, ihren Sitz hat, um nur eins der vielen Beispiele zu nennen.

Verständlich erklärt wird von Weik und Friedrich, wie an dieser international führenden Terminbörse EUREX „gezockt“ wird. Sie wird von der Deutschen Börse AG und SIX Swiss Exchange betrieben unter anderem als Handelsplatz für Derivate. Im Nano-Sekundentakt werden hier Zertifikate gekauft und verkauft und es wird auf alles gewettet, was Schwankungen aufweist, ob das der Preis von einem Sack Weizen ist oder das Wetter. Und natürlich werden die Zertifikate mit blumigen Namen an gutgläubige Kunden verkauft. So die Aussage in dem Buch.

Die Autoren fragen auch danach, wie Geld überhaupt entsteht. Wie kommen Banken und Staat eigentlich zu Geld? Warum ist das globale Finanzsystem ungerecht? Und tragen tatsächlich nur die Banken die Schuld an der aktuellen Misere oder müssen auch die politischen Entscheider zur Verantwortung gezogen werden?

Sie beschreiben, warum das größte Finanz-Casino der Welt in Deutschland steht und kaum jemand darüber Bescheid weiß. Und sie beantworten die augenblicklich dringend erscheinenden Fragen wie: Ist der Euro nicht letztlich doch zum Scheitern verurteilt? Sind Lebens-, Rentenversicherungen, Bausparverträge und Staatsanleihen noch zeitgemäße Investments? Dienen Finanzprodukte dem Kunden oder nur der Finanzindustrie? Was bedeutet es, wenn ein Staat bankrottgeht? Wer profitiert eigentlich von den Schulden unseres Staates? Und: Kann ewiges Wachstum überhaupt funktionieren?

Die Autoren vertreten keine eigenen Investitionsangebote, sondern legen eine reine Aufklärungsarbeit vor mit dem Anliegen: „Jede Krise hat auch ihre Chance. Sorgen Sie dafür, dass Sie nicht zu den Verlierern gehören!“

Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden, geht nicht nur Investoren, sondern uns alle an. Denn es hat nichts mit politischen Ideologien zu tun oder nur mit dem Euro oder nur mit Europa oder gar nur mit Deutschland.

Unter der Überschrift „Das perfekte Verbrechen“ wird das Buch eingeleitet mit einem Kommentar von Prof. Dr. Harald Lesch aus München. Darin heißt es: „Inzwischen werden Billionen in einem virtuellen Markt gehandelt, den keiner mehr beherrscht. Da handeln Computer mit Computern, da wird Geld aus dem Nichts erzeugt, obwohl man immer weiß, von nichts kommt nichts – also ganz so kann das nicht funktionieren. Das ist möglicherweise die Realisierung des perfekten Verbrechens.“

Sehr empfehlenswert. Trotz des ernsten Inhalts sehr amüsant zu lesen.



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