„Wir sind alles andere als Tourismus-Rebellen“

60.000 Betreiber von Ferienwohnungen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern. Bislang hatten sie keine eigene Lobby. Nun kümmert sich der neu gegründete Tourismusverein um ihre Belange. Denn Kritik gibt es gut. Nach einer langen Durststrecke während des Lockdowns setzt der Verein klare Zeichen für die Zukunft. Ein Lockdown wie in der Vergangenheit, bei dem Urlauber aus dem Land gejagt wurden oder gar nicht erst einreisen konnten, dürfe sich nicht wiederholen.
Titelbild
Urlauberparadies Insel Usedom.Foto: iStock
Von 17. September 2021

Das Büroschild hängt, die Anmeldung zur Eintragung ins Vereinsregister beim Amtsgericht Stralsund ist eingereicht. Damit hat der neu gebildete Tourismusverein Mecklenburg-Vorpommern (M-V) die Grundsteine für seine weitere Tätigkeit gelegt. Der in den Medien als „Tourismus-Rebellen“ bezeichnete „Konkurrenzverein des etablierten Landestourismusverbandes“ sieht sich selbst eher als Ergänzung.

Branchenübergreifend bündeln sie die Interessen von rund 60.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie von Privatpersonen, Einzelunternehmern und kulturellen Anbietern. Während der vergangenen eineinhalb Jahren fühlten sie sich von der Politik im Stich gelassen. Nicht nur ihre Zimmer standen leer, auch Corona-Hilfe wurde in den meisten Fällen nicht gewährt. Auch ein gemeinsamer Eilantrag an das Verwaltungsgericht konnte dem keine Abhilfe schaffen.

„Wir sind alles andere als Tourismus-Rebellen“, erklärt Vereinschef Oliver Roeber gegenüber Epoch Times. „Das nennt man normalerweise bürgerschaftliches Engagement“. Im Verein organisieren sich Menschen, deren Herz für Urlauber aus anderen Regionen brennt. Mit viel Liebe zum Detail stellen sie Ferienunterkünfte bereit, für die sie teilweise hohe Kredite aufnehmen mussten. Manche erzielen ihre Haupteinnahmen aus der Ferienvermietung. Andere versuchen nur über die Runden zu kommen oder ihre Renten aufzubessern.

Laut Tourismusverein gibt es viele Baustellen im bedeutendsten Wirtschaftszweig des Bundeslandes: „Infrastruktur, Personalmangel und vor allem nach wie vor Corona“, erklärte der Vereinschef Roeber. Gründungsmitglied Mathias Schubert sieht es ähnlich: „Die gelebte Alternativlosigkeit ist das Grab des Tourismus“. Was fehlt, sei vor allem der Dialog mit der Politik. Die Verluste der vergangenen Monate können sie unmöglich mit den Einnahmen aus dem verregneten Sommer ausgleichen, geschweige denn bis zum Ende des Jahres über die Runden kommen.

Tourismusverband begrüßt Vereinsgründung

Der Geschäftsführer des Tourismusverbands M-V, Tobias Woitendorf, begrüßt die Gründung des neuen Tourismusvereins. Eine Konkurrenz sehe er in dem neuen Verein nicht. Unterschiedliche Organisationen würden verschiedene Branchen abdecken, sagte er gegenüber Epoch Times. So gebe es den Campingverband, die DEHOGA oder den Verein Landurlaub. Gleichzeitig bedauert er, dass die Akteure noch nicht früher in Erscheinung getreten und ihm bislang unbekannt geblieben sind. Aus diesem Grund ist für den 17. September ein erstes Treffen zwischen Tourismusverband und –verein geplant.

Laut Woitendorf hat sich der Tourismusverband nichts vorzuwerfen, im Gegenteil. Der Verbandschef sieht die Hygienekonzepte, die zu einer schnellen Öffnung nach dem Lockdown geführt haben, als sehr erfolgreich. Davon hätten unterm Strich auch die Betreiber der Ferienunterkünfte profitiert.

Roeber betrachtet die Sache mit anderen Augen. Die Belange der Unterkunftsanbieter seien anders als beispielsweise die großer Hotelketten. Hier sind die Urlauber in einer geschlossenen Wohnung für sich, ähnlich wie bei sich zu Hause. Die Nachfrage an Ferienwohnungen ist seit der Corona-Krise allgemein gestiegen, erklärt Roeber. Viele Urlauber sehnen sich nach Erholung – fernab von Maskenpflicht und Hygieneregeln im Speisesaal, wie sie im Hotel an der Tagesordnung waren.

Dass der Tourismusverband zu Ostern 2021 dazu beigetragen hatte, dass nicht nur Hotels keine Gäste empfangen durften, sondern auch private Ferienwohnungen für Urlauber geschlossen blieben, damit keine Spaltung in der Tourismusbranche entstehe, ist für Roeber unverständlich. Diese sei aber längst da, auch deshalb, weil private Anbieter keinerlei Corona-Hilfen erhalten. Alle Anbieter in M-V hatten darauf gehofft, dass zu Ostern dieses Jahres wieder Touristen einreisen dürfen. Stattdessen blieb der Wirtschaftszweig weiterhin lahmgelegt. Polizisten kontrollierten Tausende Fahrzeuge, die von Karfreitag bis Ostermontag einreisen wollten. Knapp 1.250 Personen mussten laut NDR das Land wieder verlassen.

Das Hin und Her, das Öffnen und Doch-nicht-Öffnen sowie die Unsicherheit für die Zukunft zehrt an den Nerven der Betreiber von Ferienunterkünften.

Offener Brief an Politiker

In einem Offenen Brief fordert der Verein von den in Mecklenburg-Vorpommern zur Wahl stehenden Spitzen-Kandidaten und Parteien Antworten auf elf Fragen. Vereinsvorsitzender Roeber hat ihnen eine Frist bis zum 17. September gesetzt. Dabei stehen Fragen im Mittelpunkt, wie es in dem derzeit von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) geführten „Tourismusland Nr. 1“ weitergeht.

So will der Verein beispielsweise wissen, ob die bisherige Coronapolitik der SPD/CDU-Regierung mit Einreise- und Beherbergungsverbot fortgesetzt werden soll, wie Alternativen aussehen und ob die Politiker es für tragbar halten, dass durch G2- oder G1-Regelungen große Teile der Bevölkerung vom aktiven Gesellschafts- und Wirtschaftsleben ausgeschlossen werden.

Hier wünscht sich der Tourismusverein, dass man sich an der Coronapolitik in Schweden und Dänemark orientiert, anstatt den Freistaat Bayern zum Vorbild zu nehmen. „Man kann nicht einfach Menschen aussperren, wenn man Gastfreundschaft symbolisieren möchte“, so Roeber. Das Aussperren von Gästen, die einreisen wollen, dürfe es in Zukunft nicht mehr geben. Darin sind sich alle Unterstützer des Vereins einig. Vielmehr gelte es, gemeinsam umsetzbare Lösungen zu erarbeiten – erst Recht in einem Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern, bei dem Tourismus eine Haupteinnahmequelle ist.

Kritisch sieht Roeber hierbei jedoch die Pläne zu touristischen Großprojekten, die von der Regierung als „Leuchtturmprojekte“ bezeichnet werden, wie beispielsweise den neuen Center Parcs-Ferienpark in Pütnitz. Bis 2025 soll hier ein Ferienpark direkt an der Ostsee auf der Halbinsel Pütnitz entstehen.  Roeber befürchtet, dass hierdurch die Nachfrage an privaten Ferienunterkünften sinkt, diese Einnahmen fehlen dann wieder den Privatvermietern.

Gleichzeitig werde durch die Bauarbeiten ein Teil der wundervollen Natur, wegen der die Urlauber letztendlich einreisen, zerstört. Zudem kommen Betreiber solcher Großprojekte häufig aus dem Ausland, sodass dem Bundesland sogar Steuergelder verloren gehen, gibt Roeber zu bedenken. Das Anliegen des Tourismusvereins hingegen ist es, eine zukunftsorientierte und nachhaltige Ausrichtung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern ins Auge zu fassen und endlich wieder ganzjährig Gäste zu begrüßen.



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