Eine getäuschte Jugend

Viele Bildungssysteme zeichnen ein falsches Bild sozialistischer Gesellschaften und ignorieren ihre Brutalität. Viele junge Menschen wissen nichts über die Wirklichkeit des Sozialismus.
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Dutzende Menschen marschieren jährlich bei den Arbeiter-Protesten am 1. Mai.Foto: Spencer Platt/Getty Images
Von 10. Januar 2022
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Sozialistische Ideen stehen bei jungen Menschen heute hoch im Kurs. Das zeigen diverse Umfragen. Das schleppende Wirtschaftswachstum und hohe Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Italien, Spanien und Frankreich könnten laut dem Wirtschaftswissenschaftler Emmanuel Martin zwei Gründe dafür sein. Die Jugendlichen seien von der Marktwirtschaft frustriert.

Doch das allein ist es nicht. Martin und andere Experten gehen viel mehr davon aus, dass das Bildungssystem maßgeblich die Gedanken der Jugendlichen geprägt hat und mit einer Verharmlosung der sozialistischen Experimente im 20. Jahrhundert ein romantisch-verklärtes Bild von der Brutalität in sozialistischen Gesellschaften bei Schülern und Studenten hinterlassen habe. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer gebe es in Europa eine neue Generation, die nicht mehr wisse, wie die Realität im Sozialismus aussieht.

Und auch in Amerika habe eine einseitige Propaganda an Universitäten dazu beigetragen, dass Hochschulabsolventen glaubten, der Sozialismus sei eine gerechtere Welt für alle. Zu diesem Schluss kommt die amerikanische Autorin Mary Eberstadt. In einem Interview mit „NTD“ sagte sie, dass eine wachsende Zahl junger Menschen heute den Sozialismus dem Kapitalismus vorziehe. Dabei seien sie absichtlich falsch erzogen worden und sollten mehr über die wahre Geschichte lernen.

Eberstadt war von 2002 bis 2013 Senior Fellow an der Hoover Institution, einer Denkfabrik an der Stanford Universität in Kalifornien, und arbeitete von 1985 bis 1987 als Redenschreiberin für US-Außenminister George Schultz. Im Interview stellte sie fest, dass seit Generationen eine bestimmte Art von Antiamerikanismus vorherrscht, insbesondere an Universitäten und Hochschulen.

„Junge Menschen müssen verstehen, dass es tiefgreifende Gründe gibt, warum sie mit diesem Narrativ abgespeist werden. Sie werden der Größe der Geschichte ihres Landes und ihrer Lektionen beraubt. Und die Gründe dafür sind, dass sie das Rückgrat einer politischen Bewegung sind, die sie ausbeutet.“ Diese Bewegung benennt Eberstadt als den Progressivismus, der ihrer Meinung nach tatsächlich mit dem Marxismus eng in Verbindung stehe.

„Ich kann das mit Bestimmtheit sagen, denn als ich auf dem College war, was Jahrzehnte her ist, war der Marxismus auf allen Elite-Unis weit verbreitet“, sagte Eberstadt, die 1983 ihren Abschluss an der Cornell University machte. „Und jetzt kommt er in dieser etwas weicheren Form zurück, die sich Sozialismus nennt, aber viele marxistische Grundsätze enthält.“

Im Juni zeigte eine Axios/Momentive-Umfrage, dass 51 Prozent der 18- bis 24-Jährigen den Sozialismus positiv sehen, 54 Prozent dieser Altersgruppe sehen den Kapitalismus negativ.

Großer Bedarf an Wahrheit

„Es wurde immer gesagt, dass der Sozialismus einfach nicht richtig ausprobiert worden sei. Und dies wurde benutzt, um ein Scheitern nach dem anderen in all jenen Ländern zu entschuldigen, die versuchten, ein marxistisches Regime einzuführen“, so Eberstadt weiter. Sie sehe einen großen Bedarf bei jungen Menschen, die Geschichte des Kommunismus und des Sozialismus und andere Wahrheiten zu verstehen, die ihnen ihre Lehrer aus politischen Gründen vorenthalten haben.

„Was den Studenten nicht gesagt wird, aber ihr Interesse am Sozialismus deutlich verringern würde, wäre das Wissen über die Tragödien, die sich bei Plänen zur massenhaften Umgestaltung des Menschen ereignet haben“, so Eberstadt. „Wir sprechen von den großen Hungersnöten. Wir sprechen von anderen kollektivierten Aktivitäten, die damit endeten, dass Menschen im Namen eines abstrakten, höheren marxistischen Gutes eingesperrt und ermordet wurden. Und die Geschichte ist voll von solchen Beispielen, wie wir wissen. Kindern und Jugendlichen diese Tatsache zu vermitteln, ist ein wichtiger Teil des Geschichtsunterrichts von morgen.“

Neben der Geschichte des Scheiterns von kollektivistischen Experimenten sollten auch andere Wahrheiten in den Klassenzimmern des Landes gelehrt werden, wie beispielsweise die Größe der amerikanischen Geschichte mit all ihren Problemen oder die wirtschaftliche Vitalität und der materielle Reichtum der Länder der freien Marktwirtschaft im Vergleich zu den kollektivistischen Ländern. Auch die Art und Weise, in der sozialistische, marxistische und kommunistische Regime nicht nur die Religion, sondern auch die Familie unterdrückt haben, sollten den jungen Menschen ihrer Meinung nach vor Augen geführt werden.

„Das sind alles leicht feststellbare Tatsachen“, so Eberstadt, „und wir brauchen Führungspersonen, die sie aussprechen, und wir brauchen Lehrer, die sie vermitteln.“

Weitere Ursachenforschung

Der Wirtschaftswissenschaftler Emmanuel Martin sieht die Wurzeln für den Trend einer solchen Entwicklung in der 68er-Generation, die nicht nur jede Form von Autorität, sondern auch persönliche Disziplin und Selbstkontrolle abgelehnt habe. Stattdessen sei das Recht auf Genuss ohne Grenzen zur obersten Maxime erhoben worden. „Bewegungen wie diese verachten die traditionelle, bürgerlich-kapitalistische Ethik und schlagen in dieselbe Kerbe wie die Idee, dass eine sozialistische Gesellschaft ‚cool‘ sei“, schrieb er in einem Essay, das auf „Der Pragmaticus“ erschienen ist. Andere Phänomene des Sozialismus würden außer Acht gelassen, wie die endlosen Warteschlangen vor Lebensmittelgeschäften, die Entbehrungen durch die Planwirtschaft, die kümmerliche Entlohnung der Arbeiter oder das System der Arbeitslager in China.

Martin sieht jedoch noch weitere Ursachen, die eine solche Entwicklung möglich gemacht haben. Die Schwächung der Religion in der westlichen Welt kann dazu geführt haben, dass der Sozialismus zu einer Art Ersatzreligion geworden ist, die das schwindende Gefühl von Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit ersetzen soll. Nicht nur der Niedergang der Religionen, sondern auch die Erosion der Familie  hinterlasse eine Leere, die gefüllt werden will. Sowohl die Großfamilie als auch die traditionelle Kernfamilie sei nicht mehr in dem Maße existent, dass sie diese Lücke zu füllen vermag. Auch die zunehmende Verstädterung sorge dafür, dass sich die Menschen nach Gemeinschaft sehnten.

Weiter schreibt er, dass Ökonomen wie der verstorbene James M. Buchanan den aktuellen Trend wohl zum Teil mit Paternalismus erklären würden, also der Forderung nach einem bevormundenden „Nanny-“ oder Kindermädchen-Staat. „In Wohlfahrtsstaaten sehnen sich viele Menschen nach sozialer Sicherheit. Der nächste Schritt ist dann der Sozialismus“, so der Wirtschaftswissenschaftler.



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