FORTSCHRITT – die neo-utopische Evolution

Die Etymosophie-Kolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.
Epoch Times27. März 2012

 

Fortschritt und Wachstum sind zu einem allgemeingültigen Heilsbegriff geworden im Zuge utopischer evolutionärer Entwicklungen. Die Menschen ohne Ort (griech.: ou tópos) , ohne innere Heimat sind zu bedauern – sie bewegen sich als Utopisten an einer immer entfernter liegenden Peripherie und suchen auf der Umlaufbahn von zahllosen Irrtümern einen oftmals sinnlosen Fortschritt. „Progress is success“ (Fortschritt bedeutet Erfolg) heißt das Zauberwort.

„Success“ ist nicht unbedingt ein Gewinn; das Wort weist lediglich auf ein „Nachfolgen“ hin. Der Nachfolger eines verstorben Königs ist der Kronprinz, der „royal successor“. Die Nachwirkungen einer schweren Krankheit oder eines schlechten Geschäftsjahres haben ebenfalls Folgen im ursprünglichen Sinn von „success“.

Der Fortschritt verführt den Menschen zu der Annahme, es sei ihm möglich, seine menschliche Existenz durch das Einwirken auf die Wirklichkeit der Natur zu vervollkommnen. Da er sich aber der Wirklichkeit (nicht zu verwechseln mit Realität) nicht entziehen kann, verändert sich nur seine Anschauung von ihr und im Rausch sich ändernder Anschauungen beginnt er, sich um sich selbst zu drehen, schneller und immer schneller, mit immer neuen Erwartungen, stets davon überzeugt, dass mit jeder Veränderung bereits ein Fortschritt erzielt sei.

In Wahrheit aber ist Fortschritt nichts anderes als ein unbestimmtes Sehnen nach Vollkommenheit, nach jener Ganzheit (griech.: holon, engl.: wholeness), ursprünglichen Heiligkeit, aus der der Mensch hervorgegangen ist, von der ihn die Wirklichkeit trennt. Im Taumel des Drehens verliert er die Mitte immer mehr aus den Augen und zwangsläufig richtet sich sein Blick suchend nach draußen ins Leere.

Dies erklärt, dass der Mensch auf diese Weise seine Mitte nicht finden kann und dass, was er den Fortschritt nennt, ihn immer weiter entfernt sein lässt von seinem in ihm wohnenden Sinn, von seiner Bestimmung, seinem eigentlichen Wesen. Fortschritt so, wie der Mensch ihn begreift, bewirkt ein Fortschreiten vom Leben.

Bedeutet der Glaube des Menschen die wachsame Verbindung zu seiner Herkunft, seiner Mitte, seinem Sein, dann wird in der Abkehr von seiner Mitte das Hoffen auf Fortschritt zum Glaubensersatz. Diese Art zu glauben erschöpft sich lediglich in der Utopie der Selbsterfüllung. In fester Überzeugung tendiert der Mensch dazu, in der Evolution gleichsam einen Beleg für seine Fortschrittsthese zu sehen. Selbstbewusst blickt der Mensch zurück, in seine dunkle Vergangenheit, aus der er wissend und geläutert hervorgegangen ist.

Der Glaube an den Fortschritt hat inzwischen die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen selbst verändert, er blendet ihn und macht ihn blind gegenüber den Gefahren, die er mit seinem Fortschrittseifer heraufbeschwört und den Auswirkungen und den Abgründen, die sich mit seinem prometheischen Eigenwillen vor ihm auftun. Der größte geistige Fortschritt liegt in dem Paradoxon der rückschreitenden Heimkehr in das innerste Zentrum eines jeden Menschen. An diesem „theo-tópos“, dem göttlichen Wohnort, hören alle Konflikte schlagartig auf.

 



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