In der Brüsseler EU-Blase verliert die französische Sprache an Bedeutung

"Der Rückgang des Französischen ist eine Katastrophe", erklärt Jean Quatremer, der seit 1990 als EU-Korrespondent ist. In Brüssel wird mehr englisch geredet und gesprochen, als manchem lieb ist.
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Der Eiffelturm, im Jahre 1889 errichtet, gilt als das Wahrzeichen von Paris. Hier in abendlicher Beleuchtung. (Mike Hewitt/Getty Images)
Epoch Times20. März 2018

Die Tage, in denen Französisch die wichtigste Sprache auf der EU-Bühne war, sind vorbei. Deutlich zu spüren bekam das kürzlich der französische Finanzminister Bruno Le Maire bei einer Podiumsdiskussion mit europäischen Stahl-Produzenten in Brüssel.

„Vielleicht eine Frage auf Französisch?“, wandte er sich an das Publikum, nachdem er mehrere Stunden lang in einwandfreiem Englisch diskutiert hatte. Die meisten erhobenen Arme verschwanden, nur der eines Journalisten blieb – seine Frage stellte er dennoch auf Englisch.

Englisch ist als Lingua Franca der Brüsseler Elite mittlerweile fest etabliert. „In den vergangenen 20 Jahren hat sich Englisch vollständig durchgesetzt“, sagt der Franzose Nicolas Veyron, der als einer der angesehensten Ökonomen in Brüssel die meiste Zeit Englisch spricht.

„Der Rückgang des Französischen ist eine Katastrophe“

Für alteingesessene Frankophone der Brüsseler Blase, dieses Mikrokosmos‘ von Eurokraten und internationalen Medien, ist dies manchmal schwer zu akzeptieren.

„Der Rückgang des Französischen ist eine Katastrophe“, sagt etwa Jean Quatremer, der seit 1990 als EU-Korrespondent für die französische Tageszeitung „Libération“ tätig ist. Andere altgediente Korrespondenten erinnern sich an eine Zeit, „als jeder in der Blase – Kommissare, Beamte, Sprecher – Französisch sprach“.

Den großen Wandel leitete 2004 die erste Osterweiterung der EU ein, als zehn hauptsächlich osteuropäische Länder der Gemeinschaft beitraten.

„Es kamen all diese neuen Gesichter, und niemand von ihnen sprach Französisch“, erinnert sich Karen Massin, eine französische Lobbyistin, die zu dieser Zeit am Beginn ihrer europäischen Karriere stand.

Fast alle Rechtstexte sind auf englisch – Französisch braucht man, um Kontakte zu knüpfen

Weil die belgische Hauptstadt größtenteils französischsprachig ist, ist Französisch aus dem Brüsseler Europa-Viertel nicht verschwunden. Auch geben laut EU-Kommission 80 Prozent der rund 30.000 EU-Angestellten an, Französisch als Erst-, Zweit- oder Drittsprache zu beherrschen.

„Französisch ist wichtig, um Kontakte zu knüpfen“, sagt Massin. „Der wirkliche Unterschied ist aber, dass fast alle Rechtstexte heute auf Englisch verfasst werden“, wendet eine ehemalige EU-Beamtin ein.

Der Brüssel-Korrespondent Quatremer befürchtet mögliche „Katastrophen“ beim Verfassen von Rechtstexten, wenn niemand Englisch als Muttersprache spricht und alle eine vereinfachte, verfälschte Form, ein „bastardisiertes Englisch“ verwendeten.

Die französische Regierung will die eigene Sprache fördern

Auch die Regierung in Paris möchte die Dominanz des Englischen nicht einfach hinnehmen. Präsident Emmanuel Macron kündigte am Dienstag bei einer Rede in der Gelehrtenvereinigung Institut de France verstärke Anstrengungen an, um dem Französischen in Europa und der Welt wieder mehr Geltung zu verschaffen. Auf EU-Ebene will der Präsident eine gemeinsame Initiative mit Belgien starten, um die Sprache in den Institutionen zu fördern.

„Es ist paradox: Englisch war noch nie so präsent in Brüssel wie heute – und das zu einer Zeit, in der wir vom Brexit sprechen“, betonte Macron. Der Elysée-Palast beruft sich auf eine Studie des Übersetzerdienstes der EU-Kommission, wonach 2014 nur rund fünf Prozent der Texte auf Französisch verfasst wurden, gegenüber 40 Prozent in 1997.

Nach dem Brexit-Schock kamen rasch Spekulationen über einen Bedeutungsverlust des Englischen in Brüssel auf. Schließlich wird Englisch nach dem Austritt Großbritanniens nur noch in den relativ kleinen EU-Mitgliedstaaten Irland und Malta offiziellen Status haben.

Aber Englisch bleibt die bei weitem meistgesprochene Fremdsprache in Europa. 38 Prozent der Europäer sprechen Englisch als Fremdsprache, nur zwölf Prozent Französisch.

Kaum jemand glaubt wirklich daran, dass die Sprache Molières ihre Bedeutung der Anfangstage der EU wieder erreichen wird.​ „Eine schöne Idee“, sagt die Lobbyistin Massin – „aber reine Utopie“. (afp)



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