Leben und Abenteuer der Lepra-Ärztin und Nonne Ruth Pfau
Leben und Abenteuer der Lepra-Ärztin und Nonne Ruth Pfau: Über fünf Jahrzehnte in der „Hölle“ von Pakistan. – Die Welt und die Freiheit scheinen nicht zusammenzupassen. Mit diesen Kurzformeln könnte man das Buch „Leben ist anders“ von Ruth Pfau charakterisieren. Erstaunlich.
Ruth Katherina Martha Pfau wurde am 9. September 1929 als vierte von fünf Töchtern in Leipzig geboren. „Es war kurz nach dem Krieg, ich muss etwa 17 gewesen sein. Mein kleiner Bruder war schwer krank. Wir hatten kaum etwas zu essen und es gab keinen Arzt. Draußen hatten die Russen eine Ausgangssperre verhängt. Bis mein Vater mit den Medikamenten zurückkam, war mein Bruder gestorben. Damals bin ich die Kellertreppe hoch und habe mir gesagt: So etwas darf nicht passieren. Jetzt Medizin, tot oder lebendig.“
1948 folgte sie ihrem Vater in die Bundesrepublik und begann in Mainz mit dem Medizinstudium. Beeinflusst durch einen Freund ließ sie sich 1951 taufen und wurde zunächst Mitglied der evangelischen Kirche, konvertierte dann 1953 im Alter von 24 Jahren zur römisch-katholischen Kirche. Nach Abschluss ihres Studiums mit internistischer, gynäkologischer und geburtshilflicher Weiterbildung in Köln und Bonn trat sie 1957 in die Kongregation der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä ein. 1960 wurde sie von ihrem Orden nach Indien geschickt, wo sie als Frauenärztin arbeiten sollte.
Aufgrund von Visaschwierigkeiten war ein Zwischenaufenthalt in Karachi/ Pakistan erforderlich. In einem Elendsviertel begegneten ihr leprakranke Menschen. Die Lepra-Hilfe und das Land Pakistan prägen seit über 50 Jahren das Leben der ungewöhnlichen Frau, die sich in den Dienst der ärmsten Menschen gestellt hat. Sie ist seit vielen Jahren Ehrenbürgerin Pakistans, u.a. ausgezeichnet mit dem Großen Bundesverdienstkreuz und der „Albert-Schweitzer-Medaille in Gold“.
Im Dezember 2013 hatte der ehemalige langjährige Cheflektor des HERDER-Verlags, Dr.phil. Rudolf Walter, die weltbekannte Lepra-Ärztin Dr. med. Ruth Pfau in Karachi besucht, mit ihr zwei Wochen intensive Gespräche über ihr abenteuerliches Leben geführt und daraus in kürzester Zeit ein geradezu fesselndes Buch gemacht, das man beim Lesen nicht aus der Hand legt. Innerhalb eines Monats wurde eine zweite Auflage im Februar 2014 erforderlich.
Ruth Pfau, die in diesem Jahr 85 wird, blickt auf ein sehr bewegtes Leben zurück. „Die Freiheit ist unter allen menschlichen Werten der wichtigste. Ohne Freiheit können wir nicht lieben. Aber musste der Preis so hoch sein? Freiheit ist eine gefährliche Größe, sie kann auch zum Bösen verwendet werden. Und sie ist ein gefährlicher Wert. Die Welt und die Freiheit scheinen nicht zusammenzupassen. Und ich halte es auch für absurd, vom Leiden als dem Preis der Freiheit zu sprechen. Das gilt nicht nur für Pakistan. Es werden Kinder auch im Westen, auch in Deutschland missbraucht, umgebracht. Sie sind bloß wehrlose Opfer. Von Freiheit keine Spur. Warum hat Gott den Menschen geschaffen und ihn dann in eine Situation gesetzt, in der er seine Freiheit auf eine Weise ausüben kann, die dem anderen schadet?…“
Ruth Pfau ist wunderbar aufrichtig und ehrlich. Sie kann Gott oft nicht verstehen und fragt sich, warum er mit uns, mit ihr eine Beziehung eingeht, die sie gar nicht spürt.
„Ich kann die Psalmen nicht mehr beten. Nicht nur mit ihrem Schöpfungspreis. Auch die Klagepsalmen fallen mir schwer. Meine Frage bleibt: Wieso schafft Gott eine Welt, von der man sagen muss: Das ist schiefgegangen? Schafft man denn Menschen, damit sie unglücklich sind? Schön und gut, dass ER das Leiden der Welt am Ende selber durchlitten hat. Aber war das ganze Drama denn wirklich nötig?“
Zwischendurch hatte Ruth Pfau versucht, für einige Zeit im Ruhestand zu leben. Dieses Projekt ist ihr missglückt. Sie ist wieder voll in ihre gewohnte Arbeitsroutine in der glühenden Hitze von Pakistan zurückgekehrt. Sie braucht die Ablenkung, gleichwohl möchte sie ihre medizinischen Erkenntnisse und organisatorischen Erfahrungen einbringen. Sie liebt die Menschen um sich herum, konzentriert sich mit großer Achtsamkeit auf die immerwährende Gegenwart, gewinnt dadurch ihr Vertrauen.
„Dass Menschen im Ruhestand von der Aktivität des Berufslebens in den Aktivismus der Rentner verfallen, nur noch unterwegs sind, von einer Reise in die nächste flüchten und damit ein existentielles Loch der Sinnleere zustopfen, das gibt es. Retirement – sich zurückziehen –, das klingt für pakistanische Ohren nach Wegwerfgesellschaft…“
Die mit fast 85 Jahren Tag und Nacht tätige Ärztin bekennt: „Jetzt wirklich ein kontemplatives Leben als Nonne zu führen, das steht ja in meinem Leben noch aus!“
Im Mai 2014 wird Ruth Pfau in Freiburg und Köln bei Vorträgen ihr Buch mit der Bilanz ihres Lebens vorstellen.
Ruth Pfau
Leben ist anders
HERDER Verlag
256 Seiten
1. + 2. Auflage Februar 2014
€ 18,99
Foto: Cover HERDER Verlag
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion