Rassismus in den Niederlanden: Eine radikale Gruppe verklagte den Nikolaus und „Zwarten Pieten“
Bei strahlend blauem Himmel tuckerte das Dampfschiff durchs Wasser, auf den Deichen standen Tausende Menschen, die Kinder winkten fröhlich, die Flügel der Mühlen drehten sich im Wind.
Das niederländische Städtchen Zaandam bot am Wochenende eine Bilderbuch-Kulisse für die traditionelle Ankunft des Nikolauses. Doch längst ist dieses Fest kein unschuldiges Vergnügen mehr. Um den Nikolaus und seine schwarzen Helfer ist ein erbitterter Kampf entbrannt. Die schwarz geschminkten „Zwarten Pieten“ sind für viele ein rassistisches Symbol.
In diesem Jahr wurde der Nikolaus im rot-weißen Bischofsgewand und mit langem weißen Bart auch von Dutzenden Demonstranten empfangen – sowohl Gegnern von Zwarte Piet („Schwarzer Peter“) als auch Anhängern. Mehrere Hundert Polizisten waren ausgerückt. Der nationale Nikolaus-Einzug in dem Städtchen im Norden von Amsterdam war besser geschützt als ein Risikospiel der Profi-Fußballliga.
Rangeleien mit der Polizei – bei einem Kinderfest
In Zaandam blieb es friedlich. Doch nicht so an anderen Orten im Lande. In Groningen, Eindhoven oder Rotterdam war die Stimmung mehr als grimmig. Es kam zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Fußball-Hooligans. Die Polizei nahm mehrere Personen fest.
Der Rassismus-Streit wird jedes Jahr heftiger. Sogar Ministerpräsident Mark Rutte sah sich im Vorfeld gezwungen, das Volk zur Ruhe zu ermahnen. Man solle „ruhig, würdig und respektvoll“ miteinander umgehen. Es sei schließlich ein Kinderfest.
Nach der Legende kommt Sinterklaas im November mit dem Boot aus Spanien an – mit Pieten und Geschenken. Drei Wochen lang ziehen Sint und seine Helfer nun durchs Land bis zur großen Bescherung am 5. Dezember.
Purer Rassismus?
Eigentlich liebt jeder die Pieten – wenn da nicht das Outfit wäre. Sie sind meist rabenschwarz geschminkt und tragen bunte Pumphosen, einen passenden Wams mit Spitzenkragen und ein Käppi mit großer Feder. Vor allem aus Sicht schwarzer Niederländer ist dies purer Rassismus: Schwarze würden als dümmliche oder lustige Knechte dargestellt.
„Die Figur Zwarte Piet ist Rassismus“, sagte einer der führenden Gegner, Jerry Afriyie, von der Aktionsgruppe „Kick Out Zwarte Piet“. „Doch die Leute, die das Fest feiern, sind keine Rassisten.“ In diesem Jahr protestierte die Gruppe in 18 Städten. „Blackface ist kein Kinderfest“, schrieben sie auf Transparente. Blackface – damit ist die Maskerade gemeint, wenn sich weiße Darsteller das Gesicht schwarz anmalen.
Für die Mehrheit der Niederländer ist Zwarte Piet eine unschuldige Figur. „Es ist ein Kinderfest“, sagt die Aktionsgruppe Pro-Zwarte-Piet. Für sie gehört die Figur zur niederländischen Identität wie Tulpen und Käse.
Doch so alt ist die Tradition überhaupt nicht. Der Helfer des Nikolauses wurde erst im 19. Jahrhundert zum Schwarzen. In den Jahrhunderten zuvor trat der Sinterklaas entweder alleine auf oder hatte eine Art ungehobelten Knecht Ruprecht bei sich wie seine übrigen europäischen Kollegen.
Karneval, Halloween – bei allem wird gestritten
Auch in anderen Ländern ist das Blackfacing umstritten. Erst kürzlich war eine US-Moderatorin vom TV-Sender NBC nach einer Kontroverse um Blackface-Kommentare entlassen worden. Megyn Kelly hatte über Halloween-Kostüme gesprochen und dabei gesagt, dass es in ihrer Jugend in Ordnung für weiße Menschen gewesen sei, sich das Gesicht schwarz anzumalen, solange man sich als bestimmte Person verkleidet.
In Deutschland gab es Streit beim Karneval: Der Verein „Frechener Negerköpp“ aus der Nähe von Köln hat nun nach 40 Jahren seinen Namen geändert. Grund waren zunehmende Anfeindungen.
Auch ein Karnevalsverein aus Fulda sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt, weil Mitglieder Kolonialuniformen trugen oder sich als schwarze Menschen geschminkt hatten. In Frankreich musste sich Star-Fußballer Antoine Griezmann 2017 entschuldigen, weil er geschminkt und mit Afro-Perücke als Basketballspieler posiert hatte.
Den Kindern ist die Hautfarbe total egal
In den Niederlanden nimmt der Streit an Schärfe zu. Eine radikale Gruppe hatte nun sogar versucht, eine einstweilige Verfügung gegen den Nikolaus zu erwirken.
Doch Richter Antoon Schotman in Haarlem wies die Klage ab. „Schwarzer Piet ändert sich bereits“, sagte er in seinem ungewöhnlichen Schlusswort und sprach vielen aus der Seele. Für die einen gehe das zu schnell, für die anderen zu langsam. „Es ist aber wichtig, dass das Gespräch weiter geführt wird.“
Den Kindern sei die Hautfarbe total egal, stellte die Amsterdamerin Merel fest. „Meine Kinder sehen das gar nicht. Für sie ist nur das Kostüm wichtig.“ In Amsterdam wurde Piet bereits abgeschminkt und hat nur noch ein paar braune Flecken im Gesicht.
Merels kleiner Sohn Wiebe (7) weiß auch genau, warum das so ist. „Das kommt vom Ruß“, sagt er. „Die Pieten klettern durch die Schornsteine und bringen die Geschenke – ist doch klar.“ (dpa)
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