Sport in der Grundschule fördert die Konzentration
Wie sich sportliche Betätigung im Schulalter auf die geistige Fitness – genauer die Konzentrationsfähigkeit – auswirkt, ist eine Frage, die gerade in Zeiten von Handy, Internet und Spielekonsole Pädagogen und Eltern verstärkt umtreibt. Sportwissenschaftlerin Nadja Walter von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat sich deshalb dieser Thematik in ihrer Dissertation angenommen.
„Körper fordern – Geist fördern“, lautet eine populärwissenschaftliche Forderung, die in den vergangenen Jahren auch von Sportpädagogen stetig lauter artikuliert wird. Für ihre Dissertation am Department Sportwissenschaft der MLU hat Nadja Walter diese These genauer untersucht: In einer 16-monatigen Feldstudie ließ sie im Rahmen des Sportunterrichtes wöchentlich einstündige sportliche Interventionen – zum einen Karate, zum anderen Hand- und Volleyball – durchführen. Mittels Konzentrationstests und umfangreicher Beobachtungen wurde begleitend die Wirksamkeit der Maßnahmen auf die Konzentrationsfähigkeit der 300 teilnehmenden Zweitklässler geprüft.
„Im Ergebnis lässt sich festhalten: Die gezielte sportliche Intervention hat sich fördernd auf die Konzentrationsleistung der Schüler ausgewirkt, stärker als der reguläre Sportunterricht allein“, fasst Walter zusammen. So seien bei den Interventionsteilnehmern bis zu 40 Prozent höhere Zuwächse hinsichtlich der Konzentrationsleistung zu verzeichnen gewesen als bei der Kontrollgruppe. Karate und Ballsport hätten sich zudem als nahezu gleichermaßen wirksam erwiesen. „Die Forderung nach der Wiedereinführung der dritten Pflichtsportstunde kann ich folglich in jedem Fall unterstützen. Zudem geben die Ergebnisse Anlass dafür, intensiv über die Öffnung des Lehrplanes und die Einbeziehung methodisch-didaktischer Aspekte in den Sportunterricht nachzudenken“, betonte die Sportwissenschaftlerin.
Zu Beginn ihrer Arbeit im Januar 2009 hatte Walter zunächst aus den 15 teilnehmenden Klassen drei Vergleichsgruppen gebildet: Während jeweils fünf Klassen in einer der beiden wöchentlichen Sportstunden eine Einweisung in schulsportgeeignetem Karate erhielten, übten sich weitere fünf in den Grundlagen des Hand- und Volleyballs. In der Kontrollgruppe wurde der Sportunterricht nach Lehrplan abgehalten.
Um die Wirksamkeit der gezielten und angeleiteten sportlichen Interventionen auf die Konzentrationsfähigkeit erfassen zu können, setzte Walter vor Beginn und am Ende der 16-monatigen Trainingsphase das sogenannte Frankfurter-Aufmerksamkeits-Inventar (FAIR) ein, einen psychologischen Test, bei dem die Schüler unter Zeitdruck die Aufgabe hatten, in mehreren Reihen angeordnete, ähnliche Symbole sicher zu unterscheiden und die vorgegebenen Ziel-Items zu markieren. Ergänzend ließ die Sportwissenschaftlerin von den Lehrern dieser Schüler Verhaltenslisten ausfüllen, fertigte in den Sportstunden selbst Beobachtungsbögen an und erfasste in einer umfangreichen Feedbackerhebung die Einstellungen und Meinungen der beteiligten Schüler, Lehrer und Eltern zur Untersuchung und zu den gewonnenen Ergebnissen.
Die in Zusammenarbeit mit fünf Schulen in Halle durchgeführte Studie „Konzentrations- und Aufmerksamkeitsförderung durch Sport in der Grundschule“ ist jetzt im Verlag Dr. Kovac erschienen. Sie zeigt, dass gezielte sportliche Interventionen signifikant zur Verbesserung der Konzentrationsleistung beitragen. (Carsten Heckmann, idw)
Neurowissenschaftliche Forschung in Köln
Auch Neurowissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln untersuchen derzeit an der Grundschule in Köln-Müngersdorf die Auswirkung des Schulsports auf die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit der Schüler. Dafür werden jeweils vor und nach der Schulsportstunde ein Teil der in Klasse 3 bundesweit eingeführten Vergleichsarbeiten VERA3 (Grundschuläquivalent zur PISA-Studie) durchgeführt. Parallel dazu wird mittels EEG-Analyse der neurophysiologische Zusammenhang von Sport und Gehirnaktivität untersucht. Die Untersuchungen finden jeweils Montagvormittag vor und nach dem Sportunterricht in der vierten Unterrichtsstunde statt.
Im Rahmen einer ersten Pilotstudie mit Viertklässlern konnten die Wissenschaftler der Sporthochschule mittels Elektrotomographie (sLORETA) eine Zunahme der tonischen elektrokortikalen Grundaktivität (alpha-Aktivität) im sensorischen Kortex nach körperlicher Aktivität nachweisen sowie eine Abnahme der Hirnaktivität in temporalen Hirnarealen, die eng mit dem Sprachverständnis verbunden werden. Beides deutet auf grundlegend positive Auswirkungen des Schulsports auf das Körperbewusstsein (u.a. Entspannungsfähigkeit) bzw. die kognitive Leistungsfähigkeit (Aufmerksamkeitsfähigkeit / Konzentrationsfähigkeit) hin.
Die derzeit durchgeführten Forschungsarbeiten sollen diese Befunde ausweiten und in einen schulischen Alltagsbezug stellen sowie die zu beschreibenden neurophysiologischen Veränderungen in direkten Kontakt zur kognitiven Leistungsfähigkeit in der Schule stellen. (Sabine Maas, idw)
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