Zorn auf den Tod: „Warum gerade du?“

Durch einen Unfall auf einem unbeschrankten Bahnübergang hat die 1974 in Wien geborene Barbara Pachl-Eberhart im März 2008 ihren Mann und ihre beiden Kinder verloren. Innerhalb von fünf Tagen starben sie; einer nach dem anderen. Erst Helmut, 39, der Familienvater und ihre große Liebe. Tochter Valentina, 22 Monate alt, vier Tage später. Und dann, wieder einen Tag später, Thimo. Er wäre bald sieben geworden. In ihrem im Jahr 2010 erschienenen Bestseller „vier minus drei“ hat sie bis heute fast 200.000 Leser tief berührt.

Thimos Tod war der einzige Abschied, den Barbara Pachl-Eberhart planen konnte. Das Kind lag im Koma und wurde künstlich am Leben gehalten. „Ihr Sohn wird nicht wieder aufwachen“, hatten die Ärzte gesagt. Zwei Wochen, länger gaben sie ihm nicht. „Ich werde die Maschinen abschalten lassen“, beschloss seine Mutter. Es ist der letzte Akt einer traurigen Geschichte: „Ich war nicht bei ihnen, als mein Mann und meine Tochter starben“, sagte Barbara Pachl-Eberhart später.

„Von Thimos Tod wollte ich mich nicht auch noch überraschen lassen.“ Am fünften Tag nach dem Unfall plant sie einen ganz besonderen Abschied. Sie ruft sieben Clowns an, bittet sie, in die Klinik zu kommen. Es sind ihre Kollegen. Barbara Pachl-Eberhart hatte zuvor neun Jahre lang als Klinik-Clown kranke Kinder in ihren traurigsten Stunden in der Landesklinik in Graz getröstet. Und genauso hat sie ihre eigenen Kinder verloren.

„Die Clowns kamen in bunten Kostümen zu Thimo. Sie spielten Trompete und Gitarre, pusteten Seifenblasen in den Raum.“ So, wie die Mutter es sich gewünscht hatte. Dann kommt der Moment der Endgültigkeit: „Eine Schwester legte mir meinen Sohn in den Arm und verhängte den Monitor, der seine Herztöne anzeigte, mit einem Tuch . . .“

Barbara Pachl-Eberhart machte im Jahr ihre 2000 Diplomprüfung für das Lehramt an Volksschulen. Danach war sie neun Jahre als Clown bei den „Rote Nasen Clown-Doctors“ in Graz und Wien tätig. Nach verschiedenen weiteren Ausbildungen ist sie jetzt unterwegs mit Referententätigkeit in Bildungshäusern, Hospizvereinen, Unternehmen. Schwerpunkte: Kreatives Schreiben, Dialogbegleitung, Vitalcourage.

Jetzt ist ihr neues, dem Tod gewidmetes Buch erschienen: „Warum gerade du? – Persönliche Antworten auf große Fragen der Trauer“.

Die 40-jährige Künstlerin beschreibt die letzten sechs Jahre großer persönlicher Veränderung, in denen sie schmerzhaft lernen musste, die Sterblichkeit in ihr Leben zu integrieren, Gefühle zuzulassen und nicht zu verdrängen, der Liebe eine neue Form zu geben.

„Ich selbst bin damals nicht gestorben, sondern am Leben geblieben. Das habe ich mir zwar nicht freiwillig so ausgesucht, ich habe auch immer wieder damit gehadert, aber mittlerweile bin ich darüber wieder richtig froh. Ich musste, nein: ich durfte lernen, wieder Freundschaft zu schließen – mit einem Leben, das mich 2008 auf so brutale Weise überrascht und herausgefordert hat, das aber zugleich immer wieder unendlich lieb, gütig und großzügig mit mir umgegangen ist.

Trauern, so nenne ich den Prozess, in dem man die Freundschaft zum Leben neu entdeckt und zugleich übt, auch den Tod geliebter Menschen freundlich zu akzeptieren. Heute, sechs Jahre nach dem Tod meiner Familie, bin ich dankbar für alles, was ich in meiner Trauer lernen und begreifen durfte.

Die Trauer spielt in diesem Buch eine wichtige Rolle, aber sie ist nicht die einzige Hauptfigur. Da, wo es um den Tod geht, geht es immer auch – und vor allem – um das Leben. Diese Erkenntnis wurde mir durch die Osterereignisse des Jahres 2008 geschenkt. So ist mein neues Buch ein Trauer- und ein Lebensbuch zugleich. Es geht um Fragen und Antworten, um Tränen und Glück, um Ratlosigkeit und plötzliche Erkenntnis, um Erinnerungen, Vergangenheit und Zukunft.“

Dieses sehr persönliche Buch ersetzt nicht eine professionelle Trauerbegleitung in einer Phase größten Schmerzes und tiefster Verzweiflung. Barbara Pachl-Eberhart muss ein tragisches Schicksal bewältigen und hat sich Hilfe bei einer C.G. Jung-Therapeutin gesucht, um ihre Träume besser verstehen zu können. Ihr Leben ist voller Zeichen, die nach Deutung verlangen. Dazu benötigt sie Menschen, die sich in den Unterbewusstseinsschichten der Psyche recht gut auskennen.

Dennoch ist das Buch „Warum gerade du?“ in der jetzigen Zeit so bedeutungsvoll: Die seelischen Erkrankungen der Menschen nehmen enorm zu, die Suizidrate ist extrem hoch. Auch Barbara Pachl-Eberhart ist an die Grenzen des Ertragbaren gestoßen und hat sich zum Glück  für das Leben entschieden. Ihr Gefühlschaos gerät wieder in eine Ordnung; die Autorin lässt uns an diesem Verwandlungsprozess teilnehmen.

Ein berührendes Buch, das auf der Seite 245 so endet: „Als Trauernde lernen wir, die vielen Kleinigkeiten wahrzunehmen, die uns nähren und ein wenig aufmuntern. Im Lauf der Zeit befüllen wir den Werkzeugkoffer des Glücks mit dem Wissen um alles, was uns unmittelbar guttut. Wir werden zu Experten des kleinen, leicht erfüllbaren Glücks“.

Foto: Cover Verlag: Integral

Barbara Pachl-Eberhart

Warum gerade du?

Gebundene Ausgabe: 256 Seiten

Verlag: Integral

ISBN-10: 3778792539

17,99 Euro