COVID-19 und Innenräume: Ansteckung durch Aerosole in der Atemluft trotz Abstand

Abstand und Händewaschen sind in Innenräumen nicht ausreichend: Mehrere Fallstudien beschreiben die Übertragung von Sars-CoV-2 durch Aerosol bei einem Abstand zwischen den Personen von mehreren Metern. Hier die wichtigsten Punkte, die man über die Ansteckung durch Aerosole wissen und was man im Alltag beachten sollte.
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Aerosole sind kleine Flüssigkeitströpfchen in der Luft.Foto: istock
Von 29. Juni 2020

Bereits seit dem Bekanntwerden der neuartigen Wuhan-Lungenentzündung diskutierten Forscher über eine Ansteckung mit dem Virus über die Luft. Nun häufen sich die Berichte, in denen Aerosole als Übertragungsweg für eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 genannt werden.

Aersoloe sind fein verteilte Flüssigkeitströpfchen die sich längere Zeit in der Luft halten. Sie werden vor allem bei Husten oder Niesen freigesetzt, aber auch beim normalen Sprechen, sowie beim Atmen in beachtlichen Mengen ausgestoßen. Ist eine Person mit dem Virus infiziert, ist dieser in den ausgestoßenen Aerosolen enthalten. Aerosole haben eine Größe von weniger als einem Tausendstel Millimeter und reichern sich in geschlossenen Räumen mit der Zeit in der Luft an. Laut mehreren Fallstudien kann das Einatmen dieser Aerosole für eine Ansteckung mit dem neuartigen Virus ausreichen.

Virologe Professor Christian Drosten hält es für denkbar, dass bis zu 45 Prozent aller COVID-19-Ansteckungen über Aerosole stattfinden. Schmierinfektionen, die durch Händewaschen und Desinfektionsmittel vermieden werden können, schätzt er hingegen nur auf 10 Prozent.

Fallstudien: Ansteckung in Innenräumen trotz Einhaltung von Abstand und Hygiene

Es gibt bereits mehrere Fälle, wo trotz Einhalten von Abstand und Hygieneregeln Ansteckungen passiert sind. Bei einer Chorprobe steckten sich 53 der 61 Anwesenden bei einem COVID-19-infizierten Sänger an. Einen ähnlichen Fall gab es auch im März in Deutschland. Bei einer Chorprobe steckten sich 60 von ungefähr 80 Teilnehmern an. Auch der Chorleiter und Korrepetitor, die mehrere Meter Abstand zu dem infizierten Chormitglied hatten, erkrankten.

Eine im Juli veröffentlichte Fallstudie aus Guangzhou, China, rekonstruierte wie sich Menschen in einem Restaurant bei einer infizierten Person ansteckten, die zu diesem Zeitpunkt keine Symptome hatte. Die am weitesten entfernte Person, die sich ansteckte, saß sechs Meter entfernt an einem anderen Tisch.

Die Studienautoren kamen zu dem Schluss, dass sich die Menschen an den Nachbartischen angesteckt haben, weil sie die mit Viren angereicherte Raumluft einatmeten. Dass die Viren mehrere Meter Abstand überwinden konnten, könnte laut den Forschern am Luftstrom der Klimaanlage des Restaurants liegen. Welche Konzentration an Viren in der Atemluft für eine Infektion notwendig ist, ist bisher noch ungeklärt.

Reichweite bei Tröpfcheninfektion und Aerosolen

Obwohl es sich bei  Tröpfcheninfektion und Aerosolen um Tröpfchen handelt, können diese beiden Begriffe nicht gleichgesetzt werden. Durch ihre Größe haben sie eine unterschiedliche Reichweite und damit unterschiedliches Ansteckungswege. „Um Tröpfchen gibt es eine große Begriffsverwirrung“, sagt die australische Professorin Lidia Morawska, die sich mit in ihrer Forschung mit der Thematik beschäftigt „Es gibt keine feste Grenze zwischen großen und sehr kleinen Tröpfchen“, erklärt sie und ergänzt: „Es handelt sich um ein Kontinuum.“

Im Allgemeinen seien mit Tröpfcheninfektionen Ansteckungen durch größere Tröpfchen gemeint. Diese um die 5 Mikrometer großen Tröpfchen können zwar bei direktem Kontakt zu einer Ansteckung führen, sinken aus der Luft aber rasch zu Boden. Allerdings können auch diese bei Husten oder Niesen mehrere Meter weit fliegen. Laut Professorin Morawska gibt es für den empfohlenen Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern keine strenge wissenschaftliche Begründung.

„Er beruht auf der alten Ärzteregel, laut der man eine Armlänge Abstand von infektiösen Menschen halten sollte“, sagt Professorin Morawska. „Zur Sicherheit hat man noch etwas draufgeschlagen.“ Für größere Tröpfchen sei der Abstand sinnvoll, allerdings bei noch kleineren Tröpfchen wie Aerosolen ist dies nicht mehr der Fall.

Was man im Alltag beachten sollte

In Innenräumen können sich Aerosole mit der Zeit in der Luft anreichern. Im Gegensatz dazu gibt es nur vereinzelte Berichte über Fälle, wo sich jemand im Freien angesteckt hat. Deshalb gilt die generelle Devise: Im Freien aufzuhalten, wenn es möglich ist. Beispielsweise soll man in Restaurant und Cafés bevorzugt draußen sitzen. Auch gilt die Ansteckungsgefahr bei einer Grillparty im Garten als geringer, als beim Zusammensitzen in der Wohnung. Allerdings gibt es auch Situationen, wo es diese Möglichkeit nicht gibt, wie beispielsweise in Büros, Schulen, Restaurants ohne Sitzgarten oder beim Einkaufen.

Büro, Schule, Restaurants

Gerade in Innenräumen, wo vermehrt gesprochen wird, gelangen viele Viren über Aerosole in die Luft. Hierbei lautete die Empfehlung häufig zu Lüften. Zusätzlich zu den geöffneten Fenstern, ist es auch empfehlenswert einen Luftstrom zu erzeugen, damit die Luft schneller ausgetauscht wird. Wenn das Wetter es zulässt, kann man auch durchgehend lüften.

So empfiehlt Professor Drosten beispielsweise für Klassenzimmer zusätzlich zum Lüften „einen großen Ventilator ins Fenster zu stellen“. Diese Empfehlung gilt auch für Restaurants und Kneipen: „Viele Kneipen haben ja auch Deckenventilatoren. Die kann man auch langsam, also nicht so, dass einem der Hut wegweht, aber langsam anschalten, sodass ein gewisser Luftumsatz passiert und Luft nach draußen gezogen wird“, so Drosten.

Laut Professorin Morawska sei es möglich dadurch die Ansteckungsgefahr durch eine infizierte Person im Raum um bis zu 50 Prozent zu senken.

Mittagspausen sollten, wenn Möglich im Freien verbracht werden. Infektiöse Tröpfchen werden dort rasch verweht und die Viren außerdem durch UV-Strahlen abgeschwächt.

Einkaufen

Professorin Morawska warnt vor der energiesparenden Luftzirkulation in modernen Gebäuden und rät in solchen Situationen zu zusätzlichen Ventilatoren. Zusätzlich böten laut der Professorin, auch schon einfache OP-Masken und mehrlagige Stoffmasken einen gewissen Schutz vor den ansteckenden Aerosolen.

„Wenn man durch eine Maske einatmet, dann wird die Luft durch das Gewebe aufgehalten. Und auch Mikrotröpfchen sind so schwer, dass sie eine gewisse Trägheit besitzen und nicht unbedingt dem Luftstrom folgen“, sagt sie.

Selbst Masken, die nicht perfekt am Gesicht anliegen, halten einen Teil der unsichtbaren Mikrotröpfchen ab. Im Zweifelsfall oder bei nicht ausreichender Belüftung, macht es daher laut ihrer Einschätzung immer Sinn in Innenräumen einen Mund-Naseschutz zu tragen.



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