Erfundene Belästigungen: Gerüchte gegen Flüchtlinge
„Unsere Kinder sind in Gefahr!“ – Ein Satz, der Angst macht. Ein Satz, der im Januar auf einem Plakat bei einer Demonstration stand. Im Hintergrund wedelte die eine oder andere Deutschlandfahne.
Beispiel Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg: Die Stadtverwaltung schrieb im Januar: „Unsägliche Gerüchte über angebliche Vergewaltigungen in Schwäbisch Gmünd kursieren derzeit auf Facebook-Seiten und in vielen Gesprächen in Schwäbisch Gmünd.“ Eine 14-Jährige – so die Behauptung – soll vergewaltigt worden sein, es gebe weitere Fälle. Die Polizei würde das verschweigen, um die Flüchtlingspolitik nicht zu gefährden. Die Stadt stellte klar: „Es gibt diese Vergewaltigungen und genannten Fälle nicht.“
Derartige Geschichten finden sich momentan landauf, landab – vor allem seit den massenhaften, teils sexuellen Übergriffen gegen Frauen in der Silvesternacht in Köln, an denen nach Erkenntnissen der Ermittler zahlreiche Nordafrikaner beteiligt waren.
Ziel: Unruhe stiften und andere verunsichern
Das Ziel solcher Lügen sei eindeutig, erklärt der Soziologe Johannes Kiess. „Es geht darum, Unruhe zu stiften und andere zu verunsichern.“ Kiess forscht an der Universität Siegen zum Thema Rechtsextremismus und stellt fest: „Das Perfide daran ist, dass es Zeit braucht, das zu widerlegen.“ Und ob es stimmt oder nicht: „Das Gerücht ist in der Welt. Der erste Aufschrei, das erste Unwohlsein gegen Flüchtlinge ist schon produziert.“ Damit sei die Strategie der Rechten schon aufgegangen.
Doch warum werden Geflüchteten immer wieder gerade Vergewaltigungen oder Belästigungen unterstellt? „Die Nazis haben verstanden, dass das ein Thema ist“, erklärt Heike Radvan, Leiterin der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus bei der Amadeu Antonio Stiftung. Die Furcht von Frauen, aber auch von Eltern werde für eine rechte Ideologie instrumentalisiert. „Sie spielen mit den Ängsten, es geht ihnen nicht um die Opfer sexueller Gewalt.“ Den „Mythos des sexuell übergriffigen Fremden“ gebe es schon seit dem Mittelalter, und damit könne man Menschen mobilisieren, warnt Radvan.
Doch wer verbreitet solche Falschmeldungen?
„Das lässt sich schwer sagen“, sagt Andre Wolf vom Verein Mimikama, der sich dem Phänomen im Netz widmet. Es gebe sowohl Privatpersonen als auch viele kleine Blogs, die „professionell“ Lügen streuen. Wenn Privatpersonen in sozialen Netzwerken solche Falschmeldungen posten, sei die Darstellung oft extrem dramatisch. „Viele Großbuchstaben und Sonderzeichen oder Floskeln wie "Die Polizei darf eh nix machen" kommen dann häufig vor.“ Vorsichtig müsse man immer sein, wenn es keine offiziellen Pressemeldungen der Polizei oder anderer Behörden zu den geschilderten Fällen gibt.
Manchmal behaupten die vermeintlichen Opfer auch selbst, dass Geflüchtete sie vergewaltigt haben. So etwa im thüringischen Sonneberg: Eine 21-Jährige hatte angegeben, von drei Flüchtlingen angegriffen und sexuell missbraucht worden zu sein. Die Polizei kam zu dem Ergebnis: Frei erfunden. Doch warum erzählen Frauen solche Lügen? „Es ist schon eine Strategie rechter Frauen, so etwas zu behaupten, um ihren Rassismus zu verbreiten“, erklärt Radvan. Natürlich müsse man im Einzelfall gucken, was dahintersteckt. Gerade, wenn Kinder sich solche Geschichten ausdenken.
Also, alles Lüge oder was?
Selbstverständlich gibt es sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Kinder – auch bei Flüchtlingen. Deshalb müsse man jedem Fall nachgehen und ihn ernst nehmen, betont Radvan. Doch eben solche Lügen können dafür sorgen, dass den wirklichen Opfern irgendwann nicht mehr geglaubt wird – und, dass die Stimmung gegen Geflüchtete weiter aufgeheizt wird. (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion