Alternativer Kraftstoff aus Mikroben, Plastikmüll oder Sonne und Luft

Viele Wege führen zu alternativem Kraftstoff: Forscher der Washington University haben Mikroben „dressiert“, um einen leicht verwendbaren Biokraftstoff herzustellen. In Kalifornien nutzt man dafür Plastikmüll, in Zürich gewinnt man seit zwei Jahren Flugzeugbenzin auf dem Dach des Maschinenlabors und ist nun bereit für die Massenproduktion.
Forscher entwickeln alternativen Kraftstoff dank Mikroben, Plastikmüll oder Luft und Sonnenlicht
Viele Wege führen zu alternativem Kraftstoff.Foto: iStock
Von 2. Dezember 2021
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Ein Team aus Biologen und Ingenieuren hat eine Mikrobe namens Rhodopseudomonas palustris (TIE-1) so verändert, dass sie einen neuen Biokraftstoff herstellen kann. Dieser verwendet dafür nur zwei erneuerbare und natürlich vorkommende Ausgangsstoffe: Kohlendioxid und Sonnenlicht, Letzteres sowohl als Licht, aber auch als durch Sonnenkollektoren erzeugte Elektrizität.

Der daraus resultierende Biokraftstoff, n-Butanol genannt, sei eine echte kohlenstoffneutrale Kraftstoffalternative und könne zudem in Mischungen mit Diesel oder Benzin verwendet werden, sagte Studienleiterin Arpita Bose, Professorin für Biologie an der Washington University. Die Ergebnisse der Studie erschienen in der Fachzeitschrift „Communications Biology“.

„Mikroorganismen haben eine verwirrende Vielfalt von Techniken entwickelt, um Nährstoffe aus ihrer Umgebung zu gewinnen“, so Prof. Bose. „Eine der vielleicht faszinierendsten dieser Ernährungstechniken ist die mikrobielle Elektrosynthese (MES). Hier haben wir uns die Kraft der Mikroben zunutze gemacht, um Kohlendioxid […] in einen brauchbaren Biokraftstoff umzuwandeln.“

Hoher Energiegehalt und geringe Verflüchtigungstendenz

Auch der Hauptautor der Studie, Wei Bai, zeigt sich zuversichtlich und begeistert über das Potenzial des neuen Kraftstoffes. Bai war fünf Jahre als Forschungsassistent im Bose-Labor der Washington University tätig. Heute arbeitet er als Wissenschaftler bei Amyris, einem Hersteller von nachhaltigen, mit synthetischer Biologie hergestellten Inhaltsstoffen.

„Der von uns hergestellte Kraftstoff, n-Butanol, hat einen hohen Energiegehalt. Außerdem hat er eine geringe Tendenz, ohne Verbrennung zu verdampfen oder sich in Wasser aufzulösen“, sagte Bai. „Dies gilt insbesondere im Vergleich zu Ethanol, einem häufig verwendeten Biokraftstoff.“

Mikroben, die sich durch mikrobielle Elektrosynthese ernähren, heften sich direkt an eine negativ geladene Kathode im Inneren des MES-Reaktors, sodass sie Strom „fressen“ können. Dass dieser Prozess funktioniert, konnten frühere Forschungsarbeiten des Bose-Labors zeigen. Nun galt es zu verstehen, wie Mikroben TIE-1 Elektronen nutzen, um Kohlendioxid zu binden und sie zur Herstellung nachhaltiger Biokunststoffe verwenden zu können.

Je mehr die Wissenschaftler über diese Mikroben erfahren, desto vielversprechender werden ihre Einsatzmöglichkeiten, so Prof. Bose. Gleichzeitig räumt sie aber auch ein, dass noch Verbesserungen erforderlich sind, bevor die Techniken im industriellen Maßstab eingesetzt werden können.

Mikroben für Herstellung von biologischem Kraftstoff nicht neu

Andere Forscher haben sich bereits mit der Verwendung von Mikroben wie Cyanobakterien zur Herstellung nachhaltiger Biokraftstoffe befasst. Diese Arten von Organismen produzieren jedoch während der Fotosynthese Sauerstoff, was ihre Effizienz bei der Herstellung von Biokraftstoffen einschränkt. Ein Grund dafür sind viele der an den Biosynthesewegen beteiligten Enzyme, die sehr sauerstoffempfindlich sind.

Um herauszufinden, wie TIE-1 zur Herstellung von Biokraftstoff genutzt werden könnte, konstruierten Bai und Prof. Bose eine mutierte Form der Mikrobe. Diese war nicht in der Lage, Stickstoff zu binden. Die Wissenschaftler führten dann einen künstlichen n-Butanol-Biosyntheseweg in diese neue Mutante ein.

Die von ihnen konstruierte Form der Mikrobe war nicht in der Lage zu wachsen, wenn Stickstoffgas ihre einzige Stickstoffquelle war. Stattdessen konzentrierte sich diese Version von TIE-1 auf die Produktion von n-Butanol, die Energie floss also in den Kraftstoff statt das Wachstum. Auf diese Weise steigerten die Forscher den Ertrag, ohne den Stromverbrauch wesentlich zu erhöhen.

„Soweit wir wissen, ist diese Studie der erste Versuch zur Herstellung von Biokraftstoff mithilfe einer durch Sonnenkollektoren betriebenen mikrobiellen Elektrosyntheseplattform, bei der Kohlendioxid direkt in flüssigen Kraftstoff umgewandelt wird“, so Bai. „Wir hoffen, dass dies ein Sprungbrett für die künftige nachhaltige Produktion von Solarkraftstoffen sein kann. Letztlich hoffen wir, dass […] neue Methoden entstehen, die helfen, einige der dringendsten Probleme unserer Zeit zu lösen.“

Forscher verwandeln Plastikmüll in nachhaltigen Brennstoff

Mikroben sind jedoch nicht der einzige Weg, alternative Kraftstoffe herzustellen und CO₂ nicht die einzige Kohlenstoffquelle. Jährlich werden mehr als 300 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert, was aufgrund des Lebenszyklus von Plastik und der Schwierigkeit, es zu beseitigen, zu ernsten Umweltproblemen führt. Daher landet der meiste Plastikmüll entweder auf einer Mülldeponie oder im Meer. Ein großer Teil der Kunststoffe zerfällt in Mikroplastik, das von Fischen und anderen Meeresbewohnern aufgenommen wird und die marinen Ökosysteme zerstört.

In der Fachzeitschrift „Journal of Renewable and Sustainable Energy“ berichten Forscher der California State Polytechnic University über den Einsatz katalytischer Pyrolyse, die die Kunststoffabfälle in eine wertvolle Brennstoffquelle umwandelt. Pyrolyse ist die thermochemische Zersetzung von kohlenstoffhaltigem Material in Abwesenheit von Sauerstoff.

Die Forscher konzentrierten sich in ihrer Studie auf das Recycling von Kunststoffen. So veredelten sie Plastik zu anderen Produkten oder wandelten diese mit Dampf, Hitze und einem Katalysator so um, dass ein nutzbares brennstoffähnliches Produkt entstand. Dieser pyrolytische Prozess verwandelt also primäre organische Abfälle in einen nachhaltigen Brennstoff oder andere wertvolle Chemikalien.

„Der innovative Teil des Experiments ist der Katalysator“, erklärte Autor Mingheng Li. „Der Katalysator ist für diesen speziellen Pyrolyseprozess von entscheidender Bedeutung, da er nur einen Schritt erfordert, um bei relativ milden Temperaturen das gewünschte Brennstoffprodukt zu liefern.“

Bei einer Temperatur von 360 Grad Celsius konnte so unter anderem ein Gemisch aus Plastiktüten zersetzt und zu Kraftstoff umgewandelt werden. Dieser sei einem Standard-Dieselkraftstoffprodukt so ähnlich, dass es als Kraftstoffalternative verwendet werden könne. Nichtsdestotrotz versuchen die Wissenschaftler, die Herstellung von Dieselkraftstoff aus verschiedenen gemischten Kunststoffabfällen weiter zu optimieren.

Das Verfahren, so Li, könnte künftig auch für die Verarbeitung anderer Abfälle wie Gülle, Hausmüll und gebrauchtes Motorenöl eingesetzt werden. „Dieser Pyrolyseprozess ist ein entscheidender Schritt, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.“

Kraftstoff aus Luft und Sonnenlicht

Weder Mikroben noch Plastikmüll brauchen Wissenschaftler der ETH Zürich. Sie sind dafür schon einen Schritt weiter und haben eine Anlage gebaut, die aus Sonnenlicht und Luft kohlenstoffneutrale Flüssigtreibstoffe herstellen kann. Das nächste Ziel sei es, diese Technologie in den industriellen Maßstab zu bringen und wettbewerbsfähig zu machen. In einer Studie aus der Fachzeitschrift „Nature“ beschreiben die Forscher unter anderem die Funktionsweise dieses neuartigen Solarreaktors.

Mit der neu entwickelten Anlage lassen sich synthetische flüssige Treibstoffe herstellen, die bei der Verbrennung nur so viel CO₂ freisetzen, wie zuvor der Luft entnommen wurde. CO₂ und Wasser werden direkt aus der Umgebungsluft abgeschieden und mit Solarenergie aufgespalten. Das Produkt ist Syngas, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, die anschließend zu Kerosin, Methanol oder anderen Kohlenwasserstoffen verarbeitet wird.

Das Forscherteam unter der Leitung von Aldo Steinfeld, Professor für erneuerbare Energien an der ETH Zürich, hat die Mini-Solarraffinerie auf dem Dach des ETH-Maschinenlabors in den letzten zwei Jahren betrieben.

„Wir konnten die technische Machbarkeit der gesamten thermochemischen Prozesskette zur Umwandlung von Sonnenlicht und Umgebungsluft in Drop-in-Treibstoffe erfolgreich nachweisen. Das Gesamtsystem arbeitet unter realen Sonnenbedingungen stabil und dient uns als einzigartige Plattform für weitere Forschung und Entwicklung“, sagt Prof. Steinfeld. Die Technologie sei nun ausreichend ausgereift für den Einsatz in industriellen Anwendungen.

Wüste bietet ideale Bedingungen

Analysen der gesamten Prozesskette ergaben, dass der Kraftstoff bei einer Produktion im industriellen Maßstab 1,20 bis zwei Euro pro Liter kosten würde. Als Produktionsstandort seien dabei Wüstenregionen mit hoher Sonneneinstrahlung besonders gut geeignet, so die Forscher.

„Im Gegensatz zu Biokraftstoffen, deren Potenzial wegen der Knappheit landwirtschaftlicher Flächen begrenzt ist, könnte der weltweite Bedarf an Flugzeugtreibstoff durch die Nutzung von weniger als einem Prozent der weltweiten Trockenflächen gedeckt werden und stände nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- oder Futtermittelproduktion“, erläutert Johan Lilliestam, Professor für Energiepolitik an der Universität Potsdam.

Angesichts der hohen Anfangsinvestitionskosten benötigen Solarkraftstoffe allerdings politische Unterstützung beim Markteintritt. „Die bestehenden Förderinstrumente […] reichen nicht aus, um die Marktnachfrage nach Solartreibstoffen zu fördern. Deshalb schlagen wir ein technologiespezifisches EU-Quotensystem für Flugzeugtreibstoff vor. Das heißt, die Fluggesellschaften sollten verpflichtet werden, einen Anteil ihres Treibstoffs aus solaren Quellen zu decken“, erklärt Prof. Lilliestam.

Ein solcher Anteil hätte dabei kaum Auswirkungen auf die Kosten des Fliegens. Im Gegensatz dazu würde er aber den Aufbau von Produktionsanlagen ermöglichen und somit eine Lernkurve in Gang setzen. Diese, so die Hoffnung der Forscher, könne dann wiederum zu verbesserter Technologie und niedrigeren Preisen führen, was den Absatz ankurbelt und schließlich den Marktdurchbruch ohne weitere Fördermaßnahmen ermöglicht.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 20, vom 27. November 2021.



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