Varusschlacht in Kalkriese: Archäologen finden römischen Schienenpanzer und Fesselinstrument

Seit Kaiser Augustus gehörte der Schienenpanzer zur festen Soldatenausstattung im Römischen Reich – trotzdem sind antike Funde rar. Wissenschaftler machten bei Osnabrück nun einen sensationellen Fund.
Teile von römischen Schienenpanzer
Ein Teil eines römischen Schienenpanzers mit dem Bild eines römischen Legionärs, der einen solchen Panzer trägt.Foto: Friso Gentsch/dpa/dpa
Von 26. September 2020

Wissenschaftler haben am Ort der historischen Varusschlacht in Kalkriese bei Osnabrück einen fast vollständigen römischen Schienenpanzer gefunden. Den bereits im Sommer 2018 entdeckten und im Block geborgenen Panzer eines Legionärs legten Archäologen nun teilweise frei.

Nach der anschließenden Restaurierung erster Teile offenbarte sich der wissenschaftliche Wert des Fundes. „Er ist bislang der älteste und der einzige erhaltene römische Schienenpanzer. Dieser Fund liefert uns gänzlich neue Einblicke in die römische Rüstungstechnik“, sagte Salvatore Ortisi von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Lange militärische Tradition – aber kein römischer Name

Obwohl seit der Militärreform des römischen Kaisers Augustus diese Art der Rüstung zur festen Soldatenausstattung der antiken Supermacht gehörte, gebe es kaum Funde, erklärte Stefan Burmeister vom Museum und Park Kalkriese. Auch aufgrund der Bodenverhältnisse in Norddeutschland rechneten Archäologen kaum damit, dass ein solches Eisenobjekt mehr als 2.000 Jahre überdauere.

Aktuell befindet sich der Panzer noch immer in einem aufwändigen Prozess der Restaurierung, da die Forscher bislang erst Teile des Schulter- und Brustbereiches entnommen und restauriert haben. Anschließend soll die Freilegung der Bauchplatten erfolgen.

Der Schienenpanzer ist auch unter dem Begriff „Lorica Segmentata“ bekannt. Sein Name ist jedoch nicht römischen Ursprungs, stattdessen verwendeten Schriftsteller ihn erstmals Ende des 16. Jahrhunderts, um diese ungewöhnliche Art von Rüstungen zu beschreiben. Eine römische Bezeichnung für diese Art von Schutzwaffe ist bislang nicht überliefert.

Die Untergliederung des acht Kilogramm schweren Panzers in mehrere Schienen diente zur besseren Bewegung und zur individuellen Anpassung an die Soldaten. Insgesamt bestand der Schienenpanzer aus vier Hauptelementen: eines für jede Schulter und eines für jede Seite des Rumpfes. Jeder dieser vier Abschnitte bestand wiederum aus sich überlappenden, gebogenen Metallstreifen, die mit Lederriemen und Scharnieren verbunden waren.

Weitere Funde dieser Art entdeckten Archäologen unter anderem auch in England. Außerdem zeigen die Bildreliefs der berühmten Trajanssäule in Rom Soldaten mit Schienenpanzern.

Schienenpanzer neben Fesselungsinstrument gefunden

Im Hals- und Schulterbereich des Schienenpanzers entdeckten die Wissenschaftler zudem ein Fesselungsinstrument, eine sogenannte Halsgeige. Dabei werden die Hände des Gefangenen vor dem Hals fixiert. „Der so Gefesselte konnte zwar noch laufen, sich ansonsten aber kaum mehr bewegen“, erklären die Forscher. Die römische Armee führte diese Halsgeigen bei ihren Feldzügen mit, um Kriegsgefangene zu fesseln.

Die gesamte Fundsituation lege nahe, dass hier ein römischer Legionär als Überlebender des Gefechts von den germanischen Siegern mit dem römischen Unterwerfungssymbol gefesselt wurde.

„Der Schienenpanzer ist damit nicht bloß ein einzigartiges archäologisches Fundstück, sondern ebenfalls Teil einer tragischen Szene, die sich hier abbildet. Wir sehen neben all den bisherigen römischen Funden vom Schlachtfeld erstmals ein individuelles Schicksal auf dem Fundplatz Kalkriese, das die schreckliche Seite des Krieges zeigt“, erklärt Burmeister in einer Pressemitteilung.

Seit mehr als 30 Jahren graben Archäologen in Kalkriese – dem Ort, wo Germanen 9 n. Chr. drei römische Legionen besiegten. Seither traten Münzen und Ausrüstungsgegenstände sowie Knochen von Tier und Mensch zu Tage.

(Mit Material der Deutschen Presse-Agentur und dem Museum und Park Kalkriese)



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