Die 5.000 Jahre alte Familientragödie in Polen

Vor etwa 5.000 Jahren spielte sich in einem kleinen Dorf in Polen eine grausame Familientragödie ab. Insgesamt 15 Frauen, Kinder und junge Männer starben auf gewaltsame Weise durch Schläge auf den Kopf - seltsamerweise fehlen jedoch fast alle Väter. Wer warum wen angegriffen hat, bleibt vermutlich auf ewig ein Rätsel.
Titelbild
Was geschah vor 5.000 Jahren in dem kleinen neolithischen Dorf Kosyzce in Polen? Diese und viele weiteren Fragen werden Archäologen wohl nie beantworten können. Darstellung: Michał Podsiadło
Epoch Times21. Mai 2019

Vor acht Jahren gruben Archäologen im südpolnischen Dorf Koszyce ein neolithisches Massengrab der Kugelamphorenkultur aus. Die Umstände rund um die 5.000 Jahre alte Grabstätte sind jedoch seither ein Rätsel. Die Skelette stammen von 15 Frauen, Kindern und jungen Männern – jeder von ihnen wurde durch starke Schläge auf den Kopf getötet. Dennoch waren ihre Körper ordentlich nebeneinander und mit einer Fülle von Geschenken für ihre letzte Reise beigesetzt. DNA-Untersuchungen zeigten nun, dass sie sich im Leben einst recht nah standen.

Die meisten Väter waren nicht anwesend, als das Massaker passierte

Ein internationales Team, bestehend aus Forschern der Universitäten Kopenhagen und Aarhus sowie des Archäologischen Museums in Poznan (Polen), nahm nun Untersuchungen an den Überresten vor. Die DNA-Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass es sich bei dem Massenmord um den einer großen, drei Generationen umfassenden Familie handelte. Mit Hilfe von DNA-Analysen, Radiokohlenstoffdatierungen, Isotopenanalysen und archäologischen Daten erhielten die Forscher detaillierte Einblicke in die steinzeitliche Gesellschaft und dem grausigen Ereignis vor rund 5000 Jahren.

„Durch die Analyse der alten DNA aus den Skeletten konnten wir jede der Familienbeziehungen abbilden. Wir sehen, dass die Mütter neben ihren Kindern und die Kinder neben ihren Geschwistern liegen. Diejenigen, die die Toten begraben haben, kannten sie gut. Wir sehen auch, dass die meisten Väter aus dieser Großfamilie nicht im Grab sind. Wir vermuten, dass sie zum Zeitpunkt des Massakers nicht in der Siedlung waren und dass, als sie später zurückkehrten, sie ihre Familien respektvoll begruben“, so der Evolutionsbiologe Morten Allentoft von der Universität Kopenhagen in einer Pressemitteilung.

Die 15 neolithischen Frauen, Kinder und jungen Männer starben eines gewaltsamen Todes. Bei den Ausgrabungen 2011 ahnten die Archäologen noch nicht, dass vor ihnen das Ergebnis einer 5.000 Jahre alten Familientragödie liegt. Foto: Piotr Włodarczak

Eine gewaltsame Zeit

„Wir wissen nicht, wer für dieses Massaker verantwortlich war“, so der Archäo-Genetiker Hannes Schroeder von der Universität Kopenhagen. „Aber es ist markant, dass das Massaker vor 5.000 Jahren geschah, als die späte Jungsteinzeit in die Bronzezeit überging. Während dieser Zeit wurden die europäischen Kulturen stark verändert, als schnurkeramische Gruppen aus dem Osten kamen. Es ist leicht vorstellbar, dass diese Veränderungen gewissermaßen gewalttätige, territoriale Konflikte ausgelöst haben.“

In Bezug auf die archäologische Funde ergänzt der Archäologe Niels N. Johannsen von der Universität Aarhus:

„Wir wissen aus anderen Grabbeobachtungen, dass sich zu dieser Zeit gewalttätige Konflikte zwischen verschiedenen Kulturkreisen abgespielt haben. Sie sind jedoch noch nie so eindeutig dokumentiert worden wie hier. Abgesehen von all der Gewalt und Tragödie zeigt unsere Studie deutlich, dass die Einheit und Fürsorge der Familie für diese Menschen vor rund 5.000 Jahren sowohl im Leben als auch im Tod viel bedeutet hat.“

Die Toten aus Kosyzce wurden von jemanden sorgfältig bestattet, der/die sie zu Lebzeiten gut kannte(n). Darstellung: Michał Podsiadło

Familientragödie erweiterte Einblick in turbulente Zeiten der europäischen Vorgeschichte

Die dänischen Forscher unterstreichen dabei die Bedeutung einer engen fachübergreifenden Zusammenarbeit zwischen den Experten bei der Aufklärung dieses Kriminalfalls. Marzena Szmyt, Direktorin des Archäologischen Museums in Poznan, war ebenso begeistert von den interdisziplinären Ergebnissen der internationalen Expertengruppe.

Die neuen Ergebnisse, die zum Teil Villum Foundation und der Aarhus University Research Foundation finanziert, haben es ermöglicht, dass Gentests „unseren Einblick in eine besonders turbulente Zeit der europäischen Vorgeschichte deutlich erweitern“, so Szmyt. (ts)

Die PDF zur Studie finden Sie hier (Englisch): Unraveling ancestry, kinship, and violence in a Late Neolithic mass grave



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