Die Energiepolitik und ein Blick auf die „Kalte Fusion“

Seit 70 Jahren wird am Königsweg zu unendlicher, sauberer Energie geforscht. Jenseits großer internationaler Projekte steht die Kernfusion möglicherweise kurz vor der Markteinführung – mit Fusionsreaktoren im Hosentaschenformat.
Was haben Obstnetze mit Kernfusion gemeinsam?
Was haben Obstnetze mit Kernfusion gemeinsam?Foto: iStock, ts/Epoch Times
Von 26. Mai 2022

Wenn wir heute über „Atomkraft“ sprechen, ist dieser Begriff ein Synonym für die Energiegewinnung mittels Kernspaltung. Wir kennen die Kernspaltung in Verbindung mit Atomkraftwerken, Atomflugzeugträgern, Atomeisbrechern und, nicht zuletzt, aus Atombomben. Atomkraft ist immer dann gefragt, wenn quasi „unbändige“ Energie benötigt wird. Sie ist z. B. am Werk, wenn ein riesiger Flugzeugträger mit über 60 km/h seinen Begleitschiffen davonfährt. Einen Schornstein sucht man auf diesem Schiff vergebens, an Bord würde man auch keine klassischen Brennstofftanks finden.

Diese enorme Energieentfaltung wird von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen, aber auch schnell wieder ausgeblendet. Das hat seine Gründe. Die Kernspaltung ist eine Form der Nuklearenergie, welche gefährliche Radioaktivität erzeugt und ungelöste Abfallprobleme mit sich bringt. Dabei gibt es eine andere Form der Kernenergie, die völlig ungefährlich ist und eher noch mehr Energie erzeugt als die Kernspaltung: die Kernfusion.

Physikalische Grundlagen

Grundsätzlich geht die Atomkraft auf die Einstein’sche Formel E = m · c² zurück. Sie besagt, dass Masse (m) und Energie (E) zwei Seiten derselben Medaille sind. Die Formel besagt auch, dass die Masse in dieser Gleichung mit der Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat (c²) zu multiplizieren ist.

Man kann aber Masse nicht einfach in Energie umwandeln. Man kann sie nur erlangen, wenn man sich die sogenannte „Bindungsenergie“ nutzbar macht. Das ist jene Energie, die die einzelnen Bestandteile des Atoms (Protonen, Neutronen und Elektronen) zusammenhält. Diese Bindungsenergie macht unter einem Prozent der Gesamtenergie eines Atoms aus.

Max Planck sagt dazu: „Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Alls zusammenhält.“ Dieses Wort „zusammenhält“ erinnert an die Bindungsenergie. Sie ist jedoch alles andere als winzig: Die Energie aus einem Gramm Bindungsenergie entspricht dem Energiegehalt von über zwei Millionen Litern Benzin. Mit einem Kilogramm Bindungsenergie könnte man bereits neun Kubikkilometer Wasser um einen Meter anheben – das entspricht knapp einem Fünftel des Bodensees oder mehr als der elffachen Wassermenge der Müritz.

Was haben die Kalte Fusion und Obstnetze gemeinsam?

Aber was ist eigentlich Bindungsenergie? Wie kann man sie sich vorstellen? Bildlich gesprochen ist jedes Atom wie ein Netz Orangen: Das Netz selbst ist die Bindungsenergie, das die „Früchte“ des Atoms – Protonen, Neutronen und Elektronen – zusammenhält.

Im Fall von Wasserstoff befindet sich in diesem Netz ein Proton (positiv geladen) und ein Elektron (negativ geladen). Das nächst größere Obstnetz – Helium – umschließt zwei Protonen und ein Neutron. Jedoch benötigt auch Helium nur ein Netz an Bindungsenergie. Verschmelzen also zwei Wasserstoff-Früchte zu einer Helium-Frucht, wird dennoch nur ein Obstnetz benötigt. In der Folge ist ein Netz (eine Portion Bindungsenergie) „über“ und steht nun zur freien Verfügung.

Bei der einfachsten Form der Kernfusion, wie sie tagtäglich auf unserer Sonne stattfindet, wird somit das kleinste Atom, nämlich Wasserstoff, zu Helium fusioniert. Im Gegensatz dazu wird bei der Kernspaltung ein „großes Atom“, wie das radioaktive Uran, zerschlagen. Dadurch entsteht Energie, aber auch Radioaktivität.

Erschaffung der irdischen Sonne

Die Kernfusion gilt als der Königsweg zu unendlicher und sauberer Energie. Es gibt jedoch ein Problem, denn die benötigten Wasserstoffprotonen sind beide positiv geladen und stoßen sich – wie die gleichen Pole zweier Magneten – mit aller Kraft ab. Diese abstoßende Kraft, die sog. „Coulombbarriere“, ist bei Atomen nahezu unendlich und kann nur durch die rund 15 Millionen Grad Celsius und den ungeheuren Druck der Sonnenmasse erzwungen werden.

Derartige Verhältnisse auf der Erde in technisch beherrschbarem Maßstab herzustellen, ist ein physikalisch logischer Weg, aber praktisch nahezu unmöglich. Alle Fusionsreaktoren auf der Welt sind Versuchsanlagen und haben bisher nur Energie verbraucht, aber nie welche produziert.

Vor fünf Jahren schrieb E.N. Tsyganov im renommierten niederländische Fachverlag „Elsevier“ [1]: „Die Geschichte der kontrollierten thermonuklearen Fusion (Tokamaks und andere Geräte) wird bald 70 Jahre alt, und zwar mit der größtmöglichen Unterstützung der Regierungen der Industrieländer. Doch aufgrund der Instabilität des Plasmas, der gigantischen Größe der Anlagen und ihrer hohen Kosten ist die kontrollierte Kernfusion immer noch ein ferner Traum.“ Weiter heißt es:

Die Kalte Fusion ist eine echte Alternative zu diesem tragischen Szenario. Wir sind zuversichtlich, dass der Prozess der Kalten Fusion in den kommenden Jahren in der Öffentlichkeit anerkannt werden wird. Es gibt eine echte wissenschaftliche Grundlage dafür.“

Kalte Fusion wider den Naturgesetzen

Der beiläufig erwähnte Begriff ist jedoch alles andere als trivial. „Kalte Fusion“ fordert die Physik heraus, weil er eben nicht die Verhältnisse auf der Sonne nachstellt und deshalb als unmöglich angesehen wird. Er stammt ursprünglich von Andrei Sacharow und hat sich für alle Formen von Kernreaktionen eingebürgert, mit denen versucht wird, Fusionsenergie unterhalb der Schwelle thermonuklearer Kernfusion – also nicht nach dem Vorbild der Sonne – zu erzeugen.

Hinweise, dass man eine Kernfusion auch ohne sehr hohe Temperaturen erzielen kann, gibt es seit Jahrzehnten reichlich. So veröffentlichten Forscher der Drexel University um den Wissenschaftler Yury Gogotsi 2017 in der Fachzeitschrift „Phys.org.“ einen Artikel [2] mit der Überschrift: „Just squeeze in — researchers discover when spaces are tight, nature loosens its laws“. Man müsse nur tüchtig quetschen – und wenn die Abstände klein würden, lockere die Natur ihre Gesetze.

Das heißt, Wasserstoffatome müssten derart in die Enge getrieben werden, dass sie sich nicht mehr ausweichen können und fusionieren. Anstatt hoher Temperaturen führt also die „Enge“ zur Fusion. Die benötigten kleinen Abstände liegen im Bereich von Pikometern, also milliardstel Millimetern, und lassen sich in Metallen realisieren.

Kernreaktionen „jenseits der Chemie“

Jedes Atom ist durch die Umlaufbahn der Elektronen rund. Auch wenn man die Atome zu einem scheinbar kompakten Metallteil stapelt, bleibt die Struktur dennoch gitterartig, denn Kugeln lassen sich nun einmal nicht lückenlos stapeln. Da Wasserstoffatome deutlich kleiner sind als Metallatome, lässt sich in die Gitterstrukturen bestimmter Metalle problemlos Wasserstoff einleiten. Dort werden sie unter Stress gesetzt. Man quetscht sie mit Wärme, Druck und Erschütterungen. Kommen alle Parameter in günstiger Weise zusammen, kommt es auch bei „irdischen Temperaturen“ von etwa 1.000 °C zur Kernfusion.

Dass es sich dabei um Kernreaktionen handelt, ist zweifelsfrei bewiesen: Einerseits ist die Reaktorfüllung nach der Reaktion eine andere als vorher. Das verwendete Element verändert sich in seiner atomaren Zusammensetzung, manchmal mutiert es sogar zu völlig anderen Elementen.

Andererseits ist der Energiegewinn aus besagter Kernreaktion weitaus höher, als er mit chemischen Mitteln erreichbar wäre. Auch dieser Energiegewinn ist in zahlreichen Versuchen mit wissenschaftlich anerkannten Messmethoden erwiesen. Von der NASA gibt es dazu eine Präsentation mit dem passenden Titel: „Beyond Chemical“, „jenseits der Chemie“. [3]

Versuch und Irrtum

Über die Vorgänge in den Metallgittern wird in Physikerkreisen gestritten. Klar ist, dass Überschussenergie entsteht, die oberhalb dessen liegt, was durch chemische Prozesse erzielbar ist. Für einen Nicht-Physiker ist diese Erkenntnis bahnbrechend, egal wie sie sich begründen lässt. Kalte Fusion bringt damit saubere, billige und umweltschonende Energie in greifbare Nähe.

Dies haben auch zahlreiche Forscher, Unternehmer, Hochschulen sowie einige staatliche Stellen erkannt und haben sich der Forschung um die Kalte Fusion angenommen. Über nennenswerte öffentliche Mittel verfügen dabei nur die NASA und die US Navy. Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr zwei eigene Forschungsprogramme aufgelegt.

Viele Forschungsinitiativen entstammen jedoch Kleinunternehmen. Wobei nicht wenige Forscher zuvor an Hochschulen, bei der NASA oder der Navy gearbeitet haben und nach ihrer Pensionierung mit eigenen Mitteln oder Spenden weitermachten.

Warum, wenn die Prinzipien scheinbar bekannt sind, ist das (öffentliche) Interesse nicht größer? Die Variablen bei der Behandlung der Reaktorfüllung wie Temperatur, Druck, Vibrationen und Resonanzen sind nahezu unendlich und nicht Ergebnis der Grundlagenforschung, sondern des uralten Prinzips von Versuch und Irrtum. Insofern können auch alle Forschungsprogramme nur begrenzt erfolgreich sein, denn ein Zufallsergebnis lässt sich weder vorhersagen noch systematisch erzielen.

Kalte Fusion im Hosentaschen- und Kühlschrankformat

Neben NASA und Navy gibt es zwei vergleichsweise kleine Unternehmen, die nach rund 30 Jahren dicht an der Ziellinie angelangt sind: Sowohl Dr. Andrea Rossi mit seiner Leonardo Corporation und Dr. Randall Mills mit seiner Firma Brilliant Light Power stehen nach verschiedenen Angaben kurz vor dem Markteintritt.

Rossi ließ im Alleingang 2015 seine Technologie des „Ecat“ patentieren. Auf „Researchgate“ erzielten seine Publikationen mehr als 100.000 Aufrufe. Bei einer Million Interessenten wolle er die Serienfertigung eines 100-Watt-Geräts und den Markteintritt wagen. 800.000 Vorbestellungen für den etwa kaffeetassengroßen Fusionsreaktor soll er bereits erhalten haben.

Im Gegensatz zu Rossi ist Mills mit seinem Unternehmen bereits in einen der größten US-amerikanischen Energiekonzerne eingegliedert. Er arbeitet nicht mit der Metallgittermethode, sondern versetzt das Wasserstoffatom in einen Zustand geringerer Energie, den er „Hydrinos“ nennt. Dabei kommt es ebenfalls zu einer beträchtlichen Energieabgabe, der Markteintritt ist für 2023 geplant. Seine Geräte sind etwa doppelt so groß wie ein Kühlschrank und liefern 250 bis 350 kW.

Nie wieder Stromrechnungen

Beiden Geräten gemein ist das Ziel, elektrische Energie zu liefern. In beiden Fällen wird der Verbrauch zudem nicht mehr gemessen. Mit der Anschaffung des Gerätes ist die abgerufene elektrische Leistung bezahlt.

Sicherlich sind nach der Einführung der Technologie weitere Fragen zu klären, unter anderem: Wie steht es um die Regelfähigkeit und wie erfolgt die Integration in die häusliche/betriebliche Energieversorgung? Wirft man den Blick auf weitere Anwendungen wie Mobilität oder die Produktion von Wasserstoff, sind die Fragestellungen nahezu endlos.

Doch die Technik und ihre Möglichkeiten sind nicht überall willkommen: Die Grundlagenforschung hadert mit der Tatsache, dass die Kalte Fusion eben nicht dieser Art der Forschung entstammt. Auch Energieversorger sehen sich einer existenziellen Gefahr gegenüber. Zentrale Kraftwerke, Überlandleitungen oder Verteilernetze sind überflüssig, wenn Fusionsenergie im Hosentaschen- oder Kühlschrankformat verfügbar ist. Verbraucher könnten sich stattdessen wieder selbst versorgen und erhielten dadurch ihre Energieautarkie zurück, die sie vor langer Zeit hatten, als von Überbevölkerung und Energieknappheit noch nicht die Rede war.

Quellen

[1] Tsyganov (2017); doi.org/10.1016/j.nimb.2017.03.158

[2] Futamura et al. (2017); doi.org/10.1038/nmat4974

[3] Bushnell (2013); ntrs.nasa.gov/citations/20130013363

Über den Autor

Willi Meinders (Jahrgang 1946) absolvierte nach seiner Schulzeit eine Banklehre. Im Rahmen einer langen Industriekarriere avancierte er zum Mitglied des Vorstands in einem multinationalen Unternehmen. Das Thema „Kalte Kernreaktion“ hat er sich in jahrelanger Arbeit im Kontakt mit Physikern und anderen Fachleuten selbst erschlossen und publiziert. (redaktionelle Bearbeitung ts)

Kalte Kernreaktion – Die sauberste und billigste Energie steht bereit
Willi Meinders
282 Seiten
novum Verlag
München, 2021
ISBN: 978-3-99107-698-8
e-book/Hardcover: 14,90 € / 24,90 €

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 45, vom 21. Mai 2022.



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