Die Mär vom faulen Schüler widerlegt
Schüler, die bildungsbegeistert mit viel Interesse und Spaß versuchen, den Unterrichtsstoff aufzusaugen, wo sind sie noch zu finden? Bei den Einwandererkindern sind sie eindeutig in der Überzahl. Zu diesem Ergebnis kam jetzt der Erziehungswissenschaftler Dr. Carsten Rohlfs von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er befragte 1.689 Bremer Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen sieben und neun, die Hälfte davon mit Migrationshintergrund. „Eigentlich müsste ja der Druck auf die Kinder mit Migrationshintergrund mindestens genauso groß sein wie auf einheimische, denn viele Familien sehen natürlich in mehr Bildung auch den Schlüssel zu einem besseren Leben, aber erstaunlicherweise halten Neugier und Lernfreude dieser Belastung stand.“
„Es war mir sehr wichtig zu klären, welche Meinung Schüler über Schule haben“, erklärt der Jenaer Bildungsforscher seine eigene Motivation für das Habilitationsprojekt. „Zu diesem Thema kursieren ja genug Klischeevorstellungen über unwillige und faule Schüler in der Öffentlichkeit.“
Dabei stellte Rohlfs fest, dass den meisten Schülern Schule sehr wichtig ist und sie überwiegend positiv wahrgenommen wird. Insgesamt drei Viertel der Befragten sind motiviert, leistungsorientiert und außerdem sehr lernfreudig.
Leider schlägt sich das seltener in den schulischen Leistungen nieder. Sprachschwierigkeiten etwa oder unbewusste Diskriminierungen durch die Institution Schule oder das Schulsystem lassen viele Schüler mit schlechteren Zensuren nach Hause kommen, als ihrer Motivation entspricht.
Deutsche Kinder mit Versagensangst
Allerdings teilt sich diese Motivation in verschiedene Gruppen. Die Mehrheit von etwa 60 Prozent der Schüler ist vor allem pragmatisch motiviert. Die Schüler wissen, wie wichtig Bildung, Schule und ein guter Abschluss sind, das geht aber auf Kosten des Spaßes beim Lernen. Zu dieser Gruppe zählen vor allem deutsche Kinder und Jugendliche. 13 Prozent der untersuchten Bremer Schüler wissen um die Bedeutung eines guten Schulabschlusses, fühlen sich aber nicht wohl in der Schule. Die „unzufrieden Gelangweilten“, wie Rohlfs sie nennt, haben oft sogar Angst, etwa vor dem Versagen. Auch diese Gruppe besteht hauptsächlich aus Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.
„Viele Studien belegen, dass Schüler mit Migrationshintergrund oft in ihrer Leistungsbereitschaft und ihrer Lernfreude ausgebremst werden, ohne dass sie etwas dafür können“, erklärt der Jenaer Erziehungswissenschaftler. „Sie bekommen beispielsweise seltener Empfehlungen für höhere Schulen, weil die Lehrer befürchten, dass die Eltern es sich nicht leisten könnten, notfalls Nachhilfestunden zu bezahlen.“
Sie sollten wissen, was sie können
Die Motivation aller Schüler zu steigern, ist nach seiner Meinung schon mit wenigen Mitteln möglich. „Wichtig ist, dass Schüler sich in eine Klasse eingebunden fühlen“, erklärt Carsten Rohlfs. „Sie sollten sich als kompetent erleben, damit sie wissen, was sie können. Außerdem sollten sie ein gewisses Mitbestimmungsrecht in der Schule haben, um sich aus sich selbst heraus motivieren zu können und nicht durch Druck von außen.“
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus: „Bildung ist erheblich mehr, als PISA misst, Bildung hat einen übernützlichen Wert, bedeutet gerade auch Förderung individueller und Vermittlung kultureller Identität.“
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger, rät eindringlich, PISA nicht überzubewerten. Wie gut es beispielsweise Schulen gelinge, Werte- und Persönlichkeitserziehung zu gestalten, erfasse keine internationale Vergleichsuntersuchung.
Die Schwäche chinesischen Drills
Ausgerechnet im Wall Street Journal meldete sich zu PISA und den allseits bewunderten Testergebnissen der Schüler aus Shanghai am 8. Dezember der stellvertretende Rektor der Peking University High School, Jiang Xueqin, zu Wort.
Er beschreibt den Drill und die Enge der Lerninhalte als Schwäche des chinesischen Schulsystems, das gute Funktionäre für ein sozialistisches System hervorbringe, aber keine kreativen, motivierten und teamfähigen Köpfe für den Wettbewerb des 21. Jahrhunderts.
„Schüler verlieren ihre angeborene Neugier und Phantasie“, schreibt er, „kritisches Denken sind ‚Skills‘, die chinesische Studenten noch lernen müssen“. Und er schließt den Artikel: „Wenn die PISA-Ergebnisse für China nach unten gehen, dann ist unser Erziehungssystem auf dem richtigen Weg.“
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