Dreckiger als gedacht: Ultrafeinstaub aus Abgasreinigung kann Wetterextreme verursachen

Ein Forscherteam des Karlsruher Instituts für Technologie belegt einen globalen Anstieg von ultrafeinen Partikeln aus Abgasen fossiler Brennstoffe und warnt vor signifikanten Wettereffekten.
Ultrafeinstaub könnte Wetterextreme verursachen
Ultrafeinstaub kann Dürren - und Starkregen - begünstigen.Foto: iStock
Von 18. Juni 2022

Ob Starkregen oder extreme Trockenheit – Extremwetterereignisse gibt es weltweit. Mit bisherigen Klimamodellen ist ihre Dynamik jedoch nur zum Teil abbildbar. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) vermuten, dass Ultrafeinstaub in der Atmosphäre signifikant auf die Wolkenphysik und damit auf das Wetter einwirken.

Mit Flugzeugmessungen belegen sie einen Anstieg der Partikel-Anzahl-Emissionen trotz Rückgang des gröberen Feinstaubes. Paradoxerweise lassen sich die Feinstpartikel teilweise auf immer bessere Abgasreinigungsanlagen zurückführen. Die Studienergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachblatt „Scientific Reports“.

Wasser verweilt länger in der Atmosphäre

Nach den neuesten Berichten des IPCC werden Wetterextreme wie Dürren und Starkregen weiter zunehmen. „Bislang wurden diese Veränderungen in der Klimaforschung hauptsächlich auf das zunehmende Kohlendioxid und die entsprechend höhere Wasserdampfkapazität einer sich erwärmenden Atmosphäre zurückgeführt“, sagt Dr. Wolfgang Junkermann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung.

Doch diese Erklärung hat einen Haken. Kohlendioxid ist räumlich relativ gleichmäßig verteilt. Aus diesem Grund ließe sich damit weder die Variabilität in der Verteilung noch im Auftreten von Extremwetterereignissen befriedigend erklären. Dazu müsse man den Wasserkreislauf einbeziehen.

Gemeinsam mit dem Klimaforscher Professor Jorg Hacker vom Forschungsinstitut Airborne Research Australia argumentiert Junkermann, dass ultrafeine Partikel von wenigen Nanometern bis zu 100 Nanometer aus der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen signifikant zu den Extremwetterereignissen beitragen. Dies geschehe, indem sie als Kondensationskerne regional und kurzfristig auf die Wolkenphysik einwirken.

„Mit üblichen Modellen für die Wolkenbildung können wir zeigen, dass sich durch die Zunahme von ultrafeinen Partikeln auch mehr und kleinere Tropfen bilden“, erklärt Junkermann. „Dadurch verweilt Wasser viel länger in der Atmosphäre. Der Regen wird zunächst unterdrückt und es entsteht ein zusätzliches Energiereservoir in der mittleren Troposphäre. Dies begünstigt extreme Niederschläge. Das kann dann Hunderte Kilometer entfernt passieren. Eine uneinheitliche Verteilung der Nanopartikel-Verschmutzung könnte beitragen, die großen regionalen Unterschiede bei Extremwetterereignissen zu erklären.“

Extremer Anstieg seit 1970er

Bislang kann die Wirkung von ultrafeinen Partikeln auf die Wolkenbildung nur unter seltenen Bedingungen direkt beobachtet werden. Deshalb nutzten die Forscher Daten zur Menge und Verteilung von Ultrafeinstaub in der Erdatmosphäre sowie zu Veränderungen im Wasserkreislauf. Dabei wurde deutlich, dass in vielen Gebieten der Erde ein Anstieg der Partikelanzahlen mit regional veränderten Niederschlagsmustern korreliert.

„Über dem Mittelmeer ist die Partikelkonzentration beispielsweise seit den 1970er-Jahren um den Faktor 25 angestiegen“, sagt Junkermann. „Im selben Zeitraum gibt es starke Veränderungen bei den Niederschlägen.“ Der Trend gehe dabei weg von regelmäßigen Regenfällen und hin zu Dürren und stärkeren Extremereignissen.

Ähnliche Muster wären in Australien und in der Mongolei erkennbar. Möglich wurde dieser Befund durch umfangreiche Messreihen mit Kleinflugzeugen, mit denen die Forscher über 20 Jahre den wohl größten Datensatz dieser Art zusammengetragen haben. Er umfasst Gebiete in Asien, Mittelamerika, Europa und Australien mit historisch rekonstruierbaren Emissionen und gut dokumentierten regionalen Klimaänderungen.

Mit den nun veröffentlichten Daten belegen die Forscher einen extremen Anstieg der Partikel-Emissionen seit den 1970er-Jahren, für die ebenfalls Daten vorliegen. „Punktuell konnten wir eine Belastung von bis zu 150.000 Teilchen pro Kubikzentimeter nachweisen, wo 40 Jahre zuvor nur etwa tausend Teilchen nachweisbar waren“, sagt Junkermann.

Ultrafeinstaub durch moderne Abgasreinigung

„Die extremen Konzentrationen konnten wir auf Kraftwerke, Raffinerien oder den Schifffahrtsverkehr zurückführen, oft und besonders auch auf Großfeuerungsanlagen mit neuester Abgas-Technologie.“ So werde beispielsweise seit den 1990er-Jahren Ammoniak eingesetzt, um die Bildung von Stickoxiden (NOx) in Abgasen von Industrieanlagen zu verhindern. Mit ihren Daten könnten sie nun nachweisen, dass dabei besonders viele Nanoteilchen in die Atmosphäre entweichen.

Die Wissenschaftler appellieren daher, den Anstieg von Ultrafeinstaub in der Atmosphäre in den Szenarien der Klimaforschung stärker zu berücksichtigen. In den bisherigen Berechnungen würden standardmäßig Staubwerte aus Emissionsszenarien vom Anfang des Jahrhunderts verwendet. „Mit aktuelleren Daten könnte die Modellierung des Wasserkreislaufs, der Niederschlagsänderungen und der Extremwetterereignisse vermutlich wesentlich verbessert werden“, so Junkermann.

(Mit Material des KIT)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 49, vom 18. Juni 2022.



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