FDP drängt auf Lösung für Gen-Scheren: EU-Recht vertreibt Forschung aus Europa

Die restriktiven Regelungen Deutschlands und der EU zu sogenannten Gen-Scheren gefährden den Forschungsstandort. Die FDP will jetzt Druck machen.
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Die französische Genforscherin Emmanuelle Charpentier hat zusammen mit J. A. Doudna die Gen-Schere Crispr/Cas9 maßgeblich entwickelt.Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Von 21. Dezember 2022

Einer der Bereiche, in denen die Grünen nicht mehr nur in Deutschland, sondern in ganz Europa den Takt vorgeben, ist die Gentechnologie. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte erst 2018 entschieden, dass die Anwendung sogenannter Gen-Scheren in der Pflanzenzucht als gentechnische Veränderung zu werten sei. Damit unterliegen die dadurch entstandenen Züchtungen jedoch dem strengen europäischen Gentechnikrecht.

Dazu zählt unter anderem das in der EU geltende Saatverbot von Genom-editierten Nutzpflanzen. In den USA hingegen werden mittels Gen-Scheren vorgenommene Züchtungen den herkömmlichen gleichgestellt, wenn diese auf beiden Wegen hätten zustande kommen können.

Gen-Scheren ermöglichen kostengünstigere Arbeit

Kritiker halten die europäische Position in diesem Bereich nicht nur für ideologisch bestimmt – sie fürchten zunehmend auch um die Zukunft Europas als Forschungsstandort. Deshalb fordert jetzt auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) neue Regelungen für die Genforschung – unter anderem auch für Gen-Scheren.

Bei Gen-Scheren handelt es sich um molekularbiologische Werkzeuge, die eine Durchtrennung von DNA an bestimmten Stellen erlauben. Bestimmte Gene ließen sich auf diesem Wege ausschneiden, neue Abschnitte an den Schnittstellen einfügen.

Der Unterschied zu bisherigen Methoden, diese Effekte gentechnologisch zu erzielen, ist die Präzision. Zudem ist der Einsatz von Gen-Scheren einfacher und kostengünstiger. Im Jahr 2020 erhielten Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier für die Entwicklung der Gen-Scheren CRISPR-Cas9 den Nobelpreis für Chemie.

EU-Kommission will Mitte 2023 neuen Rechtsrahmen präsentieren

Im „Tagesspiegel“ fordert Stark-Watzinger Tempo bei der Anpassung der geltenden Rechtslage an den technologischen Fortschritt:

Wir werden uns innerhalb der Bundesregierung für eine risikoangepasste Novellierung des EU-Gentechnikrechts an den Stand der Wissenschaft starkmachen.“

Derzeit arbeitet die EU-Kommission an einem neuen Rechtsrahmen, der auch Entwicklungen wie die Gen-Schere CRISPR-Cas9 umfassen soll. Mitte 2023 will Brüssel diesen vorstellen – über die Ausgestaltung gibt es derzeit nur Spekulationen.

Gen-Scheren am Menschen?

Bezüglich der Anwendung derartiger DNA-Modifikationen am Menschen stellen sich zahlreiche ethische Fragen, die sehr komplex sein können. Dies räumen auch Forscher und Befürworter der Gen-Scheren-Technologie in der Medizin ein.

Auf der einen Seite können deren Anwendungen helfen, Erbkrankheiten oder Krebs zu beseitigen. Andererseits eröffnen sich jedoch potenzielle Missbrauchspotenziale.

Kritiker sehen insbesondere dort Gefahren, wo es um das mögliche Andocken von elektronischen Komponenten an DNA-Schnittstellen geht. Vom sogenannten Biohacking bis hin zu Impulsen, die eine Fremdkontrolle oder Steuerung von Verhalten begünstigen, gebe es auch ein Missbrauchspotenzial. Tierversuche in diesen Bereichen gebe es bereits. Unter dem Banner transhumanistischer Optimierungsbestrebungen sei auch eine manipulative Anwendung am Menschen möglich.

Nobelpreisträgerin Doudna hat zusammen mit anderen Genforschern im April 2015 selbst ein Moratorium über den Einsatz und die Grenzen der Technik gefordert. Zudem haben sie einen „Ethik-Gipfel“ einberufen. Anlass waren Experimente einer chinesischen Arbeitsgruppe mit menschlichen Embryonen. Eine britische Forschungseinrichtung erhielt damals ebenfalls die Erlaubnis zur Manipulation von Embryos.

Bislang kommt die Gen-Schere CRISPR-Cas9 in der Medizin nur im Kampf gegen die Sichelzellerkrankung zum Einsatz. In den USA konnte die Forschung dabei erste nachgewiesene Erfolge erzielen.

Differenzierte und nuancierte Debatte erforderlich

Einfacher, auf breiter Ebene anwendbar und ethisch unbedenklicher scheint jedoch die Anwendung von Gen-Scheren in der Pflanzenzucht und Landwirtschaft. Auf diese Weise wäre es möglich, Getreide zu entwickeln, das schädlingsresistent ist und robuster auf klimatische Veränderungen reagiert. Auch die Versorgung einer Weltbevölkerung, die Prognosen zufolge noch auf zehn Milliarden Menschen anwachsen könnte, würde auf diese Weise leichter.

Die von den Grünen geführten Ministerien halten bisher an ihrer Ablehnung der grünen Gentechnik fest. Das Bundesumweltministerium sieht bezüglich der derzeitigen EU-Regulierung „keinen Bedarf für Änderungen“. Man sei für strenge Regulierung, weil „meist die Erfahrung fehlt, tatsächliche Auswirkungen einer Freisetzung in die Umwelt einschätzen zu können“.

Stattdessen sei eine strikte Kennzeichnungspflicht erforderlich, sollte es zu einer Neuregelung kommen. Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast sieht zudem „kein Problem“ mit der produzierten Menge an Lebensmitteln auf der Welt. Es gebe nur eines mit deren „gerechter Verteilung“, äußerte sie gegenüber dem „Tagesspiegel“.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hält es noch für „offen“, ob „neue genomische Techniken das Potenzial haben, einen relevanten Beitrag zur Lösung der aktuellen Krisen Klimawandel, Biodiversitätsschwund und globaler Hunger zu leisten“. „Marktreife“ Pflanzen, die „echte Game-Changer“ sein könnten, seien dem Ministerium nicht bekannt.

Zugang zu Gen-Scheren als Strategie gegen zu große Marktmacht?

Demgegenüber hat Agrarwissenschaftler Matin Qaim kein Verständnis für die Bedenkenträgerei der Europäer. Das in der EU geltende Saatverbot von Genom-editierten Nutzpflanzen entspreche „nicht dem Stand der Forschung“, äußerte er im „Deutschlandfunk“.

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass gentechnisch veränderte Pflanzen unsicherer oder gesundheitsgefährdender wären als konventionelle. Allein schon deshalb sei eine grundlegende Reform erforderlich.

Neue und günstigere Verfahren wie Gen-Scheren könnten zudem auch kleineren Landwirtschaftsbetrieben oder Genossenschaften einen Zugang zu dieser Technologie ermöglichen. Dies könnte auch ein Ende der bisherigen dominierenden Marktmacht von großen Konzernen wie Monsanto nach sich ziehen.



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