Immunologen warnen: Herdenimmunität gegen COVID-19 unwahrscheinlich

Die sogenannte "Herdenimmunität" gegen das neuartige Coronavirus zu erreichen ist unwahrscheinlich: Dies bekräftigt laut Experten nun eine weitere Studie aus Spanien im Fachmagazin The Lancet. Dabei wurden Antikörper nur bei durchschnittlich fünf Prozent der Bevölkerung festgestellt. Auch in den besonders stark von der Pandemie betroffenen Gebieten waren es weniger als 15 Prozent.
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Herdenimmunität bei COVID-19 ist laut Experten unwahrscheinlich.Foto: istock
Von 13. Juli 2020

Die zu Beginn der aktuellen Pandemie diskutierte „Herdenimmunität“ wird immer unwahrscheinlicher. Nachdem bereits eine Studie chinesischer Forscher zeigte, dass die Antikörper bei vormals Erkrankten rasch weniger wurden, fanden Forscher nun durchschnittlich lediglich bei fünf Prozent der spanischen Bevölkerung Antikörper gegen SARS-CoV-2.

Auch in stark betroffenen Gebieten, wie Madrid, Cuenca oder Toledo lag die Immunität maximal bei 14.4 Prozent. In vielen Küstengebieten hatten laut der im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Studie weniger als drei Prozent der Einwohner Antikörper im Blut.

Dies ist laut Immunologen zu wenig, um zum jetzigen Zeitpunkt eine Herdenimmunität zu erreichen. Nun werden Bedenken laut, dass eine Herdenimmunität bei COVID-19 möglicherweise gar nicht erreicht wird. Epidemiologen sprechen davon, dass zumindest 70 Prozent der Bevölkerung Antikörper haben müssten, um Herdenimmunität zu erreichen. Die Studienautoren schreiben, dafür müsse man „sehr viele Todesfälle und die Überlastung des Gesundheitssystems in Kauf nehmen“.

„Es ist ein sehr tückisches Virus und die Immunität ist bisher sehr verwirrend und vermutlich auch nur sehr kurzlebig“, sagt Immunologe Professor Altmann vom Imperial College London.

Größte Antikörper-Studie bisher

In der bisher größten Antikörper-Studie für das neuartige Virus werteten Forscher die Testergebnisse von 61.075 Menschen über ganz Spanien verteilt aus. Dabei wurde die Konzentration an Immunglobulin G-Antikörper (IgG) untersucht, die Viren neutralisieren können und länger im Blut bleiben als beispielsweise Immunglobulin M (IgM) oder Immunglobulin A (IgA).

In die Studie flossen Ergebnisse von Altersklassen von 0 bis über 85 Jahre ein. Während man bei nur 1 Prozent der Kleinkinder Antikörper fand, lag der Durchschnittswert ab 45 Jahren bei knapp 6 Prozent. Bei Menschen, die Angaben im Pflegebereich zu arbeiten, waren bei über 10 Prozent Antikörper vorhanden.

Ebenfalls zeigte sich, dass bei asymptomatischen COVID-19 Patienten die Antikörperkonzentration nochmals um die Hälfte niedriger war als bei Personen mit Symptomen. Dies stimmt mit der Studie von Wissenschaftlern der Chongqing Medical University überein, die ergab, dass der Antikörperspiegel bei ehemaligen Patienten ohne Symptome schneller abfiel als bei vormals Erkrankten mit Symptomen.

Erneute Infektion innerhalb kurzer Zeit möglich?

Bevor jedoch überhaupt über Herdenimmunität diskutiert werden kann, bleibt nach wie vor die Frage, wie lange der Antikörperschutz bestehen bleibt.

Diese Frage könnte auch nach der Entwicklung eines Impfstoffes bestehen bleiben. Dieses Problem könnte sich laut dem Berater des Weißen Hauses, Dr. Anthony Fauci, auch mit einer Impfung nicht unbedingt ändern.

Dr. Fauci, sagt, wenn sich das Virus wie andere Coronaviren verhält, ist es „wahrscheinlich, dass es keine lange Immunität“ geben wird. „Der Teufel steckt im Detail, Impfungen zu finden, wird nicht einfach.“, so Fauci weiter.

Auch der ehemalige Leiter der U.S. Food and Drug Administration (FDA), Dr. Scott Gottlieb geht davon aus, dass eine Impfung wahrscheinlich jährlich verabreicht werden muss. Damit würde die Immundauer, ähnlich wie bei einer Grippe-Impfung, nur wenige Monate anhalten.

Immunologe Professor Altmann steht ebenfalls der Herdenimmunität zweifelnd gegenüber. In einem Interview mit CNBC sagt er: „Wenn jemand denkt, dass sich dieses Problem von selbst lösen wird, macht er sich etwas vor.“



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