Klimawandel vor 1,1 Millionen Jahren: Temperatursprung um +12 °C machte Europa wieder bewohnbar

Das Gegenteil von Erwärmung ist Abkühlung. Ein solcher Klimawandel machte Europa in der Vergangenheit für einen langen Zeitraum unbewohnbar.
Wollhaarmammuts statt Menschen: Klimawandel veränderte die Lebensbedingungen in Europa vor 1,1 Millionen Jahren nachhaltig.
Wollhaarmammuts in Europa: Vor 1,1 Millionen Jahren war es Menschen vermutlich zu kalt.Foto: iStock
Von 17. August 2023


Ein Klimawandel mit extremer Abkühlung beendete vor etwas über einer Million Jahren die Besiedlung Europas. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Professor Chronis Tzedakis vom University College London. Demnach führten „bisher unbekannte extreme eiszeitliche Bedingungen wahrscheinlich zum Aussterben der Vegetation und frühen Menschen auf dem Kontinent“.

In ihrer Mitte August in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie beschreibt die Gruppe aus Pollenexperten, Ozeanographen, Archäologen und Anthropologen „einen drastischen Rückgang der Lebensraumeignung für frühe Homininen im Mittelmeerraum. […] Wir vermuten, dass diese extremen Bedingungen zur Entvölkerung Europas führten, die möglicherweise mehrere aufeinanderfolgende Glazial-Interglazial-Zyklen lang andauerte“.“

Mit anderen Worten: Es war sehr viele Generationen lang zu kalt, als dass Menschen in Europa leben konnten.

Keine durchgehende Besiedlung Europas

Die ältesten bekannten menschlichen Überreste in Europa wurden bisher auf der Iberischen Halbinsel gefunden, so die Forscher. Diese deuten darauf hin, dass frühe Menschen vor etwa 1,5 Millionen Jahren Südeuropa besiedelten. Zu dieser Zeit herrschte im Allgemeinen ein warmes und feuchtes Klima, das von milden Kälteperioden unterbrochen wurde.

Bisher ging man zudem davon aus, dass die damaligen Menschen, bekannt als Homo erectus, nach ihrer Ankunft in der Lage waren, mehrere Klimazyklen zu überleben und sich an die zunehmend raueren Bedingungen vor 900.000 Jahren anzupassen. Im Widerspruch dazu stellte Prof. Tzedakis nun fest: „Unsere Entdeckung einer extremen glazialen Abkühlung vor etwa 1,1 Millionen Jahren stellt die Vorstellung einer kontinuierlichen frühen menschlichen Besiedlung Europas infrage.“

Professor Nick Ashton vom Britischen Museum ergänzte: „Eine Abkühlung dieses Ausmaßes hätte kleine Jäger- und Sammlergruppen unter erheblichen Stress gesetzt. Zumal es den frühen Menschen möglicherweise an […] einer ausreichenden Fettisolierung [sowie] Feuer, effektiver Kleidung oder Unterkünften fehlte.“

Mehr als zehn Grad kälter als heute

Voran ging eine Untersuchung der chemischen Zusammensetzung mariner Mikroorganismen und des Pollengehalts in einem Bohrkern, der aus den Tiefseesedimenten vor der Küste Portugals geborgen wurde.

Durch Heraussieben von Tausenden kleinen Pflanzenpollen und durch Analysen von konservierten temperaturempfindlichen organischen Verbindungen, die von winzigen Algen hinterlassen wurden, entdeckten die Wissenschaftler, dass sich das Klima über dem östlichen Nordatlantik und dem angrenzenden Land vor etwa 1,127 Millionen Jahren plötzlich um sieben Grad Celsius abkühlte.

Diese massive Abkühlung markiert das Ende einer der ersten in dem Sedimentkern dokumentierten Kälteperioden. Sie ereignete sich wiederum in der letzten Phase eines Gletscherzyklus, als die Eisschilde abbrachen und große Mengen Süßwasser in den Ozean gelangten, was zu Veränderungen der Ozeanzirkulation und einer Ausdehnung des Meereises nach Süden führte, erklärt Prof. Tzedakis. Am Ende dieser Abkühlung war die Meeresoberfläche vor Portugal mit unter sechs Grad Celsius mehr als zehn Grad kälter als der aktuelle Jahresmittelwert von etwa 17,5 Grad Celsius.

Aufbauend auf diesen Daten bewertete Professor Axel Timmermann und sein Team vom Zentrum für Klimaphysik an der Pusan National University, Südkorea, die damaligen Lebensbedingungen in Europa. Unter Berücksichtigung von fossilen und archäologischen Beweisen für die menschliche Besiedlung im Südwesten Eurasiens kommt er zu dem Schluss, „dass das Klima rund um das Mittelmeer vor 1,1 Millionen Jahren zu lebensfeindlich für archaische Menschen wurde“.

Iberien und generell Südeuropa waren während des frühen Pleistozäns demnach weitgehend menschenleer. Das Fehlen von Steinwerkzeugen und menschlichen Überresten aus den folgenden 200.000 Jahren stützt die Möglichkeit einer lang anhaltenden Unterbrechung der europäischen Besiedlung.

Klimawandel – in beide Richtungen

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch ein anderer Zeitpunkt: Bereits weniger als fünftausend Jahre nach der abrupten Abkühlung erfolgte eine ebenso schnelle Erwärmung, die offenbar sowohl in den simulierten als auch rekonstruierten Daten sichtbar wird. So ist, ohne dass die Forscher darauf genauer eingehen, in ihrer Grafik ein Temperaturanstieg von vier (simuliert) bis zwölf Grad Celsius (rekonstruiert) erkennbar.

Da sich dieser zudem in einem Zeitraum von weit unter 1.000 Jahren ereignete, kommt er der aktuellen, vermeintlich noch nie dagewesenen Erwärmung von 1,4 Grad Celsius pro Jahrhundert erstaunlich nahe. Binnen der folgenden etwa 20.000 Jahre stiegen die Temperaturen dann weiter und übertrafen wiederholt die aktuellen Werte.

Die Nordatlantische Abkühlung vor 1,127 Millionen Jahren trug vermutlich maßgeblich zur Entvölkerung (Süd-)Europas bei. Die Schattierung (rosa) zeigt jene Gebiete mit stark eingeschränkten Lebensbedingungen. Achtung: Zeitachse ist gespiegelt. Foto: Axel Timmermann/Institute for Basic Science



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