Krebsklone verbreiten sich weltweit
Die weltweit gefürchteten Marmorkrebse sind allesamt Klone und stammen von einem einzelnen Weibchen ab. Das schreiben Forscher im Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“. Sie hatten das Erbgut von elf Tieren entziffert, die aus deutschen Zoohandlungen und Badeseen sowie aus Madagaskar stammten.
Dabei konnten sie zeigen, dass alle untersuchten Krebse über ein identisches Genom verfügen. Männchen sind bei den Marmorkrebsen unbekannt, die Fortpflanzung läuft über eine sogenannte Jungfernzeugung.
In nur zwei Jahrzehnten hat sich der Marmorkrebs vom reinen Aquarienbewohner zum global gefürchteten Vielfraß entwickelt. Er stellt vor allem in Madagaskar eine Bedrohung dar, lebt aber auch etwa in Deutschland, Schweden, Italien und Japan.
Die Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg liefern mit der Studie nicht nur Erkenntnisse über die Ausbreitung einer invasiven Art, sondern erhoffen sich davon auch Erkenntnisse in der Tumorforschung.
Der Marmorkrebs (Procambarus virginalis) wurde erst in den 1990er Jahren in deutschen Aquarien entdeckt. Sein genauer Ursprung kann allerdings nicht mehr rekonstruiert werden. DNA-Analysen ergaben, dass es sich um eine Form des nordamerikanischen Everglades Sumpfkrebses (Procambarus fallax) handelt – mit einem entscheidenden Unterschied: Während der Everglades Sumpfkrebs beide Geschlechter zur Fortpflanzung benötigt, vermehrt sich der Marmorkrebs durch Parthenogenese, also Jungfernzeugung. Dabei entstehen die Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen, denen durch bestimmte Hormone eine Befruchtung quasi vorgespielt wird.
Blattläuse und Wasserflöhe, aber auch manche Fisch- und Eidechsenarten vermehren sich auf diese Weise. Der Marmorkrebs ist der einzige bekannte Flusskrebs, der sich durch Parthenogenese fortpflanzt – und das explosionsartig. Im Zwölf-Wochen-Rhythmus können die Tiere bis zu 500 Eier produzieren. Der Flusskrebs mit dem namensgebenden braun marmorierten Panzer hat sich so besonders im afrikanischen Inselstaat Madagaskar zur gefräßigen Plage entwickelt, die den Reisanbau ebenso bedroht wie die heimische Flora und Fauna.
Der Marmorkrebs breitete sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer mehr in freier Wildbahn aus – auch, weil Angler den Krebs als Lebendköder in Gewässer einschleppten. Er wurde zudem ausgesetzt oder die Toilette hinuntergespült. Die in der Regel etwa zwölf Zentimeter langen Tiere bedrohen heimische Krebsarten nicht nur aufgrund der Futterkonkurrenz, sondern auch, weil sie Träger der Krebspest sind.
Sehr große Anpassungsfähigkeit
Das Team um den Molekularbiologen Frank Lyko und den Bioinformatiker Julian Gutekunst stellte nicht nur die gemeinsame Herkunft der untersuchten Krebse und sehr wenige Mutationen in ihrem Erbgut fest, sondern konnten auch Aussagen über ihre rasante Ausbreitung treffen.
Der Lebensraum der Krebse auf Madagaskar hat sich Feldforschungen zufolge innerhalb von zehn Jahren von 1000 auf 100 000 Quadratkilometer ausgedehnt. Diese schnelle Entwicklung erstaunt, zumal die Krebse dabei eine große Anpassungsfähigkeit bewiesen.
In Deutschland seien die Tiere sowohl in Badeseen mit sehr hohem als auch in solchen mit sehr niedrigem Säuregrad zu finden, sagte Lyko, in Madagaskar sowohl auf der Hochebene als auch in tieferen Regionen. Eigentlich bedeute eine derartige Vielfalt an Lebensräumen das Entstehen von verschiedenen, genetisch angepassten Subspezies. Das sei aber beim Marmorkrebs nun eben nicht der Fall.
Die Krebse können sich vielmehr mit Hilfe sogenannter epigenetischer Mechanismen schnell anpassen. Dabei lagern sich im Laufe des Lebens kleine Schalter an die Erbgutstränge, die Gene an- oder ausschalten.
Insofern könne die Erforschung des Marmorkrebses auch wegweisend für das Verständnis von Tumoren sein, sagte Lyko, der die Abteilung Epigenetik am DKFZ leitet. Ähnlich wie beim Marmorkrebs hätten die Zellen eines Tumors ihren Ursprung in einer einzelnen Zelle. Sie breitet sich durch Teilung rasant aus.
Wie dieser Prozess aber genau funktioniere und welche Implikationen er für das Wachstum eines Tumors habe, sei noch nicht geklärt. Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen einem „klonalen System“ – hier dem Marmorkrebs – und seiner Umgebung? Von der Beantwortung dieser Frage erhoffen sich Lyko und seine Kollegen die Entwicklung eines Modellsystems zum Wachstum von Tumoren. (dpa)
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