Mehrheit der Journalisten würde grün-rot-rot wählen
Das Herz des deutschen Journalisten schlägt links. Das haben Studien in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Die breite Masse der Medien und vor allem die Öffentlich-Rechtlichen müssen sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, tendenziös zu berichten und links-grünen Positionen Vorschub zu leisten.
Der langjährige „Fokus“-Chefredakteur Helmut Markwort sagte 2016, die meisten Journalisten würden grün wählen und er denke schon, dass diese gefühlte Neigung zu den Grünen sich auch in der Auswahl der Themen und in der Gewichtung von Meldungen spiegele.
Eine vornehmlich links-grün gerichtete Haltung bestätigte sich auch bei einer Umfrage unter 150 Volontären der „ARD“ von 2020. Sie ergab, dass 92 Prozent der angehenden Journalisten grün-rot-rot wählen würden.
Linke Meinungsmacht in den sozialen Medien
In einem Interview mit dem Medienwissenschaftler Christian Hoffman in der „Welt“ wird deutlich, dass konservativ eingestellte Menschen aus Gründen der bevorzugten materiellen Sicherheit nur selten den Beruf des Journalisten wählen würden. Der ökonomische Anreiz sei einfach zu gering.
Linksorientierte Menschen würden dagegen viel mehr Befriedigung aus politischem Engagement ziehen. Das mache dann einen Job, „in dem man auf die öffentliche Agenda Einfluss nimmt, vielleicht sogar Politik beeinflussen kann, für linksorientierte Menschen umso attraktiver“.
Es führt natürlich unweigerlich dazu, dass Konservative sich immer weniger in der medialen Berichterstattung wiederfinden. Und diese Unzufriedenheit nehme seit Jahren immer weiter zu, erklärt der Experte.
Erschwerend kommt in der heutigen Zeit hinzu, dass man in den sozialen Medien immer stärkeren Druck auf den politischen Diskurs ausüben kann. Hoffmann fand heraus, dass Journalisten, die eine klare politische Haltung aufweisen, in den sozialen Medien überdurchschnittlich aktiv sind. Bei Twitter sei es unverkennbar, dass ein linksgerichtetes, junges Publikum dort eine große Meinungsmacht ausübt.
Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das sehr gefährlich, so Hoffmann: „Diesem bringt es wenig, ein älteres unpolitischeres Publikum durch einen hohen Grad an Ausgewogenheit zu beeindrucken, wenn die jungen engagierten, die sich eine Stimme verschaffen, den Rundfunk kritisieren und öffentlich angreifen. Das führt zu der Frage, auf welcher Seite die Öffentlich-Rechtlichen eher Legitimität sichern wollen.“
Moralische Klarheit statt Ausgewogenheit
Das Problem des Haltungsjournalismus hat nicht nur Deutschland, es ist ein weltweites Phänomen, das in den USA besonders stark ausgeprägt ist. Großbritannien versucht gerade, den Trend aufzuhalten, und sich zurückzubewegen zu einer objektiveren Berichterstattung.
In Deutschland dagegen fordern junge Aktivisten von den Öffentlich-Rechtlichen eine tägliche Sendung zum Klimawandel. Laut Hoffmann gehe der Rundfunk „aus nachvollziehbaren Gründen“ bisher nicht darauf ein. Doch genau hier zeigt sich der Konflikt, denn für das entsprechend motivierte Publikum sei das natürlich nicht zufriedenstellend.
In den USA ist man schon einen Schritt weiter. Dort fordern viele Experten eine Verabschiedung vom Wert der Ausgewogenheit. Das „bothsidesism“ oder auch „false balance“, wie es dort heißt, stehe in der Kritik. Diese neue Haltung wird unter dem Begriff „moral clarity“ diskutiert.
Auch in Deutschland hat die Diskussion um sogenannten „Haltungsjournalismus“ begonnen. Hoffmann erkennt in der Journalismusausbildung sowie in der Forschung bereits einen dahingehenden Trend. „Die Folge wird sein, dass die jüngeren Generationen der Berufseinsteiger eine größere Distanz zum Thema Ausgewogenheit und Neutralität aufweisen. Sie sehen einen größeren Wert darin, Partei für eine gute Sache zu ergreifen.“
Bei identitätsstiftenden Themen wie Klimawandel und Migration lässt sich das längst schon beobachten. Eine Studie aus dem Jahr 2017 kam zu dem Ergebnis, dass große Teile der Journalisten in der Flüchtlingskrise ihre Rolle verkannt und die aufklärerische Funktion der Medien vernachlässigt haben.
Laut Hoffmann sei dann bei der Corona-Krise etwas Ähnliches passiert: „Es passiert etwas Erschütterndes, man sucht Orientierung, und der erste Impuls ist: Orientieren wir uns an dem, was die Bundeskanzlerin sagt.“ Dass es aber nur einseitig gewesen sei, das stimme rückblickend nicht, stellt der Forscher fest. In beiden Fällen, also in der Flüchtlings- und der Corona-Krise könne man aber sagen, dass zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Medien besinnt hätten, das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. (nmc)
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