Sorgenkind Nanotechnologie
Nanotechnologie – sollten Sie sich nicht ganz sicher sein, um was es dabei geht: Sie sind nicht allein. Ihre zunehmende Anwendung hat auch Wissenschaftler und Nicht-Regierungsorganisationen auf den Plan gerufen. Sie befürchten, dass zu wenig getan wurde zur Risikoabschätzung für Mensch und Umwelt beim Einsatz der aufkeimenden Technologie.
Über 800 Produkte mit den veränderten Molekülen sind bereits auf dem kommerziellen Markt verfügbar, darunter Sonnenschutzcremes, Nahrungsmittelergänzungen, Flecken- und knitterfreie Kleidung, stabile und leichtere Sportgeräte und Autoteile, Bakterienresistente Küchenutensilien, kratzfeste Farbe und geruchlose Socken.
Das Militär prüft den Einsatz von Nanopartikeln zur besseren Zündung von Brennstoffen und für explosivere Bomben. Außerdem will man mit der neuen Technologie die Bereiche Medizin, Landwirtschaft, „grüne“ Energie und Umwelt revolutionieren.
Tausende von Anwendungsmöglichkeiten sind untersucht worden und wöchentlich werden neue Produkte eingeführt, Patente angemeldet. Die meisten stammen aus den Branchen Automobil, Medizin, Kosmetik und Elektronik.
2007 beliefen sich die auf dem Weltmarkt umgesetzten Waren mit Nanotechnologie auf 103 Milliarden Euro und bis 2015 wird ein Wachstum auf 2,1 Billionen Euro erwartet.
Wissenschaft vom extrem Kleinen
Das menschliche Haar hat einen Durchmesser von 100.000 Nanometern. Kohlefaser mit kleinen Nanoröhren ist 20 mal stärker als Stahl oder Kevlar gleichen Gewichts. Nanotechnologie ist die Wissenschaft vom extrem Kleinen, erlaubt die Veränderung herkömmlicher Materialien und Chemikalien auf Molekülebene – einem Milliardstel eines Meters. Nanopartikel können die Funktion von so gut wie jedem Produkt erheblich verbessern oder gar völlig neue Produkte aufbauen. Nanotechnik wird als die nächste – wenn auch unendlich raffiniertere – industrielle Revolution gehandelt.
Befürworter derselben vertreten gern den Standpunkt, die Schaffung neuer Produkte durch Materie-Änderung auf Molekülebene könne (bei vorsichtiger Entwicklung) der Wirtschaft Vorschub leisten und die Lebensqualität verbessern.
Über die Kehrseite der Medaille ist jedoch (noch) wenig bekannt und eine Bilanzierung des Verhaltens dieser winzigen „man-made“-Partikel dürfte für Industrie und Regierungen problematisch werden, so der Toxikologe Shane Jouneay, CEO an der Nanotechnology Toxicology Consulting and Training (NTC&T) in Nova Scotia, Kanada.
Nanomaterie besitzt eine andere Chemie
„Werden Nanopartikel in so viele Produkte eingefügt … besteht die große Sorge, dass sie in den menschlichen Körper gelangen und dort ungünstige Reaktionen hervorrufen. Und auf der Umweltseite verhält es sich vermutlich wie mit jeder anderen Chemikalie auch – ihnen auf der Spur zu bleiben, sie wieder zu isolieren, um zu sehen welche Wirkung sie haben ist derzeit noch sehr, sehr schwer“, sagt Jouneay. Während man genügend Methoden habe, um beispielsweise die Giftigkeit neuer Krebsmedikamente oder Pestizide zu testen, verändere sich im Nanobereich Vieles, „weil das Verhalten dieser Nanomaterie zu allem, mit dem wir uns vorher beschäftigt haben, zu große Unterschiede zeigt“.
Derart winzige Teilchen tragen besondere Eigenschaften, verhalten sich anders und verursachen eine Giftigkeit die sich von traditionellen Chemikalien unterscheidet. Ein Bedenken ist, dass sich Nanopartikel wie Asbest verhalten, im Körper verbleiben und Krebs verursachen.
Studien haben gezeigt, dass Nanopartikel von der Lunge zur Leber und sogar zum Gehirn transportiert werden. Andere Untersuchungen zeigen toxische Effekte in Pflanzen und bei Fischen, deren Gehirn 48 Stunden nachdem sie Nanopartikeln ausgesetzt waren, geschädigt war.
2006 gab es in Deutschland einen Rückruf von Magic Nano, einem Badreiniger auf Basis von Nanotechnik, nachdem 77 Personen nach Anwendung des Produktes über Atemprobleme geklagt hatten.
Zeitgleich wiederholte die ETC Group, eine neue Überwachungsorganisation, ihren Aufruf von 2003 an alle Nanotechnik-Labore der Welt, die Forschung einzustellen und Endprodukte mit künstlich erzeugten Nanopartikeln zurückzurufen.
Anderen reichen die vorhandenen Regularien und sie wollen die Entwicklung weiter nach vorne bringen, bis wissenschaftliche Schlüsse über die Giftigkeit von Nanomaterialien gezogen werden können.
Viele Länder implementieren oder planen die Implementierung von Datenerfassungssystemen, um Basisinformationen von Nanotechnik-Firmen zu sammeln. Laut Environment Canada werden die Informationen zur Entwicklung von Rahmenwerken zur Regulierung benutzt.
Laut Journaey ist es „äußerst schwierig“ zu benennen, was Nanomaterial ausmacht, und Regierungsbehörden seien aus regulatorischer Sicht schlecht vorbereitet, „denn es ist ein komplexes Unterfangen zu bestimmen was hier genau zu regulieren ist.“ Es ist nicht bekannt wie Nanomaterialien mit Ökosystemen interagieren, wie sie in der Umwelt gefunden werden können, ob sie in die Nahrungskette gelangen oder sogar über die Haut aufgenommen werden können.
„Wir wissen so gut wie nichts über die Umweltbelastung”, sagte Jennifer Sass, eine kanadische Toxikologin des Natural Recource Defence Council in Washington der kanadischen Presse.
Implantierter Nanochip
Auch sind Fragen über den ethischen und sozialen Einfluss von Technologien zur Steigerung der menschlichen Fähigkeiten im Zusammenhang mit Nanotechnologie aufgekommen, etwa die Verstärkung der Gliedmaßen oder der Sehkraft. Oder direkt ins Gehirn implantierte Mikrochips für den Internetzugang oder Softwareanwendungen auf Abruf – ein Fortschritt, der in nicht allzu ferner Zukunft Wirklichkeit werden könnte.
„Nanotechnologie im Körper zur Verstärkung der Fähigkeiten des Menschen ist ein interessantes Thema und viele glauben, dass es das wichtigste Thema des 21. Jahrhunderts sein wird“, sagt Patrick Lin, Direktor der Ethics + Emerging Technologies Group der Kalifornischen Polytechnic State University. „Nanotechnologie hilft uns, Geräte immer weiter zu verkleinern. Unsere Geräte werden immer winziger und können in unsere Kleidung integriert und sogar in unsere Körper eingepflanzt pflanzt werden.“
Unternehmen befürchten, dass es ohne Forschung und Förderung des öffentlichen Bewusstseins zu einem Aufschrei der Gesellschaft gegen die Nutzung von Nanomaterialien kommen könnte.
Momentar würden, wie Lin es beschreibt, Chemiker die Giftigkeit von Nanopartikeln auf die eine Weise und Toxikologen auf eine andere Weise interpretieren, weshalb den Firmen die Nanomaterialien herstellen, „dabei geholfen werden muss sich auf diesem Gebiet Wissen anzueignen“.
Lin: „Nanotechnologie ist eine Kombination von drei oder vier Sprachen, es ist Chemie, es ist Biologie und es ist Toxikologie. Die Unternehmen benötigen wirklich Leute, die sie durch all die Gebiete dieser Problematik navigieren können. Es gibt nur wenige Menschen, die gleichzeitig beide Seiten verstehen – die Toxikologie und die Nanotechnologie“.
Zur Info
Nanotechnologie:
– beschäftigt sich mit der Erzeugung, Erforschung und Nutzung extrem kleiner Strukturen.
– „Nano“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie „Zwerg“.
– Ein Nanometer (nm = milliardstel Meter) ist ein millionstel Millimeter und entspricht ca. einem Zehntausendstel der Stärke eines menschlichen Haares.
– Ein Nanometer verhält sich zu einem Fußball wie ein Fußball zur Erde.
Anwendung:
Kosmetik (z.B. Sonnencreme)
Landwirtschaft
Optik (z.B. für Sonnenbrillen)
Textilien (wasserabweisend)
„Easy-to-clean“-Oberflächen im Haushalt
Nahrung (Optimierung der Produktion und Verpackung)
Erschienen in The Epoch TimeDeutschland Nr. 29/09
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