Trisomie-Bluttest soll Kassenleistung werden

Mütter, die bei ihrem Ungeborenen eine Trisomie ausschließen wollen, können einen Bluttest machen lassen. Der soll künftig zum Teil von den Kassen bezahlt werden. Weniger Kosten für werdende Eltern - was könnte daran problematisch sein? Vieles, sagen Ärzte und Kirchen.
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Eine Hebamme tastet den Bauch einer schwangeren Frau ab.Foto: Caroline Seidel/dpa/dpa
Epoch Times4. März 2021

Kaum halten werdende Eltern den positiven Schwangerschaftstest in der Hand, beginnt für viele schon das Bangen: Ist mit dem Ungeborenen auch alles in Ordnung?

Künftig sollen Bluttests, die Antworten auf diese Frage versprechen, in bestimmten Fällen von den Krankenkassen bezahlt werden.

Mehr Gewissheit als Kassenleistung: Was auf Eltern wie ein Gewinn wirken dürfte, lässt Behindertenverbände, Kirchen und Ärzte Alarm schlagen. In einem offenen Brief, der veröffentlicht wurde, fordert ein breites Bündnis den Bundestag dazu auf, sich nochmals mit dem Thema zu befassen. Es stehe zu befürchten, dass die Untersuchung unter den angepeilten Rahmenbedingungen „so häufig angewandt wird, dass dies faktisch einer Reihenuntersuchung gleichkommt“, heißt es in dem Schreiben.

Bei einigen Interessensgruppen geht auch die Angst um, dass eine solche systematische Suche nach Ungeborenen mit Behinderung in vielen Fällen eine Abtreibung nach sich ziehen dürfte.

Die sogenannten nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) stehen Frauen schon seit 2012 zur Verfügung, allerdings müssen sie bislang in der Regel selbst bezahlt werden. Bei dem Test wird eine Blutprobe der werdenden Mutter auf bestimmte Erbgutfehler des Fötus untersucht: etwa auf eine Trisomie 21, bei der das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist und die mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und geistigen Auffälligkeiten einhergeht.

Ist das Testergebnis negativ, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das Ungeborene Trisomie 21 hat. Ist es hingegen auffällig, muss ein weiterer Eingriff folgen, um eine sichere Diagnose zu stellen – etwa eine Fruchtwasseruntersuchung, die mit einem geringen Risiko für eine Fehlgeburt einhergeht.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), ein Gremium, das Ärzte, Krankenkassen und Kliniken zusammenbringt, hat bereits 2019 grundsätzlich entschieden, dass der NIPT Kassenleistung werden soll. Ein Argument dafür: Der Bluttest sei im Gegensatz zu älteren Methoden ohne Risiko für Mutter und Kind.

Noch stehen jedoch Abstimmungsschritte aus: So muss erst noch die Broschüre abgesegnet werden, die Kassenpatientinnen später über den Test informieren soll, womit im Sommer gerechnet wird. Dann muss noch das Gesundheitsministerium auf formale Fehler prüfen. Erst mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird der NIPT dann tatsächlich Kassenleistung.

„Testverfahren mit Vorsicht benutzen“

„Es ist fatal, was da in Gang gesetzt wurde“, sagt Claudia Heinkel, die in Stuttgart eine Beratungsstelle der Diakonie zu Pränataldiagnostik leitet. Die Kassenzulassung sende die Botschaft aus: „Es gibt hier einen einfachen Test, den wir auch bezahlen – auch weil wir es für gesellschaftlich erwünscht halten, Trisomie 21 zu suchen.“ So entstehe ein subtiler Erwartungsdruck: Werdende Eltern, die sich gegen den Test entschieden, müssten sich rechtfertigen.

Zwar betone der G-BA stets, die Bluttests sollten nur in Einzelfällen von den Kassen bezahlt werden, doch in dem Beschluss seien die Bedingungen dafür völlig offen formuliert. „Im Grunde hat der G-BA eine indikationslose Kassenleistung beschlossen“, sagt Heinkel. „Im Mittelpunkt steht allein die subjektive Besorgnis der Schwangeren vor einem Leben mit einem behinderten Kind.“ In der Folge könnte der Test nahezu flächendeckend bei Schwangeren zum Einsatz kommen.

In der vorläufigen Fassung der geplanten Info-Broschüre heißt es, dass der NIPT nicht zu den allgemein empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft gehört. Aber auch Nilgün Dutar, Präsidentin des Berufsverbands niedergelassener Pränatalmediziner, sieht ein großes Problem in der unklaren Festlegung, für wen die Tests bezahlt werden sollen.

„Wir wollen keine Reihenuntersuchung auf die Trisomie 21“, sagt sie. „Ich glaube, das will niemand – aber das ist die große Sorge.“ Per se schlecht sei der Bluttest nicht. Für eine 42-jährige Patientin mit einem im Ultraschall unauffälligen Kind könne der Bluttest durchaus Sinn ergeben – denn mit steigendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Chromosomenstörung. „Aber für eine 20-Jährige mit ebenfalls unauffälligem Ultraschall ist so ein Test nicht sinnvoll“, sagt Dutar.

Und Sicherheit biete der Test eben nicht – es handele sich um eine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es kommt laut Dutar durchaus zu falsch-positiven Ergebnissen: Im vergangenen Jahr habe sie allein drei Frauen behandelt, deren Testergebnis auf eine Trisomie 18 hingewiesen habe – fälschlicherweise. „Die Kinder hatten nichts. Das ist eine enorme Verunsicherung der Paare.“ Sie wisse auch von Fällen, in denen Frauen nach einem auffälligen NIPT die Schwangerschaft abgebrochen hätten – ohne sichere Diagnose.

Die Kassenzulassung des Tests sei nicht per se falsch. Aber alles hänge an einer guten und ergebnisoffenen Aufklärung der Schwangeren, einem differenzierten Ultraschall und der richtigen Indikationsstellung – und da sehe sie erhebliche Mängel in dem G-BA-Beschluss.

Für die Zukunft gelte es wichtige ethische Fragen zu klären: „Jetzt ist es die Trisomie 21“, sagt Dutar. Doch mittlerweile seien auch diverse andere Einzelerkrankungen testbar. „Wie geht das Ganze weiter, wo landen wir dann irgendwann?“ Eine Selektion könne nicht gewünscht sein. „Diese Testverfahren sollte man deshalb mit einer entsprechenden Vorsicht benutzen und eben nicht als Reihentest.“ (dpa)



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