Ab in den Süden … den Wikingern hinterher
Historische Dokumente besagen, dass portugiesische Seefahrer die Azoren, jene malerische Inselgruppe im Atlantik vor der Küste Portugals, im 15. Jahrhundert entdeckten. In seinem Buch „As Saudades da Terra“ nennt der portugiesische Priester und Historiker Gaspar Frutuoso (1522 – 1591) zwei mögliche Entdeckungsdaten: 1427 oder 1432. Zudem berichtet er, dass die Seefahrer auf eine unberührte Insel und Natur stießen.
Dies ist jedoch „nicht das, was die Sedimente aussagen“, sagte Santiago Giralt, Forscher bei Geosciences Barcelona. Giralt ist Mitglied des Forscherteams, das kürzlich ihre Studie zu dieser Theorie im Fachblatt „PNAS“ veröffentlichte. Demnach waren „Nordmänner“ nicht nur eher in Nordamerika gelandet als die berühmten iberischen Seefahrer, sondern auch vor den Portugiesen im Urlaubsparadies – Hunderte Jahre vor ihnen.
Wie ein Buch, das in vielen unterschiedlichen Sprachen geschrieben ist
Ursprünglich ging es den Forschern nicht so sehr um die Geschichte der Azoren, sondern um ihre Zukunft. „Unser Hauptziel war es, die Meeresschwankung zu untersuchen und zu sehen, welche künftigen Auswirkungen die Niederschläge auf die Inseln haben könnten“, so Giralt. Doch als sie Beweise für eine vorportugiesische Besiedlung fanden, waren die Teammitglieder überrascht.
Zunächst dachten die Forscher, dass es sich bei der Entdeckung um eine Verunreinigung ihrer Proben handeln könnte. Nachdem jedoch weitere Proben die gleichen Ergebnisse geliefert hatten, riefen die Experten ein neues Projekt ins Leben. Dieses beschäftigt sich nun mit der Frage, wann die ersten Menschen auf die Inseln kamen.
Insgesamt entnahmen die Wissenschaftler aus fünf Seen der Azoren mehrere Sedimentproben. Anschließend schickten sie die Proben nach Barcelona und ließen sie von Geologen, Physikern, Biologen, Limnologen (Gewässerkundler), Mikrobiologen und Chemikern analysieren. Ein solcher vielseitiger Ansatz biete „eine breitere Sicht auf das, was wirklich in der Vergangenheit passiert ist und kann unerwartete Antworten liefern“, so Studien-Coautor Pedro Miguel Raposeiro.
Für Giralt sind die Proben wie „ein Buch, das in vielen verschiedenen Sprachen geschrieben ist“, wobei jedes Teammitglied ein Experte in einer der Sprachen ist. Wenn sie zusammenkommen, um ihre Ergebnisse auszutauschen, können die Teammitglieder „das ganze Buch lesen“.
Knapp daneben ist auch vorbei
Im Laufe ihrer Forschung untersuchten die Experten eine Reihe unterschiedlicher Umweltfaktoren an Land und im Wasser. So zeigten beispielsweise die gesammelten Pollen, dass größtenteils dichte Wälder die Azoren vor der Ankunft des Menschen bedeckten.
Um 700 nach Christus weisen die Sedimente jedoch einen Anstieg von organischen Verbindungen hin, die mit Fäkalien von Vieh und Menschen in Verbindung gebracht werden. Weiterhin zeigen Schwankungen der Pollen und Holzkohlepartikel zwischen 700 und 1070 eine verstärkte Feueraktivität, Entwaldung und Bodenerosion.
Um 1100 fand das Team Pollen von Roggen und Breitblättrigem Wegerich. Dies sind Pflanzen, die auf den Azoren nicht heimisch sind. Für die Forscher ist ihr Vorhandensein ein Beweis für erste Landwirtschaft. „Diese Indikatoren zeigen die Anwesenheit des Menschen 700 Jahre vor der Ankunft der Portugiesen“, so Raposeiro. Demnach „fanden sie keine unberührten Ökosysteme vor, sondern eine Landschaft, die seit Jahrhunderten verändert worden war“, erklärt er weiter.
Außerdem untersuchten die Forscher verschiedene Klimamodelle, die die Jahre zwischen 850 und 1850 abdecken. Dabei fanden sie heraus, dass um die Zeit der ersten Azoren-Besiedlung überdurchschnittlich warme Bedingungen im Nordatlantik sowie verstärkte Winde aus Nordosten vorherrschten. Diese Bedingungen waren wenig vorteilhaft für die portugiesischen Seefahrer. „Wenn man damals versuchte, von Lissabon zu den Azoren zu segeln“, erklärte Giralt, „hätte man sie bei diesen Winden verfehlt“.
Viele Fragen zu den Azoren, aber kaum Antworten
Laut der aktuellen Studie waren es höchstwahrscheinlich die Wikinger, die als erste auf den Azoren ankamen. Im Gegensatz zu den Südeuropäern könnten die Windverhältnisse den Wikingern tatsächlich Vorteile gebracht haben. Die Wikinger waren bemerkenswerte Seefahrer, die bereits nach Island, Grönland und Nordamerika reisten.
Zusätzlich zu den geologischen Belegen gibt es auch genetische Hinweise zu Wikingern auf den Azoren. Im Jahr 2014 untersuchte ein portugiesisch-britisches Forscherteam die DNA von Hausmäusen der Azoren, Kanarischen Inseln und Madeira. Obwohl die meisten Gene der Mäuse mit denen der Iberischen Halbinsel übereinstimmten, wurden einige Gene mit Mäusen aus Nordeuropa in Verbindung gebracht. Diese genetischen Hinweise legen nahe, dass die Mäuse als blinde Passagiere mit den Wikingern gekommen sein könnten.
Für den Archäologen Professor Søren Sindbæk von der Universität Aarhus (Dänemark) sind die Ergebnisse von den Azoren zwar überraschend, aber durchaus denkbar. „Es gibt viele moderne Mythen über die Nordmänner“, sagte er. „Einer der beständigen und gut begründeten Teile ihres Vermächtnisses ist die Seefahrt.“
Sollte sich diese Theorie bestätigen, wäre diese Entdeckung für Sindbæk ein beeindruckendes Beispiel für die seefahrerischen Fähigkeiten der Wikinger. Gleichzeitig ist Sindbæk aber auch vorsichtig, da andere Seefahrergruppen wie irische Mönche nicht außer Acht gelassen werden dürfen. „Maritime Entdeckungen waren in nordischen Gesellschaften sehr beliebt“, erklärt Sindbæk. Gleichzeitig werden die Reisen zu den Azoren aber in schriftlichen Quellen oder nordischen Sagen nicht erwähnt.
Viele Fragen bleiben unbeantwortet. So gibt es mindestens fünf Karten und einen Atlas des 14. Jahrhunderts, die die Inselgruppe zeigen. Woher wussten die Macher von den Inseln und ihrer Lage? Wenn Wikinger die Inseln besiedelt haben, wo sind dann ihre Friedhöfe oder Siedlungen? Trafen portugiesische Entdecker auf sie, als sie auf den Inseln ankamen? Und wenn ja, warum haben sie keine Aufzeichnungen darüber hinterlassen?
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion