Bamiyan-Buddhas strahlten rot, weiß und blau

Titelbild
Foto: Arnold Metzinger / TU München
Epoch Times6. April 2011

Die monumentalen Buddhas von Bamiyan leuchteten früher in kräftigen Farben. Restauratoren der Technischen Universität München (TUM) haben hunderte Fragmente der von den Taliban gesprengten Statuen analysiert. Sie haben den Zeitraum der Entstehung erstmals verlässlich datiert und die technisch brillante Bauweise erforscht. Ein Verfahren, das sie gemeinsam mit der Firma eines TUM-Absolventen entwickelt haben, könnte das poröse Gestein festigen und einen Wiederaufbau des antiken Weltkulturerbes ermöglichen.

Die Bestürzung war weltweit groß, als fanatische Taliban im März vor zehn Jahren die zwei gigantischen Buddha-Statuen sprengten, die seit dem 6. Jahrhundert das Bamiyan-Tal im heutigen Afghanistan überblickten. An der Seidenstraße gelegen, bildeten die 55 und 38 Meter hohen Kunstwerke bis ins zehnte Jahrhundert das Zentrum einer der weltweit größten buddhistischen Klosteranlagen. Tausende Mönche betreuten unzählige Kultstellen in den Nischen und Höhlen eines kilometerlangen Kliffs.

Seit der Niederschlagung der Taliban-Herrschaft bemühen sich europäische und japanische Experten, im Auftrag der UNESCO und koordiniert vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), die Überreste der Statuen zu sichern und wieder zugänglich zu machen. Und sie nehmen die Fragmente genau unter die Lupe – denn erforscht wurden die Buddhas bis zu ihrer Sprengung kaum. Wissenschaftler des Lehrstuhls für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft haben an der TUM anderthalb Jahre lang mehrere hundert Bruchstücke untersucht. Ihre Erkenntnisse tragen nicht nur zum Verständnis dieses Weltkulturerbes bei, sondern könnten auch eine Zusammenfügung der erhaltenen Teile ermöglichen:

• Farbgestaltung: „Die Buddhas hatten eine farbintensive Erscheinung“, sagt Lehrstuhlinhaber Prof. Erwin Emmerling. Sein Team fand heraus, dass die Statuen, bis die Region endgültig islamisiert wurde, mehrmals übermalt wurden, vermutlich weil die Farben verblasst waren. Die äußeren Roben, die Sangati, leuchteten auf der Innenseite dunkelblau, auf der Oberseite rosa und später orange. In einer weiteren Phase wurde der größere Buddha rot bemalt, der kleinere weiß grundiert, die Innenseiten der Roben wurden mit einem helleren Blau ausgebessert. Die grafische Rekonstruktion der TUM-Forscher bestätigt alte Überlieferungen: Schon in Quellen aus dem elften Jahrhundert ist von einem roten und einem mondweißen Buddha die Rede. Die anderen Teile der Figuren hatten möglicherweise eine weiße Grundierung, die aber nicht mehr zweifelsfrei belegt werden kann.

• Herstellungstechnik: Die Statuen wurden aus dem Kliff geschlagen, die äußere Haut mit den wallenden Gewändern aber formten die Handwerker aus Lehm, der in zwei oder drei Schichten aufgetragen wurde. Die Überreste zeigen eine erstaunliche Kunstfertigkeit. „Das sind glatte, perfekte Oberflächen – eine Qualität wie sie sonst nur gebrannte Materialien wie etwa Porzellan haben“, sagt Emmerling. Die TUM-Restauratoren fanden im Lehm Stroh und Häcksel, die Feuchtigkeit aufnehmen, Tierhaare, die den Putz wie feine Glasfasern stabilisieren, sowie Quarz und andere Zusätze, die ein Schrumpfen des Putzes verhindern. Gehalten wurde die untere Putzschicht mit Seilen, die an kleine Holzpflöcke gebunden wurden. So schufen die antiken Handwerker ungewöhnlich dicke Schichten von bis zu acht Zentimetern. „Die haben nicht nur fast 1500 Jahre überlebt, sondern in Teilen sogar die Sprengung“, staunt Emmerling.

• Datierung: Bisherige Angaben über die Entstehungszeit der Statuen waren Schätzungen, die auf dem Stil der Buddha-Roben oder ähnlichen Anhaltspunkten beruhten. Per Massenspektrometer wurde nun an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und an der Christian-Albrechts-Universität Kiel das Alter der organischen Teile der Lehmschicht ermittelt. Die TUM-Wissenschaftler konnten damit die Bauzeit des kleineren Buddhas auf die Jahre 544 bis 595, diejenige des größeren Buddhas auf 591 bis 644 eingrenzen.

• Konservierung: Wie können die Bruchstücke dieses Welterbes für die Zukunft konserviert werden? Die ICOMOS-Teams haben die Trümmer inzwischen in provisorische Lagerhallen im Bamiyan-Tal geschichtet, größere Teile wurden am Kliff abgedeckt. „Das geht jedoch nur ein paar Jahre gut, weil es sich um sehr porösen Sandstein handelt“, sagt Emmerling. Die gängigen Konservierungsverfahren aber kommen nicht in Frage. „Üblicherweise verwendete Kunstharze in den erforderlichen Dimensionen würden sich unter den Klimabedingungen im Bamiyan-Tal zu unterschiedlich im Verhältnis zum Naturstein verhalten“, erklärt Emmerling. Der Konservierungswissenschaftler hat deshalb gemeinsam mit der Firma Consolidas – einer Gründung eines TUM-Absolventen – deren noch junges Verfahren für einen möglichen Einsatz an den Buddha-Fragmenten weiterentwickelt: Statt mit Kunstharzen könnten die Steine mit einer siliciumorganischen Verbindung im Innern gefestigt werden.

Darüber hinaus arbeiten die TUM-Restauratoren an einem 3D-Modell des Kliffs, das alle Bruchstücke an ihrem früheren Platz zeigt. Emmerling hält damit einen Wiederaufbau des kleineren Buddhas für grundsätzlich möglich – wobei der Restaurator für eine Zusammenfügung der erhaltenen Teile, nicht für eine Rekonstruktion des antiken Zustands plädiert. Hinsichtlich des größeren Buddhas ist Emmerling wegen dessen Tiefe von rund 12 Metern skeptischer. Der kleinere war dagegen mit etwa zwei Metern Tiefe eher reliefartig. Doch auch für seine Errichtung gibt es neben politischen hohe praktische Hürden. Für die Konservierung der Bruchstücke müsste im Bamiyan-Tal eine kleine Fabrik gebaut werden – oder es müssten rund 1400 Steine nach Deutschland gebracht werden, manche davon zwei Tonnen schwer. Nächste Woche wird auf einer Konferenz in Paris über das weitere Schicksal der Buddhas beraten.   (Technische Universität München)

Foto: Arnold Metzinger / TU München


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