«Deren Charme jeden bannte» – Die Queen in Deutschland
Deutschland, im Mai 1965: Hunderttausende Menschen wollen die junge Queen sehen. Elf Tage reisen Elizabeth II. und Prinz Philip durch die Bundesrepublik, bis die königliche Jacht von Hamburg Richtung England ablegt.
Die Liste mit Gastgeschenken ist seitenlang – von der Kamera mit eingebautem Fernglas über Nymphenburger Porzellan bis zur spätrömischen Glaskanne aus Köln.
Für Deutschland ist es 1965 der erste Staatsbesuch eines britischen Monarchen seit 1909. Der Zweite Weltkrieg liegt 20 Jahre zurück. Der Besuch der 39 Jahre alten Königin ist für die BRD politisch wichtig, eine Geste der Versöhnung. 50 Jahre ist das nun her. Passend zu diesem Jubiläum kommt die 89 Jahre alte Queen im Juni zu ihrem fünften Staatsbesuch.
Eine Pan-Am-Maschine bringt die Sonntagszeitungen
„Der Jubel war überaus herzlich, aber verhaltener als beim jungen Kennedy“, notiert der dpa-Korrespondent anno 1965. Und mit Anzeichen von Windsor-Fieber: „Hunderte von Deutschen, die die Queen aus nächster Nähe erleben konnten, ihr vorgestellt oder gar von ihr in einen kleinen Wortwechsel gezogen wurden, werden sich noch Jahre einer zarten, zierlichen Königin erinnern, deren Charme jeden bannte, der ihre ausdrucksvollen, blauen Augen und ihren lebhaften Mund sprechen sah.“
Auch modisch hinterlässt die Queen Eindruck. Die „Welt am Sonntag“ findet, der „bezaubernde Turban in Eisblau“ sei der „Clou aller Hüte“. Und was für ein Aufwand: Die Königin reist mit einem Sonderzug. Eine Pan-Am-Maschine bringt extra 43 verschiedene Sonntagszeitungen aus London. Ein Berliner Hotel besorgt für den königlichen Drink „Pimm’s“ eigens 300 Pfefferminzstauden aus Westdeutschland.
Die DDR beäugt das Spektakel kritisch: „Wenn eine Queen kommt / wird die Bundeskrise / mit allen Einfaltspinseln übermalt“, spottete das SED-Blatt „Neues Deutschland“. Klar ist, auf wessen Seite des geteilten Landes die Königin steht: Den Wunsch nach Wiedervereinigung nennt sie „selbstverständlich“. In West-Berlin gehören die Briten zu den alliierten Soldaten, die dort stationiert sind.
Helgoländer Hummercocktail und Kiwi-Sorbet
1978 ist der Deutschland-Besuch kürzer. Die Berichte klingen nach weniger Aufregung. Die Queen besucht zwischen Bonn und Bremen eine Schau von holsteinischen Zuchtpferden in Gut Schiersee bei Kiel. In Berlin hält sie an der Gedächtniskirche eine Ansprache vor 40 000 Menschen und macht einen Spaziergang auf dem Kurfürstendamm, es herrscht Volksfeststimmung. Im Hintergrund stehen Scharfschützen auf den Dächern und lugen durch die große Uhr der Gedächtniskirche. Im Schloss Charlottenburg werden Helgoländer Hummercocktail, Rotkalbsrücken „Jagdschloss Grunewald“ und Kiwi-Sorbet serviert. Mit dabei: Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD).
Nicht immer ist es das ganz große Protokoll, wenn die Queen nach Deutschland kommt. Sie schaut öfter bei ihren Soldaten vorbei. Nicht ein Staatsbesuch, sondern der 750. Geburtstag der Stadt führt sie 1987 nach Berlin. 2000 eröffnet sie die neue britische Botschaft in der Wilhelmstraße.
Die Queen in Dresden
1992 ist für Elizabeth ein schreckliches Jahr, das „annus horribilis“: Windsor Castle brennt, Charles und Diana sind in der Ehekrise. Besser hat sie wahrscheinlich ihren dritten Staatsbesuch in Deutschland in Erinnerung, kurz nach der Wiedervereinigung. Beim Bankett im Brühler Schloss Augustusburg bekennen sich Elizabeth II. und Bundespräsident Richard von Weizsäcker zu Europa. Unter den Gästen des Empfangs: Tennisheld Boris Becker mit Freundin.
Am Brandenburger Tor betritt die Queen erstmals ostdeutschen Boden. Im 1945 von den Briten zerbombten Dresden freuen sich nicht alle über den Besuch. Vor dem Versöhnungsgottesdienst in der Kreuzkirche mischen sich Buh-Rufe und Pfiffe in die Begrüßung. In Leipzig winken Tausende der Queen zu.
Mit der S-Bahn nach Potsdam
Beim vierten Staatsbesuch im Jahr 2004 klingt die Queen fast wie eine Touristin: „Jedes Mal, wenn ich nach Berlin komme, bin ich aufs Neue erstaunt, wie sich die Stadt verändert“, sagt sie beim Staatsbankett. In einem Panoramazug der S-Bahn fährt sie nach Potsdam, in Königsblau gekleidet. Als Gastgeschenke gibt es das Brandenburger Tor aus Porzellan der Königlichen Porzellan-Manufaktur (für sie) und eine Fliegeruhr (für ihn). In Düsseldorf wird die Queen mit amüsierter Miene bei einer Modenschau gesichtet.
Nun also Staatsbesuch Nummer fünf. Politisch bewegt beide Länder, dass Großbritannien auf dem Weg zu einem Referendum über die EU-Mitgliedschaft ist. Stationen sind Frankfurt am Main, das einstige Konzentrationslager in Bergen-Belsen, das vor 70 Jahren von den Briten befreit wurde, und natürlich in die Hauptstadt. Gute Chancen, die Queen zu sehen, bieten sich am Ufer der Spree, wenn sie eine Schifffahrt macht. Am Brandenburger Tor steht ein kleiner Rundgang auf dem Programm, ein „walkabout“.
Ob die Deutschen nach wie vor so royal-verrückt wie zu Dianas Zeiten sind? „Genauso begeistert, würde ich sagen, nicht verrückt“, sagt der britische Botschafter in Berlin, Simon McDonald. „Das war für mich als Botschafter in meinen viereinhalb Jahren eine Überraschung. Die Begeisterung der Deutschen für die Königin und die Familie ist etwas Besonderes.“
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(dpa)
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