Die zerstörerische Wirkung politischer Macht

Wenn uns die Geschichte etwas lehrt, dann ist es das: Konzentriere die Macht nicht in den Händen einer Person oder einer Gruppe.
Tuileriensturm (1792), Französische Revolution
Tuileriensturm von 1792, Französische Revolution. Öl auf Leinwand, gemalt 1793 von Jean Duplessis-Bertaux.Foto: Public Domain
Von 27. August 2022

„Die meisten Künste haben Wunder hervorgebracht, während die Kunst des Regierens nichts als Ungeheuer geschaffen hat.“ Der Autor dieser Worte war einer der ersten Experten auf diesem Gebiet in der Geschichte. Zudem war er selbst ein Ungeheuer, das durch das Gift namens „Macht“ zu einem solchen wurde. Als Lohn seiner Taten verließen er und weitere berühmte Personen schließlich am 28. Juli 1794 den Planeten.

Der Name dieses Mannes war Louis Antoine de Saint-Just (1767-1794). Sein enger Freund und politischer Verbündeter war Maximilien Robespierre (1758-1794). Gemeinsam inszenierten sie den Terror der Französischen Revolution, eine gewalttätige Welle der Unterdrückung und des Gemetzels. Beide Männer stiegen letztlich zur höchsten Macht auf, nur um wenig später von der gleichen Maschinerie verschlungen zu werden, der sie so viele andere ausgeliefert haben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Saint-Just und Robespierre einerseits und ihren zahlreichen Opfern andererseits bestand darin, dass Erstere ihr grausames Ende verdienten.

Französische Revolution und ihr Verfechter Louis Antoine de Saint-Just

Die Französische Revolution und ihr Verfechter Louis Antoine de Saint-Just. Öl auf Leinwand, gemalt 1793 von Pierre-Paul Prud’hon. Foto: Public Domain

Vergleich von Terror mit Tugend

„Wenn die Grundlage der Volksherrschaft in Friedenszeiten die Tugend ist, so ist die Grundlage der Volksherrschaft während einer Revolution sowohl die Tugend als auch der Terror; die Tugend, ohne die der Terror verderblich ist; der Terror, ohne den die Tugend machtlos ist. Der Terror ist nichts anderes als schnelle, strenge und unnachgiebige Gerechtigkeit; er ist also eine Emanation der Tugend; er ist weniger ein Prinzip an sich als eine Folge des allgemeinen Prinzips der Demokratie, angewandt auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes“, sagte Robespierre im Februar 1794 in einer Rede. Er verglich damit den Terror mit der Tugend. Außerdem erklärte er, dass das Ziel einer tugendhaften, egalitären Republik jedes Mittel rechtfertige.

Für jeden anständigen Menschen trifft der Begriff „Tugend“ nicht im Entferntesten auf das zu, was die Revolutionäre unternommen haben. Doch selbst die blutigsten und radikalsten unter ihnen benutzten eine positive Terminologie. So wollten sie ihr böses Werk rechtfertigen. Tatsächlich töteten sie Tausende Menschen unter ihrem Leitspruch: „liberté, égalité, fraternité“ („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“).

Am 5. September 1793 beschloss der Nationalkonvent (Frankreichs revolutionäres Parlament), dass „Terror das Gebot der Stunde“ sei. So wollten die Verfechter der Revolution diese vor ihren äußeren und inneren Feinden schützen. Drei Monate später übertrug er dem berüchtigten Wohlfahrtsausschuss weitreichende Exekutivbefugnisse.

Von seinem Sitz im Komitee aus übermittelte Robespierre die Entscheidungen der Gruppe an Saint-Just, der als „Erzengel des Terrors“ bekannt wurde. Saint-Just überwachte zudem die Beschlagnahmung von Eigentum, die Massenverhaftungen und die anschließenden Hinrichtungen. In seinen blutrünstigen Aufzeichnungen schreibt er: „Man muss nicht nur die Verräter bestrafen, sondern auch diejenigen, die nicht interessiert sind; man muss jeden bestrafen, der der Republik passiv gegenübersteht und nichts für sie tut. […] Das Schiff der Revolution kann den Hafen nur auf einem Meer erreichen, das von Blutbächen gerötet ist. […] Eine Nation bildet sich nur auf Leichenbergen.“

Geisteswandel über Nacht

Am 10. Juni 1794 erließ der Nationalkonvent das berüchtigte „Gesetz vom 22. Prairial“ – auch „Schreckensgesetz“ genannt. Dieses enthielt eine umfangreiche Liste von „Staatsfeinden“, die mit dem Tod bestraft werden sollten, ohne dass es dafür einen Rechtsweg gab. In den folgenden sechs Wochen wurden die Straßen von Paris mit Blut getränkt. Dann, als das Chaos seinen Höhepunkt erreichte, verschlang die Revolution plötzlich ihre beiden vehementesten Verfechter. Robespierre und Saint-Just wurden am 27. Juli verhaftet und am folgenden Tag durch die Guillotine hingerichtet. Robespierre war 36 Jahre alt, Saint-Just erst 26.

Eine genaue Betrachtung dieser beiden Männer offenbart eine erstaunliche, zerstörerische Wirkung der politischen Macht. Nichts anderes kann die bemerkenswerte Veränderung ihrer Persönlichkeiten erklären. Vor der Revolution war Robespierre ein sanftmütiger Gegner der Todesstrafe. Mit der Macht in seinen Händen wurde er zu einem der Monster, von denen Saint-Just schrieb.

Französische Revolution und ihr Verfechter Maximilien de Robespierre

Porträt von Maximilien de Robespierre (1758-1794). Öl auf Textil, Maler unbekannt. Foto: Public Domain

Saint-Justs Wandlung ist sogar noch beunruhigender, wie mehrere Historiker festgestellt haben. Zunächst noch als „unbeschwert und leidenschaftlich“ beschrieben, wurde er fast über Nacht „zielstrebig, tyrannisch und unbarmherzig gründlich“. Weiter wird er als „eiskalter Ideologe der republikanischen Reinheit“ und als „unzugänglich wie Stein für alle warmen Leidenschaften“ beschrieben. Er verließ die Frau, die er liebte, gab Freunde und die Liebe zur Literatur auf. Gleichzeitig verwandelte er sich in einen Killer, der nur ein Ziel verfolgte: Kontrolle, Folter oder Mord, um die Gesellschaft „neu zu gestalten“.

Französische Revolution schuf Fanatiker

Wenn man Robespierre oder Saint-Just vor der Revolution von 1789 auf einer Pariser Straße begegnet wäre, hätte man wahrscheinlich ein angenehmes Gespräch führen können. Man hätte die beiden Männer als freundliche, intelligente und redegewandte Aufsteiger eingeschätzt. Wenn man 1910 neben Adolf Hitler in der Wiener Akademie der bildenden Künste im Klassenzimmer gesessen hätte, hätte man geahnt, was er ein paar Jahrzehnte später tun würde?

Der Philosoph Eric Hoffer aus dem 20. Jahrhundert beschäftigte sich mit Fanatikern und der Macht, nach der sie streben.

Er war der Meinung, dass Macht das Schlimmste in jedem Wesen hervorbringt. Außerdem gäbe es nur wenige, die sich dieser entziehen oder sich zurückhalten können, wenn sie sie erlangen.

„Die Verderbnis, die der absoluten Macht innewohnt, rührt daher, dass diese Macht nie frei von der Tendenz ist, den Menschen in ein Ding zu verwandeln. […] Denn der Trieb der Macht besteht darin, jede Variable in eine Konstante zu verwandeln und den Befehlen die Unerbittlichkeit und Unnachgiebigkeit von Naturgesetzen zu verleihen. Daher verdirbt die absolute Macht auch dann, wenn sie zu humanen Zwecken ausgeübt wird. Der gütige Despot, der sich als Hirte des Volkes versteht, verlangt von den anderen immer noch die Unterwürfigkeit von Schafen.

Der Makel, der der absoluten Macht innewohnt, ist nicht ihre Unmenschlichkeit, sondern ihre Menschenfeindlichkeit.“

Man sollte niemals unterschätzen, was Macht selbst bei den besten Menschen anrichten kann. So sollte man um sein Leben rennen, auch wenn ein bester Freund behauptet, er würde gute Dinge tun, wenn er nur die Macht dazu hätte. Wenn uns die Geschichte etwas lehrt, dann ist es das: Konzentriere die Macht nicht in den Händen einer Person oder einer Gruppe.

Das Böse erkennen

Wenn Macht ein Dämon ist, dann waren Robespierre und Saint-Just völlig besessen und von ihr entstellt. Das einzige Mittel war ihr Tod. Doch wie können wir erkennen, ob das Böse, das die Macht fördert, in unserer Mitte lauert? Was wird es unter seiner Maske sagen? Ich denke, es würde sagen: „Nimm Platz!“

Das Böse würde versuchen, andere Meinungen zum Schweigen zu bringen. Um Chaos und Verwirrung zu stiften, wird es die Natur selbst neu definieren oder jeden langjährigen Brauch oder Grundsatz angreifen, der ihr im Wege steht. Es würde mit falschen Versprechungen ködern und den Retter in der Not gegen erfundene Schurken und Opfer ausspielen. Und zum Schluss würde es uns einreden, dass alle möglichen wunderbaren Dinge auf uns zukommen werden, wenn wir dem Staat nur die Macht geben, sie zu liefern.

Und die Lösung? Fallen Sie nicht darauf herein. Denken Sie stattdessen an die Worte eines Franzosen namens Frédéric Bastiat, der wusste, wie bösartig Macht sein kann: „Wir sind für uns selbst verantwortlich. Erwarte vom Staat nichts anderes als Recht und Ordnung. Erwartet von ihm keinen Reichtum und keine Aufklärung. Wir machen ihn nicht mehr für unsere Fehler, unsere Nachlässigkeit, unsere Unvorsichtigkeit verantwortlich. Für unseren Lebensunterhalt, unseren physischen, intellektuellen und moralischen Fortschritt sind wir allein auf uns selbst angewiesen.“

Über den Autor:

Lawrence W. Reed war von 2008 bis 2019 Präsident der Foundation for Economic Education (FEE). Er lehrte er von 1977 bis 1984 hauptberuflich Wirtschaftswissenschaften an der Northwood University in Michigan und war von 1982 bis 1984 Vorsitzender der dortigen Wirtschaftsabteilung. Er hat zwei Ehrendoktorwürden, eine von der Central Michigan University (öffentliche Verwaltung, 1993) und die andere von der Northwood University (Jura, 2008).

Dieser Artikel erschien im Original auf FEE.org unter dem Titel: „The Two Monsters of the French Revolution Who Were Consumed by Power—and Lost Their Heads On the Same Day“ (deutsche Bearbeitung kms)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 59, vom 27. August 2022.



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