„Der Mond ist aufgegangen“ – Der 21. Januar ist der 200. Todestag des Dichters Matthias Claudius

Titelbild
Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen, und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn. (Matthias Claudius 1740-1815)Foto: Cover Siedler Verlag
Von 20. Januar 2015

Sein Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ kennt noch heute fast jedes Kind, doch der Autor dieser wunderschönen Verse von insgesamt sieben Strophen, der Dichter und Journalist Matthias Claudius, droht in Vergessenheit zu geraten. Dabei lohnt es sich, Claudius und seine Welt neu zu entdecken, wie uns der Philosoph, Musikwissenschaftler, Theologe und Bestsellerautor Martin Geck in seiner großen Biographie eindrucksvoll zeigt.

 

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

In einem Zeitalter, in dem vor allem Kopf und Vernunft zählten, appellierte Matthias Claudius an Herz und Gefühl. Als Dichter und Schriftsteller, Redakteur des berühmten „Wandsbeker Boten“, liebte er die Mischung aus Naivität und Tiefsinn; er lebte in einer Epoche widersprüchlicher Strömungen zwischen Romantik und Aufklärung.

Er war zugleich loyaler Untertan und Kämpfer gegen Fürstenwillkür, frommer Christ und Freimaurer, er schien wenig lebenstüchtig und gehörte doch zu den einflussreichsten und meistgelesenen Autoren des 18. Jahrhunderts.

Sein Biograph Martin Geck wurde am 19. März 1936 in Witten geboren. Er ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Dortmund. Seine Bücher zur Musikgeschichte und seine Biographien großer Komponisten (u.a. über Mozart, Beethoven und Schumann) wurden von der Kritik hoch gelobt und in ein Dutzend Sprachen übersetzt. Bei Siedler erschien zuletzt seine Biographie „Richard Wagner” (2012). Er ist Initiator der Dortmunder Bach-Symposien.

Die sehr umfangreiche Claudius-Biographie ist zugleich ein sehr persönliches Buch dieses wissenden Autors. Er bekennt:

„Ich kann nur über Dinge schreiben, die durch mich hindurchgedrungen sind. So habe ich es bei meinen vielen Büchern über Musik gehalten, so halte ich es auch diesmal: Was an Claudius nicht Musik in meinen Ohren wäre, würde unspezifisch bleiben. Diesmal liegt der Fokus meines Interesses jedoch nicht auf der Musik, obwohl Claudius sie liebte und pflegte, sondern auf seinem Lebens-Werk, das auch ein Stück Lebens-Kunst war.

Zwar wollte und könnte ich nicht leben wie Claudius, spüre auch keine Versuchung, seinen Alltag zu idealisieren. Gleichwohl gibt es Züge, die mir Claudius zu einem Vorbild machen – zu einem wichtigeren, als es mir der bedeutendere Zeitgenosse Goethe sein könnte.

Damit bin ich beim Lied ‚Der Mond ist aufgegangen’. Ich spiele es seit vielen Jahren jeden zweiten Abend auf dem Klavier. Das ist als kleine, wortlose Hausandacht für mich und meine Frau gedacht.

Doch singe ich das Lied auch mit den Gästen zum Abschluss unserer Abendeinladungen oder Hausmusiken. Man mag sich eine ländliche Familie vorstellen, die nach getaner Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes Feierabend macht und zur Ruhe kommt, indem sie in die nächtliche Landschaft schaut.

Gleichwohl ist das Lied keine Idylle. Zwar mag man die vom Mond erhellte Landschaft als eine stille Kammer betrachten, in der sich des Tages Jammer vergessen lässt, jedoch ist in der Schlussstrophe von einem kühlen Abendhauch die Rede und wer seinen Claudius kennt, der spürt, dass er in seinem Gedicht von Anfang bis Ende die Gefährdung der menschlichen Existenz mitgedacht hat – bis hin zum Frösteln angesichts des Todes…“

Matthias Claudius wurde am 15. August 1740 in Reinfeld/Holstein geboren. Sein Vater und seine unmittelbaren Vorfahren waren Pastoren, drei seiner Söhne setzten diese Tradition fort. Claudius besuchte die Lateinschule in Plön, studierte in Jena zunächst Theologie, dann Jura und Kameralistik, arbeitete ein Jahr lang als Sekretär in Kopenhagen und wurde 1768 Journalist bei den „Hamburgischen Addreß-Comtoir-Nachrichten“.

Ab 1771 redigierte er die von dem Wandsbecker Gutsherrn Baron Schimmelmann veranlasste Zeitung „Der Wandsbecker Bothe“; wegen ihres originellen Feuilletons mit Beiträgen von Claudius und namhaften anderen Autoren war sie in ganz Deutschland bekannt, blieb aber unrentabel und wurde 1775 eingestellt.

Seit 1772 war Matthias Claudius mit der Wandsbecker Zimmermannstochter Rebekka Behn überaus glücklich verheiratet; zwölf Kinder gingen aus ihrer Ehe hervor. Eine enge Freundschaft verband das Ehepaar Claudius mit dem Dichter Johann Heinrich Voß, der in den Jahren 1775 bis 1778 in Wandsbeck lebte, und mit dessen Ehefrau Ernestine seit ihrer Heirat 1777, sowie mit Johann Gottfried Herder und dessen Familie.

Nach einer unglücklichen beruflichen Episode 1776-77 in Darmstadt – als Beamter bei der vom Landgrafen eingerichteten „Land-Commission“ und als erster Redakteur der „Hessen-Darmstädtischen privilegirten Land-Zeitung“ – lebte Claudius auf Dauer wieder in Wandsbeck.

Zwischen 1775 und 1812 veröffentlichte er – neben diversen Übersetzungen – seine Gedichte und Prosatexte als „Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen“ in acht Teilen; den Zeitungstitel übertrug er auf sich, da er sich zunehmend als Bote des christlichen Glaubens verstand.

Eine Bankrevisorstelle gab ab 1788 materielle Sicherheit. Die Flucht vor französischen Truppen zwang Claudius 1813/14, Wandsbeck monatelang zu verlassen. Am 21. Januar 1815 starb er in seinem 75. Lebensjahr in Hamburg im Haus seiner Tochter Caroline, der Frau des Verlegers Ch. F. Perthes. Vier Tage später wurde er in Wandsbek (heutige Schreibweise) beigesetzt.

Dem Poeten Matthias Claudius gelingt bis ins hohe Alter die Geste der Abrüstung. Seine Gedichte und dichterische Prosa sind Ausdruck einer Gelassenheit, die sich jenseits intellektueller und ethischer Maximen dem Fluss des Lebens anvertraut. Darin liegt zugleich ein Moment von Zeitunabhängigkeit…“ schreibt Martin Geck.

Martin Geck gilt ein herzlicher Dank für ein überaus wichtiges Buch, das in jedem deutschen Haus einen besonderen Platz haben sollte.

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!

 

Foto: Cover Siedler Verlag

Martin Geck

Matthias Claudius

Biographie eines Unzeitgemäßen

Siedler Verlag

320 Seiten

ISBN: 978-3-88680-986-8

Euro 24,99



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