Ocomtún: Uralte Maya-Stadt namens „Steinsäule“ entdeckt

Einer der vermutlich wichtigsten Maya-Fundorte ist aus den Tiefen des mittelamerikanischen Dschungels aufgetaucht. Lange kann es aber noch dauern, bis das Gebiet vom Gebüsch befreit wird.
Titelbild
Detailaufnahme einer religiösen Steinstatue in einem tropischen Wald. Altes Maya-Erbe.Foto: iStock
Von 7. Juli 2023

Im Süden Mexikos hat der weltführende Maya-Archäologe Ivan Šprajc und sein Team ein bisher unbekanntes Maya-Zentrum entdeckt. Die Untersuchungen fanden zwischen März und Juni dieses Jahres im Balamku Ökoreservat auf der Halbinsel von Yucatan statt.

Damit wurde eine riesige antike regionale Zentrale entdeckt, die für die Maya zwischen 250 und 1000 n. Chr. sehr bedeutsam sein könnte. In der Beschreibung der Archäologen heißt es, dass in dem Gebiet „mehrere pyramidenförmige Strukturen“ gefunden wurden, die höher als 15 Meter sind.

„Die größte Überraschung war, dass sich die Stätte auf einer erhöhten ‚Halbinsel‘ befindet, die von ausgedehnten Feuchtgebieten umgeben ist. Ihr monumentaler Kern nimmt mehr als 50 Hektar ein“, so Šprajc in einer Erklärung des Nationalen Instituts für Anthropologie und Geschichte in Mexiko vom 20. Juni.

Eine der gefundenen Ruinen von der Dschungelvegetation zu befreien, kann jahrelange Arbeit erfordern. Das Bild zeigt die Maya-Tempel der „Plaza Mayor“ im Tikal-Nationalpark, Guatemala. Foto: iStock

Ocomtún – eine „Metropole“ in den Tiefen des Dschungels

Mithilfe einer speziellen Lasertechnologie, genannt „LiDAR“, wurden fast 3.000 Quadratkilometer üppiger Dschungel erforscht. Mit dieser Technologie lassen sich die überwucherten Gebäude durch Reflexion von Laserstrahlen auffinden. Nachdem die Forscher sich anhand dieser Angaben einen Weg durch sechzig Kilometer Dschungel gebahnt hatten, sahen sie die Maya-Ruinen schließlich mit eigenen Augen.

Dort gab es zahlreiche Steinsäulen. Inspiriert von diesen Säulen nannten sie die Stätte „Ocomtún“ („Steinsäule“) auf Yucatec-Mayanisch. Der Pressemitteilung zufolge könnten sich diese markanten Säulen einst an den Eingängen zu den oberen Stockwerken der Maya-Gebäude befunden haben.

Das riesige Gebiet von Ocomtún wird noch erforscht. Im südöstlichen Teil gibt es drei Hauptplätze, die von hoch aufragenden Gebäuden und Terrassen umgeben sind. „Zwischen den beiden Hauptplätzen befindet sich ein Komplex aus verschiedenen niedrigen und länglichen Strukturen, die in fast konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Dazu gehört auch ein Platz für ein Ballspiel“, schreibt Šprajc.

Das umfangreichste Bauwerk in dem Gebiet ist eine rektanguläre Akropolis mit einer Seitenlänge von 80 Metern und einer Höhe von etwa 10 Metern. Im nördlichen Teil des Komplexes befindet sich eine Pyramide, die sich 25 Meter über das Gelände erstreckt.

In dem Gebiet wurden mehrere Keramikstücke gefunden. Die meisten von ihnen stammen aus der spätklassischen Maya-Periode (600-800 n. Chr.). Ocomtún wurde aber wahrscheinlich in der Zeit zwischen 800 und 1000 n. Chr. vollständig entvölkert. Genauso wie die anderen Maya-Städte.

Karte der Halbinsel Yucatán. Die Entdeckung wurde in der Nähe von Campeche im Nordwesten gemacht. Foto: iStock

Ein Zentrum der klassischen Maya-Ära

Obwohl die Maya-Kultur nachweislich bis etwa 2000 v. Chr. zurückreicht, begann die klassische Periode viel später. Sie erstreckte sich über fast eintausend Jahre, gerechnet ab zweihundert Jahren nach Christus.

Die neu entdeckte Stadt Ocomtún könnte nach Ansicht von Forschern genau in dieser Periode eine wichtige Rolle in der Region Yucatan gespielt haben. Von einem zentralisierten Einheitsstaat konnte man zu dieser Zeit jedoch nicht wirklich sprechen. Die Maya lebten damals in Stadtstaaten. Sie wurden von Königen angeführt, die auch sakrale Macht hatten. Dabei war ihre Kultur hoch entwickelt, was Religion, Astrologie, Handwerk, Schrift und vieles mehr anbelangt.

Die Entschlüsselung des alten Maya-Kalenders ist eine Herausforderung für moderne Forscher. Foto: iStock

Obwohl die Aufzeichnungen über ihre Vergangenheit von den spanischen Eroberern weitgehend zerstört wurden, wissen wir doch einiges über die Maya-Gewohnheiten. So haben sie zum Beispiel sehr gerne eine uralte Version von Schokolade genossen, viele Saunas besucht und besondere Ballspiele veranstaltet. Der Glaube an die göttliche Welt spielte in ihrem Leben eindeutig eine zentrale Rolle. Wegen Opfergaben werden sie oft als ein barbarisches Volk beschrieben.

Vermutlich waren diese Stadtstaaten nicht sehr friedlich. Theorien, die die spätere Entvölkerung der Maya-Städte zu erklären versuchen, beziehen sich dabei auch auf diese Auseinandersetzungen und auf den moralischen Untergang der Kultur.

Wandgemälde, das im Muralsa-Tempel an einer alten Maya-Ausgrabungsstätte in Bonampak, Chiapas, Mexiko, gefunden wurde. Das Gemälde stammt aus dem Jahr 790 n. Chr. und stellt eine Kriegsszene dar. Foto: iStock

Noch heute gibt es jedoch Bevölkerungsgruppen, die sich selbst als Nachfahren dieser alten Maya betrachten. Guatemala hat einen Anteil von 40 Prozent Maya an seiner Bevölkerung. Aber es gibt auch Gebiete in Südmexiko und auf der Halbinsel Yucatan, in denen die Mehrheit der Bevölkerung moderne Maya ist.

Ivan Šprajc – Der „slowenische Indiana Jones“ als Expeditionsleiter

Überraschend wirkt es vielleicht für viele, dass der Expeditionsleiter nicht mexikanisch oder amerikanisch, sondern slowenischer Herkunft ist. Der Fachexperte Ivan Šprajc hat aber durchaus Erfahrung in Mexiko gesammelt. Er begann mit seinen Forschungen und Abenteuern dort bereits in den 70er-Jahren, als er selbst noch Student war.

Joe Ball, Professor für Anthropologie und Archäologie an der Staatsuniversität San Diego, beschrieb seinen Kollegen in einem Interview mit dem slowenischen Portal „slonnect.com“ mit den Worten:

Ivan ist einer der letzten, wenn nicht der letzte, der großen romantischen Abenteurer in der Archäologie.“

Nachdem der Abenteurer – ebenfalls in Mexiko – seinen Doktor gemacht hat, haben Šprajc und sein Team seit 1996 rund 80 Maya-Städte erforscht. Über den aufregendsten Teil seines Berufs sagte er dem österreichischen Sender ORF bei einer Buchvorstellung vor ein paar Jahren:

„Besonders aufregend ist es zu wissen, dass es da etwas gibt. Aber wir wissen nicht, was wir finden werden. Erst wenn wir dort sind, können wir wissen, was wir alles entdeckt haben. Das ist immer eine große Überraschung und natürlich eine Entschädigung für all die Schwierigkeiten.“

Das positive Erbe der Maya-Kultur ist auch heute noch lebendig, hier in Form der Vorbereitung auf das traditionelle Dampfbad, „Temazcal“. Foto: iStock



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