Perus Politik vor 1.100 Jahren: Durch Halluzinogene und Alkohol freundlich gestimmt?

Archäologen glauben, dass ein „politischer“ Trank aus Bier und Halluzinogenen den antiken Wari-Anführern half, Bündnisse zu fördern und ihre Macht in den Anden Perus über Jahrhunderte zu halten.
Peruanische Keramikgefäße. Servierten die Wari darin Halluzinogene und Alkohol?
Peruanische Keramikgefäße. Servierten die Wari darin Halluzinogene und Alkohol?Foto: iStock
Von 12. März 2022

Zwischen 600 und 1000 nach Christus erstreckte sich das Wari-Reich über das grüne Hochland des heutigen Peru. Über 400 Jahre schmiedeten Anführer politische Bündnisse und waren eine der bedeutendsten Kulturen in den Anden. Lag das Geheimnis ihres Erfolgs in bewusstseinsbeeinflussenden Substanzen wie Halluzinogenen oder Alkohol?

Archäologen halten dies nach neuesten Forschungserkenntnissen für wahrscheinlich. Laut ihrer Hypothese könnten die Wari einst ihren Gästen bei großen Festen alkoholische, mit Halluzinogenen versetzte Getränke serviert haben. Dies könnte dazu gedient haben, ihre Herrschaft und Stellung als Lieferanten der Droge zu stärken.

„Jahrtausendelang dienten Feste dazu, die politische Kontrolle in den Anden zu festigen“, sagt Justin Jennings, Autor der Studie und außerordentlicher Professor für Anthropologie an der Universität von Toronto.

Die Nadel im Heuhaufen

Auf dieses Geheimnis stießen die Archäologen während Ausgrabungen im heutigen Quilcapampa (Peru), einem etwa 1.100 Jahre alten, siedlungsartigen Außenposten der Wari. Neben Keramik fanden die Archäologen mehr als eine Million botanische Überreste. Darunter waren vor allem enorme Mengen an Früchten des Peruanischen Pfefferbaums (Schinus molle; auch Molle-Baum genannt) sowie erstmals wenige Samen des Vilca-Baumes (Anadenanthera colubrina).

Früchte des Vilca-Baumes (Anadenanthera colubrina, links) und des Peruanischen Pfeffers (Schinus molle, rechts). Foto: João Medeiros (CC BY 2.0), Cristofor Ferrandis (CC BY-SA 4.0)

Die Verwendung der Früchte und Samen ist bereits seit Jahrtausenden üblich. So brauten die Menschen Südamerikas aus den Früchten des Molle-Baums ein bierähnliches Getränk namens „Chicha“. Vilca wird dagegen seit mindestens 4.000 Jahren geraucht oder als Schnupftabak verwendet, wie eine alte Pfeife aus der argentinischen Inka-Höhle beweist.

Kombiniert man diese beiden Rauschmittel miteinander, könnte die psychoaktive Wirkung sogar noch stärker wirken als allein, so die Forscher.

Beeindrucken oder beeinflussen?

Doch was versprachen sich die Wari-Eliten vom Vermischen der beiden Drogen und der Abhaltung aufwendiger Feste für ihre Nachbarn? Laut den Archäologen könnte der Verwendung der berauschenden Mischung eine ausgeklügelte und umfassende Strategie zugrunde liegen.

Im späten 9. Jahrhundert wanderte eine Handvoll Familien aus dem Wari-Kernland weiter nördlich in die Berge aus und errichtete Quilcapampa. Um ihren Einfluss zu stärken und neue Bündnisse mit den dort ansässigen fremden Gruppen zu schließen, könnte die Chicha-Vilca-Mischung benutzt worden sein, so die Archäologen. Dies könnte nicht nur den Beginn neuer Freundschaften, sondern auch den politischen Aufstieg der Wari bedeutet haben.

Während der für den Chicha verwendete Molle-Baum in der Nähe von Quilcapampa wuchs, mussten die Vilca-Samen erst von weit her importiert werden. „Diese Samen wurden in tropischen Wäldern an oder in der Nähe der östlichen Flanken der Anden gesammelt. Um sie nach Quilcapampa zu bringen, bedurfte es eines weitreichenden Handelsnetzes“, so die Forscher in ihrer Studie.

Dies gelang den Wari-Anführern durch die alleinige Kontrolle der Handelswege und Lama-Karawanen, die die begehrten Waren transportierten. Mit ihrer Gastfreundschaft boten die Wari-Anführer also ein einzigartiges Erlebnis, das anderswo nicht verfügbar war und von niemandem nachgeahmt werden konnte.

„Es war ein wichtiger Teil der sozialen Bindung zwischen Wari-Gastgebern und einheimischen Gästen. Die Einheimischen wurden zu den Festen der Wari eingeladen und standen in der Schuld der Gastgeber“, so Matthew Biwer, Mitautor der Studie zu Live Science.

Vilca – eine privilegierte Droge

Der Gebrauch von Halluzinogenen ist in Südamerika bereits in der Formationszeit beziehungsweise dem sogenannten Frühen Horizont (900 – 300 v. Chr.) belegt. Hier stand diese rare Ware nur einer exklusiven Elite wie den Priestern zur Verfügung. Durch ihr Spezialwissen bezüglich der Beschaffung und Zubereitung der psychoaktiven Substanz könnte sie so ihre mächtige Rolle im politischen Apparat gesichert haben.

Mehr als 2.000 Jahre später im Inka-Reich des Späten Horizonts (1450 – 1532 n. Chr.) ersetzten alkoholische Getränke die Halluzinogene und spielten kaum mehr eine Rolle im politischen Handeln. Genau zwischen diesen Epochen fällt das Wari-Reich des Mittleren Horizonts, der diese beiden Substanzen miteinander verband.

Neben der Verwendung als Halluzinogen wurden die Vilca-Samen auch als Abführmittel oder zur Behandlung von oberen Atemwegsinfektionen verwendet. Weiterhin lieferte der Vilca-Baum Holz als Baumaterial, Farbstoffe, Papier oder Gerbstoffe für die Lederherstellung.

Die Studie erschien in der Fachzeitschrift „Antiquity“.



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