Wer Hass sät, wird Hass ernten

Am 15. Januar vor genau 100 Jahren wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet. Der Dresdner Journalist und Schriftsteller Torsten Preuß erzählt wie es dazu kam.
Titelbild
Die Kommunisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg auf einer Briefmarke verewigt.Foto: istock
Von 10. Januar 2019

Eigentlich war die Revolution zu Ende, der Weltkrieg vorbei, die Monarchie abgeschafft und Deutschland sollte zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Demokratie werden. Wie Amerika. So freuen sich die Deutschen im Dezember 1918 schon auf die ersten freien Wahlen ihres Lebens. Nur die unter ihnen, die am 09. November für das genaue Gegenteil auf die Straße gegangen waren wollen den Ausgang nicht akzeptieren. Sie kämpfen weiter dafür, dass Deutschland nicht das nächste Amerika wird, sondern die nächste Sowjetunion.

Dort hatte ihr großes Vorbild, der Genosse Lenin, ein Jahr vorher in Petrograd den Kommunisten aller Länder gezeigt, wie man aus einer Demokratie eine Diktatur macht. Mit einem Staatsstreich, den die Kommunisten bis heute am liebsten die „Große Sozialistische Oktoberrevolution“ nennen, hatte er aus Russland den ersten kommunistischen Staat auf Erden gemacht. Seitdem herrscht dort der „rote Terror“, ganz nach Lenins Lieblingsregel:

Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wird an die nächste Wand gestellt.“

In Deutschland haben sich seine treusten Anhänger im ‚Spartakusbund‘ zusammengeschlossen. Angeführt vom ‚Traumpaar der deutschen Arbeiterbewegung‘, Karl Liebknecht, dessen Vater noch mit Marx Schach gespielt hat und Rosa Luxemburg, die gerne sagt:

Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden.“

Die ist im Kommunismus aber nicht vorgesehen. So wundert es niemand, dass die Genossin Luxemburg die ausgerufenen Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung im besten marxistischen Sinne kommentiert:

„Von der ‚Deutschen Tageszeitung‘, der ‚Vossischen‘ und dem ‚Vorwärts‘ bis zur unabhängigen ‚Freiheit‘, von Ebert über Scheidemann bis Hase ertönt ein einmütiger Ruf nach einer gewählten Nationalversammlung und ein ebenso einmütiger Angstschrei vor der Idee: die Macht in die Hände der Arbeiterklasse. Stattdessen soll das ganze Volk, die ganze Nation dazu berufen werden, über die weiteren Schicksale der Revolution durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden.“

Ein Geschichtsbild, das für eine überzeugte Kommunistin an Dummheit nicht zu überbieten ist:

„Sie stellen sich den Verlauf der gewaltigsten sozialen Revolution, seit die Menschheit besteht, in der Form vor, dass verschiedene Gesellschaftsklassen zusammenkommen, eine schöne ruhige und ‚würdige‘ Diskussion miteinander pflegen, sodann eine Wahl veranstalten und wenn dann die Kapitalistenklasse sieht, dass sie in der Minderheit ist, erklärt sie mit einem Seufzer: Nichts zu machen! Wir sehen, dass wir überstimmt worden sind. Wohlan, wir fügen uns und übergeben unsere gesamten Ländereien, Fabriken, Bergwerke, alle unsere schönen Profite den Arbeitern.“

Das ist mit Wahlen niemals zu erreichen:

„Wer so denkt hat das ABC des Marxismus vergessen. Dass die Kapitalisten nicht eine parlamentarische Partei, sondern eine herrschende Klasse sind, die sich im Besitz sämtlicher ökonomischer und sozialer Machtmittel befindet. Mit denen diskutieren wir weder in einer Nationalversammlung noch über eine Nationalversammlung.“

Sondern auf der Straße, mit einer Waffe in der Hand. Bis:

Zur Expropriation der ganzen Kapitalistenklasse.“

Also ihrer totalen Enteignung. Das ist ja das Ziel aller Kommunisten. Vollendet in der „Diktatur der Arbeiterklasse“. In der gehört ihnen alles, dem Rest nichts mehr. Wie in der Sowjetunion.

Dort hat Lenin allen Kommunisten gezeigt, wie man den roten Traum wahr macht. Erst das Land in einen Bürgerkrieg stürzen und dann in dem Chaos die Macht übernehmen. So glaubt auch die ‚rote Rosa‘ weiter fest an diesen Weg:

„Denn Bürgerkrieg ist nur ein anderer Name für Klassenkampf, und der Gedanke, Kommunismus ohne Klassenkampf, durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluss einführen zu können, ist eine lächerliche Illusion.“

Das geht nur mit einer Revolution. In der gilt:

Wer nicht mit mir ist, ist wider mich, das ist der Grundsatz jeder Revolution.“

Statt die Freiheit der Andersdenkenden. Die wollen in ihrer Mehrheit, dass Deutschland keine Diktatur, sondern endlich eine Demokratie wird.

Deshalb freuen sich die meisten unter ihnen im Dezember 1918 auch auf das ‚erste Weihnachten in Frieden und Freiheit‘. Außer die Matrosen der Berliner ‚Volksmarinedivision‘. Weil das Geschenk, das sie am 23. Dezember von der provisorischen Regierung des Genossen Friedrich Ebert bekommen, keine echte, sondern eine schlechte Bescherung ist. So ganz ohne Geld, so kurz vor Weihnachten? Der Sold, der ihnen noch zusteht, kann nicht ausgezahlt werden. Es reicht nicht mal mehr, die ganze Division am Leben zu halten. Von den 1500 Männern sollen 600 über Weihnachten nach Hause gehen und gleich dortbleiben. Die Aussicht ohne Geld und Arbeit vor der Tür zu stehen, lässt sie lieber die Reichskanzlei besetzen, um die anwesenden Mitglieder der provisorischen Regierung darin festzusetzen. Im Berliner Marstall nehmen sie noch dazu den Berliner Stadtkommandanten Otto Wels als Geisel.

Als amtierender Kanzler bleibt dem Genossen Friedrich Ebert von der SPD nichts anderes übrig. Er schickt genug Soldaten, um die Reichskanzlei wieder zurückzuerobern. 67 Menschenleben gehen dabei verloren. Soviel kostet der Entschluss den Beschluss wieder zurückzunehmen. Danach bleibt die Volksmarinedivision in voller Stärke erhalten. Die Matrosen geben alle Geiseln wieder frei und Ebert lässt die Soldaten wieder abziehen. Dass er sie überhaupt losgeschickt hat, ist für die Genossen der USPD in der provisorischen Regierung der Grund sie zu verlassen. So werden ihre drei Sitze nach den ‚Weihnachtsunruhen‘ frei.

Einen davon bekommt die neue rechte Hand des Kanzlers, der Genosse Gustav Noske, bis dahin in der SPD der ‚Wehrbeauftragte‘, also ihr Mann für die Waffen. So hat er immer noch beste Verbindungen zur Armee. Obwohl die Generäle die Genossen seit dem übereilten Friedensschluss nicht mehr leiden können, Noske ist eine Ausnahme:

Er war unseren Wünschen gegenüber nie abgeneigt.“

Heißt es im Heer über ihn. So erzählt ihm General Groener auch, dass die Matrosen der Berliner Volksmarinedivision nicht die Einzigen sind, die einer unsicheren Zukunft entgegenblicken:

„Seit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes mit den westlichen Alliierten muss der deutsche Generalstab die gesamte westliche Front, zwei Millionen Soldaten, zurück über den Rhein führen. Einmal über den Fluss schmelzen die Einheiten einfach weg.“

Ins Irgendwo der unsichtbaren Masse. Bevor sie darin untergehen, lässt sie Noske wieder auferstehen. In seiner eigenen Armee. Den so genannten ‚Freiwilligen – Korps‘, die jetzt an der Heimatfront für Deutschland kämpfen. Damit es eine Demokratie wird. Statt eine Diktatur.

Wie Karl und Rosa sie weiterhin errichten wollen. Der Aufstand der Marinesoldaten hat sie darin nur bestärkt. Es scheint noch nicht aller Frieden Abend. Also treffen sich die Radikalsten unter den deutschen Genossen am 29. Dezember zur ‚Reichskonferenz des Spartakusbundes‘. Um aus ihm etwas Größeres zu machen als nur das Auffangbecken der frustriertesten deutschen Arbeiterseelen, von denen etwas mehr als 100 aus 56 Orten dem ‚Hauptreferat der Genossin Luxemburg‘ lauschen. Zwei Tage und Nächte streiten sie sich darüber und am Neujahrsmorgen 1919 ist es dann soweit. Die nächste Arbeiterpartei in Deutschland existiert. Neben den Sozialdemokraten der SPD und den Unabhängigen von der USPD gibt es jetzt die Genossen der KPD, für ‚Kommunistische Partei Deutschlands‘. Die halten von Wahlen so viel wie ihre Vorbilder in Moskau. Die anwesende Mehrheit auf dem Gründungskongress entscheidet, die ausgerufenen Wahlen zur Nationalversammlung zu boykottieren. Statt an der Urne soll die Macht weiterhin auf der Straße erobert werden. Nur vier Tage später sehen sie die Chance.

Genosse Ebert entlässt als Kanzler den Genossen Eichhorn als Berliner Polizeipräsident, weil der bei den ‚Weihnachtsunruhen‘ nicht auf seiner Seite stand. Weil er als Mitglied der USPD eher auf Seiten der KPD ist. Die rufen mit der USPD ‚die Werktätigen und Soldaten zu Aktionen für die Rücknahme der Absetzung des Genossen Emil Eichhorn‘ auf. Zehntausende formieren sich am nächsten Tag in der Berliner Siegesallee und marschieren zum Polizeipräsidium. Von dort aus geht es zur großen Abschlusskundgebung in den Germaniafestsälen in der Chausseestraße. Emil Eichhorn hält eine Rede und danach entscheiden sich die Genossen um Liebknecht, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, sich einfach selbst an die Macht zu putschen.

Unter Führung Liebknechts wird ein 53 Mann starker Revolutionsausschuss gebildet, der im Marstall zusammenkommt. Rosa mahnt:

„Es ist keine Zeit mehr zu verlieren. Es müssen sofort durchgreifende Maßnahmen vorgenommen werden. Den Massen, den revolutionstreuen Soldaten müssen klare und rasche Direktiven gegeben, ihrer Energie, ihrer Kampflust müssen die richtigen Ziele gewiesen werden. Die schwankenden Elemente unter den Truppen können nur durch entschlossenes, klares Handeln der revolutionären Körperschaften für die heilige Sache des Volkes gewonnen werden.“

Soll heißen: Den vielen revolutionären Worten müssen jetzt revolutionäre Taten folgen. Deshalb:

Handeln! Handeln! Mutig, entschlossen, konsequent – das ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit.“

Um in Deutschland eine Diktatur zu errichten. Angeführt von ihnen. Einer Minderheit, die das nicht einsehen will. Die besetzt in der Nacht zum 06. Januar 1919 die ‚strategisch wichtigen Punkte‘ in Berlin. Nacheinander übernehmen die Kommunisten das Brandenburger Tor, das Proviantamt und das Haupttelegrafenamt, den Anhalter-, Potsdamer- und Schlesischen Bahnhof und die Druckereien im Berliner Zeitungsviertel rings um die Kochstraße.

Ihnen gegenüber steht Noske und seine Armee aus Freiwilligen. Ausdrücklich zusammengestellt um die ‚Bolschewistische Gefahr in Deutschland zu bekämpfen‘. Wie das am einfachsten geht hat er in einer Kabinettssitzung über die ‚Leitlinie der SPD-Freikorpspolitik’ mit diesen Worten zusammengefasst:

Schießen! Und zwar auf jeden, der der Truppe vor die Flinte läuft.“

Ein anwesender preußischer Beamter, der schon einiges erlebt hat in Deutschland, sagt danach:

So ändern sich die Zeiten.“

Der Genosse Noske dagegen sagt nur:

Einer muss der Bluthund sein. Ich scheue mich der Verantwortung nicht.“

Für alle, die seiner Truppe vor die Flinte laufen. Ab jetzt auch die Genossen der KPD, die sich immer noch am liebsten ‚Spartakisten‘ nennen.

Einer davon ist der Berliner Schriftsteller Franz Jung, unterwegs mit denen, die das Berliner Zeitungsviertel besetzt halten:

„Es hat sich dabei keineswegs um eine organisierte Aktion gehandelt – eine von Grund aus spontane Reaktion von Arbeitern die ihr Gewehr bei er Demobilisation mit nach Hause genommen hatten. Für alle Fälle. So habe ich an den Maschinengewehren Leute aus allen Berufsschichten angetroffen. Arbeiter und Arbeitslose, Angestellte und Studenten – die meisten waren überhaupt nicht organisiert. Der Kommandant der Gruppe, die das Mossehaus besetzt hatten, Fritz Drach, war als Vize – Feldwebel gerade erst aus dem Heer entlassen wurden, eine bestimmte politische Richtung hatte er nicht.“

Ähnlich wie die vielen, die der nächsten Revolution in Deutschland lieber nur wie im Kino folgen:

„Als wir die Gebäude rings um die Kochstraße hielten und aus den Fenstern auf die vom Halleschen Tor heranrückenden Noske-Truppen schossen, hatten sich in den umliegenden Häusern und Kneipen Hunderte von Neugierigen eingefunden, um sich das Schauspiel anzusehen.“

Auch in der Leipziger Straße, Unter den Linden, am Potsdamer Platz und an der Reichskanzlei. Unter neugierigen, aber weiterhin untätigen Blicken des Volkes wird gekämpft und gestorben ‚im Namen des Volkes‘. Weil sich die Leichen schon stapeln, fordert Liebknecht im Marstall:

Wir brauchen Verstärkung.“

Ein Flugblatt wird gedruckt und am nächsten Tag an die Soldaten in den Kasernen verteilt:

Die Regierung Ebert ist abgesetzt! Ab jetzt regiert der Revolutionsausschuss!

Dem wollen aber nicht mal die Soldaten folgen. Weil die meisten gar keinen Grund haben. Ähnlich wie die allermeisten anderen Deutschen auch nicht. Der Krieg ist aus, der Kaiser abgehauen und Deutschland wird eine Demokratie. Wozu dann noch mal schießen, kämpfen, sterben? So bekommt Liebknecht die Nachricht:

Keine der Truppen ist übergelaufen.“

Gustav dem ‚Bluthund‘ Noske sind sie dagegen zugelaufen. Als Mitglieder seiner Freiwilligen – Armee. So ist er jetzt ‚Oberbefehlshaber aller Berliner Truppen‘. Ausgestattet mit ‚außerordentlichen Vollmachten‘ bereitet er in seinem Hauptquartier im Dahlemer Luisenstift in der Podbielskiallee Ecke Königin-Luise-Platz, den Gegenangriff vor:

Wir müssen jetzt rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machen.“

Die Freikorps stürmen zusammen mit den Regierungstruppen den Anhalter Bahnhof, das Brandenburger Tor, die Eisenbahndirektion, die Reichsdruckerei und das Spandauer Rathaus. Allein dort werden 63 Spartakisten festgenommen und ‚hingemordet in einer Weiße, dass Schädel und Hirn herumspritzten‘, wie sich ein Augenzeuge danach im ‚Spandauer Volksblatt‘ erinnert. Der Revolutionsausschuss unter Liebknecht erinnert dagegen:

Es muss weiter gekämpft werden bis aufs Letzte! Gebraucht die Waffen gegen eure Todfeinde!“

Die werden vom ‚Bluthund‘ angeführt. Der lässt auch gerne schießen:

Auf alles was der Truppe vor die Flinte läuft.“

Wie die, die das Zentralorgan der SPD ‚Vorwärts‘ besetzt halten. Die rund 600 Spartakisten in dem Gebäude schießen drei Stunden lang zurück, dann schicken sie fünf Vertreter mit weißen Fahnen nach draußen. Wie es denen ergeht? Dass erfährt Rosa:

„Obwohl sie über die Übergabe des ‚Vorwärts‘ verhandeln wollten, sind sie von der Regierungs-Soldateska mit Kolben bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet wurden, so dass die Identifizierung ihrer Leichen danach unmöglich war.“

Als im Papierlager ein Feuer ausbricht gelingt es Noskes Truppen in das Haus einzudringen. 300 werden verhaftet, den lautesten unter ihnen geht es wie den Gefangen in Spandau:

An die Wand gestellt und in einer Weise hingemordet, dass Schädel und Hirn herumspritzten.“

Angeführt vom Genossen ‚Alle Erschießen!‘ Noske, der sich auch weiterhin nicht von seinem Weg abbringen lässt:

„In Berlin hat eine Woche lang eine Schlacht mit allen ihren Schrecken getobt. Ich kann nun mitteilen, dass der Aufstand niedergeschlagen ist. Um neues Blutvergießen zu verhindern habe ich einen Erlass erteilt, den ich nur schweren Herzens unterzeichnet habe. Der lautet: Jede Person, die mit einer Waffe in der Hand gegen Regierungstruppen vorgeht, ist sofort zu erschießen. In höchster Not habe ich mich zu dieser Anordnung entschlossen, aber ich darf die Abschlachtung einzelner Soldaten nicht weiter dauern lassen. Es steht fest das Bestien in Menschengestalt sich ausgelassen haben, wie Amokläufer. Ich musste den Versuch starten diesen Bestialitäten Einhalt zu bieten, durch die Anwendung härtester Abschreckungsmittel. Die Ansichten der Juristen über die rechtliche Zuverlässigkeit der Verfügung gehen auseinander, aber ich lasse mich auf juristische Zankereien nicht ein. Wenn in den Straßen tausende Menschen die Waffen gegen die Regierung führen, Mörder und Plünderer Orgien feiern, besteht ein Zustand außerhalb jedes Rechts. So habe ich getan, was ich gegenüber dem Volk und dem Reich für meine Pflicht halte. Ich scheue das Urteil der Nation nicht.“

Das der untergetauchten Rosa kann er danach im Zentralorgan der KPD ‚Rote Fahne‘ lesen:

„Ordnung herrscht in Berlin! So verkündet triumphierend die bürgerliche Presse, verkünden Ebert und Noske, verkünden die Offiziere der ‚siegreichen Truppen‘ denen der Berliner kleinbürgerliche Mob in den Straßen mit Tüchern winkt und mit Hurra! zujubelt.“

Mit denen wird man nie eine Revolution gewinnen. Im Gegenteil, wie Rosa meint:

„Alles pflaumenweiche Elemente. Die schon fleißig am Werke sind, um ‚Verhandlungen‘ anzubahnen, um Kompromisse herbeizuführen, um über den blutigen Abgrund, der sich zwischen der Arbeiter- und Soldatenmasse und der Regierung Eberts aufgetan hat, eine Brücke zu schlagen, um die Revolution zu einem ‚Vergleich‘ mit ihren Todfeinden zu verleiten. Dabei ist es ein inneres Lebensgesetz der Revolution, nie beim erreichten Schritt in Untätigkeit, in Passivität stehen zu bleiben. Die beste Parade ist ein kräftiger Hieb zurück.“

Ins Gesicht oder über den Kopf jedes Andersdenkenden. Kein Wunder, dass sie von denen nur noch die ‚blutige Rosa‘ genannt wird. Für die ist jeder ein Feind der nicht so denkt wie sie. Obwohl sie doch am liebsten sagt:

Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden.“

Hätte sie sich selbst darangehalten, vielleicht hätten die sie dafür sogar gewählt. Aber so? Kommt es wie es kommen muss. Wer Hass sät, wird Hass ernten.

Gefunden haben sie Rosa und Karl schon. Obwohl nur wenige Genossen wussten, wohin die beiden nach ihrem gescheiterten Staatsstreich abgetaucht waren. Aber ‚Verrat aus den eigenen Reihen‘ hat dafür gesorgt, dass die Soldaten der Garde-Kavallerie- Schützen-Division am Nachmittag des 15. Januar 1919 einen Tipp erhalten:

Die beiden verstecken sich in einem Haus in Wilmersdorf.“

Danach rufen die Soldaten ihren Vorgesetzten Hauptmann Pabst an. Der hat sein Hauptquartier gleich um die Ecke, im Hotel Eden. Völlig überrascht von der Nachricht befiehlt er, beide erst mal ins Hotel zu bringen:

Ohne großes Aufsehen.“

Dann ruft er seinen Vorgesetzten Noske an. Der ist genauso überrascht als Pabst ihm sagt:

Wir haben sie.“

„Den Psychopathen?“

So nennt Noske Liebknecht am liebsten. Über Rosa denkt er ähnlich. Dass die beiden aus dem Verkehr gezogen sind, freut ihn schon deshalb. Aber: Was nun? Genosse Noske? Das ‚Traumpaar der deutschen Arbeiterbewegung‘ einfach so erschießen? Um in Deutschland die bolschewistische Gefahr schon im Keim zu ersticken? Pabst fragt Noske:

Geben Sie den Befehl?“

„Dann würde die SPD zerbrechen, denn für solche Maßnahmen ist sie nicht und unter keinen Umständen zu haben. Rufen Sie doch General Lüttwitz an. Soll der den Befehl geben.“

Ohne Zustimmung aus der Reichsregierung gibt er den nie.“

Längere Pause. Solange bis Noske sagt:

Dann müssen Sie eben selbst wissen, was zu tun ist.“

Soll heißen, dafür will er die Verantwortung dann doch nicht übernehmen. Er hat nur nichts dagegen. Dass die beiden ‚Psychopaten‘ für immer aus dem Verkehr gezogen werden. Wie, das soll Pabst selbst entscheiden.

Er ruft eine Einheit Offiziere der Marinedivision Pflugk – Harttung an. Die gelten als ‚Elite‘, genau die richtigen für einen Job wie diesen. In Uniformen einfacher Soldaten kommen sie etwa zur gleichen Zeit wie Karl und Rosa im Hotel Eden an. Im Zimmer von Pabst wird entschieden, was mit den beiden geschehen soll. Ganz nach Plan fahren danach ein paar Auserwählte mit Liebknecht in den Tiergarten. In eine Ecke, in der es besonders dunkel ist, wird Karl ‚auf der Flucht‘ erschossen. Von drei Schüssen in Rücken und Hinterkopf getroffen, bricht er zusammen.

Aber um Deutschland vor dem Bolschewismus zu retten muss auch die rote Rosa ausbluten. Die ist Zeit ihres Lebens schon gehbehindert. Und eine Gehbehinderte ‚auf der Flucht‘ erschießen? Lieber erschlagen. Das erste Mal als sie aus dem Hotel geführt wird. Sie fällt schon danach in Ohnmacht. Der nächste Hieb über den Kopf trifft sie im Auto und zur ‚Sicherheit‘ gibt es auch noch eine Kugel in den Kopf. Ihr lebloser Körper landet danach in der eiskalten Spree. Soldaten, die gerade am Landwehrkanal stehen, folgen einfach dem Befehl der Offiziere. Ohne zu wissen, wer das Bündel Mensch ist, das sie aus dem Auto tragen und übers Geländer werfen.

Wie es ihren Anhängern danach geht, sagt Franz Jung:

„Der Doppelmord der SPD an Karl und Rosa Mitte Januar 1919 hat zwar die Sammlungsbewegung nicht aufgehalten, aber die bereits in der Organisation als politische Partei befindliche KPD sah sich danach der aktiven Spitze beraubt, der Stoßtrupp-Planung, der Rücksichtslosigkeit gegen das Bestehende und der Überzeugungskraft, neue revolutionäre Gesetzmäßigkeiten zu schaffen.“

Um aus Deutschland doch noch eine Diktatur zu machen. Wie in der Sowjetunion. Dass es nicht schon im Januar 1919 dazu kam, hat Deutschland den Männern um Waldemar Pabst zu verdanken, der sich danach beklagt:

Dafür sollten diese deutschen Idioten mir und Noske eigentlich auf den Knien danken, uns Denkmäler setzen und nach uns Straßen und Plätze genannt haben.“

Stattdessen ist es bis heute andersherum. Auch 100 Jahre danach sind Straßen und Plätze noch nach Karl und Rosa benannt. Zwei Menschen, die mit aller Gewalt aus Deutschland eine Diktatur machen wollten.

Über den Autor: Torsten Preuß arbeitete als politischer Redakteur im Stern, Reporter für Spiegel-Special, ‚Kennzeichen D’ im ZDF und war einer der Autoren der ORB-Großdokumentation ‚Chronik der Wende’. Danach war er Korrespondent für Zeitung und Fernsehen in Australien. Seit seiner Rückkehr lebt er als Journalist und Schriftsteller in Dresden. Sein Buch „Eine Liebe zwei Welten“ findet man HIER.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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