Inklusion – Fluch oder Segen?

An der Wand hängt ein hübsch bemaltes Plakat: "Hör auf dein Gefühl", verkündet es. Fridolins Gefühl sagt ihm aber jetzt gerade, dass er keine Lust auf Mathe hat. Dies kommuniziert er auch laut in den Raum: "Mathe ist scheiße!". Dabei wirft er das Lehrbuch auf den Boden, die Klasse wird wieder unruhig ...
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Autisten haben im Allgemeinen Schwierigkeiten mit der Sprache oder der Verständigung, mit Sozialkompetenz und im Verhalten. Sie reagieren kaum auf Fragen oder Bitten, meiden Blickkontakte und sind sehr anfällig für Reizüberflutungen (Symbolbild).Foto: iStock
Von 4. Oktober 2018

Wütend tritt Fridolin vor den Stuhl, sodass der gegen den Tisch knallt. „Ich will das jetzt nicht“, schreit er und hämmert dabei mehrfach auf die Tischplatte. Die anderen Kinder stehen ruhig da. Noch.

Auch der Lehrer ist am frühen Morgen noch gelassen und wartet geduldig darauf, dass die Schulbegleiterin von Fridolin die Lage wieder beruhigt. „Schau mal“, redet sie mit Engelszungen auf ihn ein, „die anderen Kinder wollen doch jetzt mit dem Unterricht anfangen. Bitte beruhige dich!“ Doch Fridolin kann sich jetzt nicht beruhigen. Das ist Teil seines Krankheitsbildes, manche Autisten sind eben auffällig aggressiv. Dagegen kann auch die Schulbegleiterin und der Lehrer ersteinmal nichts machen.

Nachdem nun schon viele Minuten vergangen sind und Fridolin sich dann doch entschließen kann, zusammen mit den anderen Kindern den Lehrer zu begrüßen, kann der Unterricht nun endlich beginnen. Trotzdem hat sich die Laune des 13- jährigen mit diagnostizierten sonderpädagogischem Förderbedarf nicht wesentlich gebessert. Und Mathe liegt ihm eh nicht.

An der Wand hängt ein hübsch bemaltes Plakat. „Hör auf dein Gefühl“, verkündet es. Fridolins Gefühl sagt ihm aber jetzt gerade, dass er keine Lust auf Mathe hat. Dies kommuniziert er auch laut in den Raum: „Mathe ist scheiße!“. Dabei wirft er das Lehrbuch auf den Boden. Die Klasse wird wieder unruhig. Viele Kinder drehen sich um und hören interessiert zu wie die Schulbegleiterin wieder mit viel Geduld auf ihren Schutzbefohlenen einredet. An Unterricht ist im Moment nicht zu denken. Auch der Lehrer versucht geduldig auf Fridolin einzuwirken. Ohne Erfolg.

Zeter und Mordio. Weh und Ach!

Es hilft alles nichts. Geistesgegenwärtig schlägt die Schulbegleiterin Fridolin vor mit ihm in den Spieleraum zu gehen. Der willigt schließlich ein und nachdem die Hälfte der Stunde vergangen ist, kehrt nun endlich Ruhe in die Klasse ein. Mathe kann nun beginnen. Oder besser gesagt: „könnte“ nun beginnen, denn nun muss der Lehrer erneut die Fragen der anderen Kinder beantworten. „Warum darf Fridolin während des Unterrichts in den Spieleraum und wir nicht?“ Und wieder muss der Lehrer versuchen, derartige Diskussionen zu unterbinden.

In der zweiten Stunde gibt es Englisch. Das mag Fridolin eigentlich und er lässt sich von seiner Schulbegleiterin überreden daran teil zu nehmen. Pünktlich sind beide nun wieder in der Klasse. Der Unterricht kann beginnen.

Oder besser gesagt „könnte“ nun beginnen, denn nun meldet sich Fridolin vehement zu Wort: „Bernd-Ansgar hat geguckt“, ruft er lauthals in die Klasse. Der dreht sich zu Fridolin um und ist sich keiner Schuld bewusst. „Da, der guckt schon wieder so!“ Bernd-Ansgar fühlt sich schlecht. Eigentlich möchte er sich rechtfertigen und die Sache klar stellen. Doch wer möchte sich denn schon dem Verdacht ausgesetzt wissen, einen Autisten geärgert oder gar diskriminiert zu haben!?!

Diskussionen. Zeter und Mordio. Weh und Ach!

In diesem „Gespräch“ melden sich nun mehrere andere Kinder zu Wort und bestätigen, dass der Beschuldigte mitnichten etwas böses in Fridolins Richtung ausgesandt hat. Und alle sind froh, als die Schulbegleiterin zum wiederholten Mal erklärt, das Autisten leider gelegentlich Mimik und Körpersprache ihres Gegenüber falsch verstehen. Das ist nun mal Teil seines Krankheitsbildes.

Trotzdem sind wieder 20 Minuten der Unterrichtszeit vergangen. Wertvoller Unterrichtszeit die nie wieder kommt. Und so geht das täglich. Wöchentlich. Monatlich. Jährlich. So wird Zeit, die eigentlich für die Bildung unserer Kinder gedacht ist, mit Diskussionen, Erklärungen und teilweise auch mit sinnlosen Streit vergeudet. Die Leidtragenden sind die nicht behinderten Kinder und Jugendlichen in den Regelschulen unseres Landes – und deren Bildung. Vor allem deren Bildung.

Dabei sind viele Bildungspolitiker und Lehrkräfte heute davon überzeugt das Kinder am besten lernen, wenn ihre Mitschüler ungefähr die gleichen Fähigkeiten haben wie sie selbst. Zerstört man die altbewährten, homogenen Lerngruppen werden leistungswillige Schüler ausgebremst. Wird das Lernniveau künstlich nach unten gedrückt, dann wird sich der Leistungsstandard der ganzen Klasse – auch der leistungsstarken Schüler – nach unten absenken.

Zusätzliche Hilfen und Kosten

Natürlich gibt es zur Unterstützung der behinderten Kinder die Schulbegleiter. Meist sitzen sie während des Unterrichts neben dem Kind und geben Hilfestellung beim Bearbeiten der Aufgaben. Ständiges Motivieren, Ermutigen und Hilfe beim Strukturieren der Aufgaben sind dabei unerlässlich. Das bringt zusätzliche Unruhe in die Klasse und die nicht behinderten Kinder werden in ihrer Konzentration gestört.

Fühlt sich das Kind mit Handicap gestresst, darf es dann oft den Unterricht verlassen und in einen anderen Raum. Auch das bringt wieder zusätzliche Unruhe. Außerdem kann das Klassenziel – oder später gar ein Abschluss – nicht erreicht werden, wenn ein sowieso schon gehandicaptes Kind einen nicht unwesentlichen Teil des Unterrichts versäumt. Da es aber ein Kind mit einer Behinderung meist schon schwerer hat die Inhalte des Unterrichts zu verstehen, führt eine häufigere Abwesenheit zu Gunsten eines anderen Raumes den eigentlichen Sinn der Inklusion ad absurdum. Dazu kommt noch der Umstand, das Kinder mit einem Handicap meist auch noch häufiger krank sind als ihre Klassenkameraden.

Dabei stehen auch die Lehrkräfte zunehmend unter Druck. Sie müssen neue Unterrichtsmethoden entwickeln und den Unterricht individueller durchführen. Das bedeutet, dass sie Unterrichtsmaterialien für eine Stunde mit verschiedenen Schwierigkeitsniveaus vorbereiten müssen. Leistungsstarke Kinder brauchen dafür Inhalte mit höheren Anforderungen, während leistungsschwache oder lernbehinderte Kinder auf niedrigerem Niveau unterrichtet werden müssen.

Zusätzlich müssen sie berücksichtigen, dass Kinder mit Behinderungen – je nach Schwere der Behinderung – den Unterricht stören oder gar (je nach Krankheitsbild) – die Stunde verlassen. Dazu kommen noch zusätzliche Gespräche mit sonderpädagogischen Lehrkräften und Schulbegleitern, zusätzliche Hilfepläne müssen erstellt und besprochen werden.

Nicht wenige Regelschulen beklagen dabei, dass sie mit der Inklusion in Gänze überfordert sind. Die Schulen müssen barrierefrei umgebaut werden, zusätzliche Räume bereit gestellt werden. Desweiteren fehlt es an qualifiziertem Personal.

Dies alles zusammen kostet Geld. Viel Geld. Einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2012 zufolge bundesweit etwa 660 Millionen – vielleicht sogar bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr. Ganz genau kann das derzeit keiner sagen.

Falscher Ausgangspunkt

Wofür dann eigentlich diese Opfer, diese Mühe und diese immens hohen Kosten?

Die Befürworter behaupten, dass unser Schulsystem durch die Inklusion chancengerechter und leistungsfähiger werden würde. Dabei ist ihr Ausgangspunkt „alle sind gleich; alle müssten gleich behandelt werden und müssten somit auch alle in der gleichen Schule unterrichtet werden“.

Diese Behauptung ist schlicht und ergreifend falsch. Ein behindertes Kind ist einem nicht behinderten Kind eben nicht gleich und kann dem Unterricht aufgrund seines Krankheitsbildes meist nicht im angemessenen Tempo folgen. Dabei haben die Kinder mit einem Handicap meist schon Probleme beim Lernen – und Kinder mit einer Störung in ihrer emotional-sozialen Entwicklung werden innerhalb der Klassen immer wieder für Unterbrechungen und Störungen verantwortlich sein.

Vordergründig werden viele Menschen in unserem Land erst einmal zustimmen wenn sie das Argument „alle sind doch gleich“ hören. Objektiv betrachtet ist die Inklusion an Regelschulen jedoch ein offen geführter Angriff auf die Bildung der nichtbehinderten Kinder.

Dr. Jörg Dräger schrieb in einem Vorwort zur Studie der Bertelsmann Stiftung „Zusätzliche Ausgaben für ein inklusives Schulsystem in Deutschland“ von Prof. em. Dr. Klaus Klemm aus dem Jahr 2012: „Diese völkerrechtliche Verpflichtung zur Inklusion … wird unser Bildungssystem grundlegend verändern. Denn für unser Schulsystem bedeutet das nicht weniger als eine Revolution“, und weiter „das … hat aber auch dramatische Folgen für Staat und Gesellschaft“.

Die dramatischen Folgen sind bei den nicht behinderten Kindern ein signifikanter Rückgang der Bildung. Diese künstlich herbeigeführte Senkung des Bildungsstandards wird dazu beitragen, dass die Schüler der neuen Generationen immer weniger gebildet sind. Sie besitzen weniger Wissen, und ihre Fähigkeit, kritisch zu denken, wird langsam verkümmern.

Es wird für sie schwer sein, mit den Schlüsselfragen des Lebens und der Gesellschaft logisch umzugehen und selbstständig größere Zusammenhänge zu erfassen. Diese Tendenzen sind jetzt schon an unseren Regelschulen deutlich zu sehen und sie werden sich – wenn dem kein Einhalt geboten wird – immer weiter verschärfen.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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