SERIE: 15 Irrtümer über Atomkraft – Teil 11

Teil 11: Strahlende Zukunft mit radioaktivem Abfall
Titelbild
Fortschritt in Wissenschaft und Technik - trotzdem kein Endlager in Sicht?Foto: Josef Jelkic
Von 25. Juni 2006

„Sichere“ Atommülllager für 240.000 Jahre? Tickende Zeitbomben für alle kommenden Generationen. Es ist ein Irrtum zu glauben, Atomkraft sei sauber. Vielmehr entstehen bei der Produktion von Atomstrom große Mengen radioaktiver Abfälle. Die Entsorgungsfrage ist bisher weltweit nicht gelöst, obwohl die Atomindustrie nun bereits mehr als fünf Jahrzehnte daran arbeitet.

Lange Halbwertszeiten erfordern sichere Lagerung über Jahrtausende

Plutonium hat eine Halbwertszeit von rund 24.000 Jahren, Experten halten eine sichere Lagerung über zehn Halbwertszeiten, also 240.000 Jahre, für notwendig, um Gefahren für die Umwelt auszuschließen. Ein „sicheres“ Endlager für Strahlenmüll kann es daher niemals geben. Denn niemand kann heute vorhersagen, wie die politischen und geologischen Verhältnisse auf der Welt in Tausenden von Jahren sein werden. Atommüll bleibt eine tickende Zeitbombe für alle nachfolgenden Generationen. Es ist daher unverantwortlich, weiteren Atommüll zu produzieren ohne eine Endlagerungsmöglichkeit zu haben.

Bei einem typischen AKW (1000 MWe) fallen jährlich etwa 300 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie etwa 30 Tonnen hochradioaktiver Abfall an. Doch Atommüll fällt nicht nur in AKWs an. Der mengenmäßig größte Teil, etwa 80 Prozent der Abfälle, stammt aus dem Uranabbau. Dieser wird meist in der Nähe des jeweiligen Uranbergwerks gelagert. In der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente und bei militärischer Nutzung wird ebenfalls Atommüll produziert. Ein mengenmäßig geringer Anteil hat seinen Ursprung in der Anwendung radioaktiver Substanzen in Medizin, Industrie und Forschung. Die unterschiedlich radioaktiven Abfälle werden international meist in schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle eingeteilt. In Deutschland wird im Hinblick auf die geplanten Endlager nach wärmeentwickelnden Abfällen (Gorleben) und nicht wärmeentwickelnden Abfällen (Schacht Konrad) unterschieden.

Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind bereits in vielen Ländern in Betrieb. Dabei werden die Abfälle meist oberflächennah eingelagert. Für hochradioaktive und langlebige Abfälle, deren Gefährdungspotential viele hunderttausend Jahre bestehen bleibt, wird weltweit die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen verfolgt. Die Lagerung radioaktiver Abfälle soll durch die Konditionierung sicherer werden. Dabei sollen durch verschiedene Behandlungsmethoden die Abfälle in eine möglichst chemisch stabile und in Wasser nicht oder nur schwer lösliche Form gebracht werden. Denn aufgrund der langen Lagerdauer und der Radioaktivität sind die Lagermaterialien nicht dauerhaft in der Lage, die eingebundenen Stoffe zu halten.

Unterirdische Lagerstätten

Favorisiert wird derzeit die unterirdische Lagerung, und zwar in Lagerstätten, die keinen oder nur geringen Wasserdurchfluss haben. Denn hier korrodieren die Lagerbehälter vergleichsweise langsam. Sind die Behälter dann zerfallen, soll auch der Transport der radioaktiven Substanzen durch das Gestein sehr langsam erfolgen. Geologisch auszuschließen sind solche Gebiete, die durch verstärkte Seismizität und Tektonik, erhöhte Hebungsraten, Vulkanismus und junge Grundwässer gekennzeichnet sind. Bis heute besteht aber keine wissenschaftliche Einigkeit darüber, welches Wirtsgestein das am besten geeignete ist. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich dadurch, dass die in Fässer verfüllten radioaktiven Stoffe sehr vielfältig sind und die unterschiedlichsten Reaktionen ablaufen können.

Beispielsweise können Gase entstehen. In einem dicht verschlossenen Endlager würde eine solche Gasentwicklung aber möglicherweise zu einem Druckaufbau führen und damit ein großes Sicherheitsproblem darstellen. Verformbare Wirtsgesteine wie etwa Ton könnten hier die am besten geeignete Lösung sein, allerdings machen Experten auch darauf aufmerksam, dass für stark wärmeentwickelnden radioaktiven Abfall möglicherweise ein hitzebeständiges kristallines Wirtsgestein (Salz oder Granit) das sinnvollste sei.

Dramatische Fehleinschätzung in Deutschland

Unter Geologen galten Salzstöcke sehr lange als ideale Lagerstätten. In Deutschland wurde daher ab 1967 im ehemaligen Salzbergwerk Asse II (Niedersachsen) ein Versuchsendlager betrieben. Heute lagern dort rund 125.000 Fässer mit schwachradioaktiven Abfällen sowie rund 1.300 Fässer mit mittelradioaktiven Abfällen. Am 1. Januar 2002 enthielten die Fässer nach offiziellen Angaben neben anderen Radionukliden 102 Tonnen Uran und 11,6 Kilogramm Plutonium. 1988 wurde ein Wassereintritt in den Salzstock festgestellt, fünf Jahre später wird schon ein Wassereintritt von fünf Kubikmetern pro Tag gemessen. 1994 stellt ein vom niedersächsischen Umweltministerium in Auftrag gegebenes Gutachten fest, ein „nicht beherrschbarer Wassereinbruch“ sei nicht mehr auszuschließen. Um die Standfestigkeit des Bergwerks zu sichern, empfahlen die Gutachter die Verfüllung der Hohlräume. Auf Kosten des Steuerzahlers werden seit August 1995 täglich rund 1.200 Tonnen Verfüllmaterial herantransportiert und in die Grube geblasen. Kosten von mindestens 120 Millionen Euro sind dabei entstanden, ein Austritt von radioaktiven Nukliden ist dennoch nicht ausgeschlossen. Aus dem Versuchsendlager ist ein de-facto-Endlager geworden. Nichtsdestotrotz wird von maßgeblichen Kreisen seit 1977 bis heute der Salzstock in Gorleben für ein Endlager favorisiert. Und dies, obwohl Kritiker einwenden, dass gerade bei Salzstöcken das Risiko des Wasserzuflusses relativ groß ist.

Eingraben und wieder ausgraben: Frage der Rückholbarkeit

Immer wieder wird diskutiert, ob die radioaktiven Stoffe „rückholbar“ gelagert werden sollten. Fehlentscheidungen könnten so eventuell wieder korrigiert werden. Außerdem könnten die radioaktiven Abfälle zukünftig auch Ressourcen für neue Nutzungsmöglichkeiten sein. Es bestünde aber auch das Risiko, dass radioaktive Stoffe in falsche Hände gelangen.

Andere Konzepte: Entsorgung im Weltraum oder im Eis

Absurde Vorschläge, wie die atomaren Abfälle im Weltraum zu entsorgen und sie auf Asteroiden oder in die Sonne zu schießen, machen immer wieder die Runde. Auch wenn auf diesem Wege eine Abschirmung von der Biosphäre gelingen würde, ginge damit die Verschmutzung unbekannter Welten einher. Außerdem stehen diesen Ideen die immensen Kosten der Raumfahrt entgegen. Bei der Explosion eines Raumschiffes wäre mit einer großflächigen Verseuchung zu rechnen. Auch die Endlagerung unter dem ewigen Eis hat Anhänger gefunden. Durch die Wärmeentwicklung der Abfälle könnte aber die Stabilität des Lagersystems empfindlich leiden. Eine radioaktive Verseuchung der Lagergebiete wäre nicht ausgeschlossen. Und aufgrund des Treibhauseffekts und der Gefahr der Schmelze der Pole ist auch nicht mehr sicher, wie „ewig“das Eis wirklich ist und die Abfälle tatsächlich von der Biosphäre getrennt wären.

Der Glaube an die Technik: Transmutation

Der Gedanke ist verlockend: durch den Beschuss mit schnellen Neutronen sollen die langlebigen strahlenden Abfälle zu vorzeitigem radioaktivem Zerfall angeregt oder zertrümmert werden. Die dabei entstehenden Elemente oder Isotope sollten dann entweder stabil sein oder ihre Radioaktivität soll in wenigen hundert Jahren auf ein unschädliches Maß abklingen. So bestechend die Idee der Transmutation ist, ihre großtechnische Umsetzung stellt eine gewaltige technische Herausforderung dar, enorme Kosten inklusive. Nur kleinste Mengen könnten – wenn überhaupt – umgesetzt werden. Die hochradioaktiven Stoffe müssten für den Beschuss abgetrennt werden – und die Technik der Wiederaufbereitung, die dazu nötig wäre, ist bereits in der Vergangenheit wirtschaftlich und technisch gescheitert. Nach Schätzungen französischer Forscher würde sich Atomstrom um rund zwanzig Prozent verteuern, wenn die Müllentsorgung durch Transmutation in den regulären Kraftwerksbetrieb integriert würde.

Yucca Mountain – Beispiel für das Atommülldesaster: Endlager im Erdbebengebiet?

Ursprünglich sollte in den USA aus drei Standortalternativen mittels einer vergleichenden Bewertung der beste Standort für die Suche nach einem Endlager-Standort ausgewählt werden. Dieses Verfahren wurde jedoch gestoppt und es wurde Yucca Mountain (Nevada) als zu untersuchender Endlagerstandort von der Bundesregierung bestimmt. Yucca Mountain liegt in der Nevada Test Site, dem Atomversuchsgelände der USA. Zur Zeit des Kalten Krieges wurden hier die ersten Atombomben der USA erprobt. Die derzeitigen Planungen sehen eine Einlagerungskapazität von rund 75.000 Tonnen radioaktiver Abfälle vor, überwiegend aus der Atromstromproduktion, zu kleinen Teilen aus militärischer Nutzung. Das Lager ist in einer Tiefe von 200 und 600 m geplant, das Wirtsgestein ist vulkanischer Tuff. Die Abfälle sollen in großen unterirdische Hohlräumen mit einer Vielzahl von Verbindungsstollen eingelagert werden.

Seit über 25 Jahren prüfen Geologen den Yucca Mountain auf seine Tauglichkeit. Mehr als sieben Milliarden Dollar hat das Prestigeprojekt bislang verschlungen. Die geplanten Kosten liegen bei 58 Milliarden Dollar. Die Eignung von Yucca Mountain ist stark umstritten. Kritiker weisen darauf hin, dass der Yucca Mountain erdbebengefährdet ist. Im Umkreis von 80 Kilometern wurden in den vergangenen 20 Jahren über 600 Beben mit einer Stärke von mehr als 2,5 auf der Richter-Skala registriert. Auch zukünftige Klimaänderungen und Vulkanausbrüche gelten als mögliche Gefahren für das Endlager. Damit der Standort überhaupt den formalen Kriterien genügte, wurden diese entsprechend verändert: Obergrenzen für frei werdende Strahlung wurden heruntergesetzt, die Anforderungen an die Schutzfunktion des Wirtsgesteins wurden gelockert.

Fast alle Reaktoren der USA befinden sich an der Ostküste, das bedeutet, die Transportwege von den AKWs zum Yucca Mountain sind äußerst lang . Die durchschnittliche Entfernung beträgt 3.200 Kilometer. Mit der Zahl der Transporte und der Weglänge steigt das Risiko von Pannen, Unglücksfällen oder Terroranschlägen.

Landraub zugunsten der Atomindustrie

Seit langem demonstrieren die Western Shoshone Indianer gegen das geplante Endlager. Die Frage des rechtmäßigen Eigentums am Yucca Mountain ist von den Gerichten stets zu ihren Ungunsten behandelt worden. Es geht um Landraub, denn große Teile des nuklearen Zyklus, von der Urangewinnung über die Atombombenexperimente bis zur Endlagerung, finden auf indianischem Gebiet statt.

Fazit

Für die Frage der sicheren Entsorgung des vorhandenen radioaktiven Mülls für 240.000 Jahre ist keine Lösung in Sicht. Die weitere Produktion von Atommüll muss daher sofort gestoppt werden. Quelle:

Silva Herrmann, Energiereferentin GLOBAL 2000

GLOBAL 2000



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion