Tierstimmenarchiv in Berlin: Einzigartig schnieft der Maulwurf

Karl-Heinz Frommolt ist an der Humboldt-Universität für eines der größten Tierstimmenarchive verantwortlich. Die Geburtsstunde war ein Waldkauz-Gesang vor über 50 Jahren
Von 20. Juli 2006

Wenn Karl-Heinz Frommolt nur die richtigen Knöpfe drückt, hat der Besucher sofort den Eindruck, er sei mitten im Wald und umgeben von dutzenden Singvögeln, balzenden Hirschen und hungrigen Wölfen. Der Gast steht in einem Seitenflügel des Naturkundemuseums Berlin. Frommolt (*29.5.60) ist der Leiter des Tierstimmenarchivs – mit rund 110 000 Aufnahmen eines der weltweit bedeutendsten seiner Art. «Nur die Sammlung an der Cornell University in den USA ist größer, die in London hat etwa den selben Umfang wie unsere», sagt Biologe Frommolt

Das Berliner Tierstimmenarchiv gehört zur Humboldt-Universität. Den Start machte am 30. Oktober 1951 der junge Günter Tembrock, der damals wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zoologischen Instituts war und später das Tierstimmenarchiv gründete. An diesem Oktobertag wollte Tembrock ein neues Tonbandgerät ausprobieren und hielt es von seinem Büro aus in den Innenhof, wo sich gerade ein frei fliegender Waldkauz mit seinen zwei im Käfig gehaltenen Artgenossen «unterhielt». Tembrock hat sich als Forscher und Verhaltensbiologe einen Namen gemacht.

«Die Gesänge dieser drei Waldkäuze waren die Geburtsstunde des Tierstimmenarchivs», erzählt Frommolt, der seit 1987 für die Sammlung verantwortlich ist. «Mit dieser und den zahlreichen folgenden Aufnahmen wollte man das Verhalten der verschiedensten Tiere analysieren, denn Laute sind ja ein wichtiger Bestandteil des Verhaltens.» Dafür werteten Tembrock und seine Kollegen die Länge und die Frequenz jeder Aufnahme aus und erstellten so eine exakte Beschreibung der einzelnen Gesänge und Rufe.

«Judiitjudiit» ruft die Singdrossel, während die Füchse ein eher melodisches «huhuhu» bellen. «Wir haben die umfangreichste Säugetiersammlung der Welt», sagt Biologe Frommolt mit einem stolzen Strahlen im Gesicht. «Dazu gehören vor allem die Aufnahmen von hundeartigen Tieren wie Wölfen, Schakalen und Polarfüchsen – immerhin hatten wir hier am Zoologischen Institut auch einige Zeit eine eigene Außenanlage mit Rotfüchsen.»

Besonders wertvoll in der Sammlung ist die weltweit vermutlich einzige Aufnahme eines Maulwurfes. Ein Mitarbeiter hatte das Tier in den sechziger Jahren zufällig auf einem Feld entdeckt und mit ins Institut gebracht. Auf der knapp zweiminütigen Tonspur ist jetzt ein leises, schniefartiges Geräusch zu hören.

«Das ist wirklich ein faszinierendes Aufgabengebiet», sagt Frommolt. Die Liebe zu den Tierstimmen entwickelte er schon als Jugendlicher, als er auf dem Lande südlich von Leipzig aufwuchs. Dort beobachtete er die zahlreichen Vögel und lernte ihre verschiedenen Stimmen kennen.

Seit einigen Monaten ist Frommolt nun damit beschäftigt, die analogen Aufnahmen der vergangenen Jahre zusammen mit einem Techniker und vier studentischen Mitarbeitern zu digitalisieren. «Damit wollen wir die Aufnahmen für künftige Generationen sichern und für die zahlreichen Anfragen von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt schneller abrufbar machen», sagt der Biologe. Viele der Tierstimmen sind bereits auf der Festplatte von Frommolts Computer. Und wenn er will, kann er die Datei «Andenflamingo» oder «Waschbär» anklicken und sich weit, weit weg fühlen.



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