Forscher widersprechen NASA/NOAA: Neuer Sonnenfleckenzyklus womöglich viel stärker als erwartet

NASA und NOAA gehen davon aus, dass der aktuell begonnene Sonnenfleckenzyklus ähnlich schwach ausfällt wie der vorige. Atmosphärenforscher des NCAR widersprechen. Ihren Berechnungen zufolge könnte der aktuelle 25. Zyklus zu den stärksten gehören, die je aufgezeichnet wurden.
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Vorhersage der Sonnenfleckenzahl des 24. solaren Zyklus. Der aktuelle 25. Zyklus könnte zu den stärksten seit Beginn der Aufzeichnung gehören.Foto: NASA/MSFC
Von 9. Dezember 2020

Entgegen der offiziellen Vorhersage der Nationalen Luft- und Raumfahrt Administration (NASA) und der Nationalen Ozean und Atmosphären Administration (NOAA) glauben Wissenschaftler, dass der 25. Sonnenfleckenzyklus einer der stärksten seit Beginn der Aufzeichnungen sein könnte. Frühere Studien ergaben, dass sich die erhöhte Sonnenaktivität auf die Stromversorgung und das Klima auswirken. Zudem könnte es zu Ausfällen von Satelliten und zu Störungen im Funkverkehr einschließlich Navigation und Mobilfunk kommen.

Der im Herbst 2020 zu Ende gegangene, 24. Zyklus, erreichte seinen Höhepunkt mit 116 Sonnenflecken. Ähnlich schwach schätzen NASA und NOAA den kommenden Zyklus ein. Das Gremium sagt eine Spitzenzahl von 115 Sonnenflecken voraus.

In der Zeitschrift „Solar Physics“ sprechen die Forscher des Nationalen Zentrums für Atmosphärenforschung (NCAR) hingegen von einer maximalen Sonnenfleckenzahl „irgendwo zwischen etwa 210 und 260“. Damit verdoppeln sie die Vorhersage der NASA und prognostizieren einen Zyklus, der sich in die Reihe der wenigen jemals beobachteten Spitzenwerte einordnen würde.

„Grundlegendes Verständnis des Sonnenfleckenzyklus fehlt“

Sollte sich diese Vorhersage bestätigen, stützt sie die Theorie, dass die Sonne überlappende 22-jährige magnetische Zyklen hat, die sich gegenseitig beeinflussen und als Nebenprodukt den bekannten, etwa 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus erzeugen.

Die 22-Jahres-Zyklen wiederholen sich „mit der Genauigkeit eines Uhrwerks“ und könnten nach Ansicht der Autoren der Studie ein Schlüssel dazu sein, endlich genaue Vorhersagen über den Zeitpunkt und die Art der Sonnenfleckenzyklen sowie über viele der von ihnen hervorgerufenen Effekte – einschließlich der Erwärmung der Erde zu machen.

„Wissenschaftler hatten Mühe, sowohl die Länge als auch die Stärke von Sonnenfleckenzyklen vorherzusagen, weil uns ein grundlegendes Verständnis des Mechanismus fehlt, der den Zyklus antreibt“, sagte der Sonnenphysiker und stellvertretende Direktor des NCAR, Scott McIntosh. „Wenn sich unsere Vorhersage als richtig erweist, werden wir den Beweis haben, dass unser Rahmenwerk zum Verständnis der internen magnetischen Maschine der Sonne auf dem richtigen Weg ist“.

Am Anfang war das (UV-) Licht

In McIntoshs früheren Arbeiten skizzierten er und seine Kollegen einen 22-jährigen ausgedehnten Sonnenzyklus anhand von Beobachtungen koronaler Lichtpunkte. Einem kurzlebigen Flackern von extrem ultraviolettem Licht in der Sonnenatmosphäre.

Diese hellen Punkte können über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren von den hohen Breitengraden der Sonne bis zum Äquator beobachtet werden. Wenn sie die mittleren Breiten durchqueren, fallen die hellen Punkte mit der Entstehung der Sonnenfleckenaktivität zusammen.

McIntosh glaubt, dass die hellen Punkte den Weg von Magnetfeldbändern markieren, die sich um die Sonne winden. Wenn sich die Bänder der Nord- und Südhalbkugel – die entgegengesetzte Magnetfelder haben – am Äquator treffen, vernichten sie sich gegenseitig, was zu einem „Terminator“-Ereignis führt.

Diese Terminatoren stellen laut McIntosh entscheidende Markierungen auf der 22-Jahres-Uhr der Sonne dar. Sie markieren das Ende eines magnetischen Zyklus zusammen mit dem entsprechenden Sonnenfleckenzyklus und wirken als Auslöser des folgenden magnetischen Zyklus.

22-jährige Wanderungen von Magnetfelder auf der Sonne bestimmen den Sonnenfleckenzyklus.

Entgegengesetzt geladene Magnetbänder, dargestellt in Rot und Blau, wandern über einen Zeitraum von 22 Jahren in Richtung Äquator. Wenn sie sich am Äquator treffen, heben sie sich gegenseitig auf (links). Die Animationen rechts zeigen den Verlauf und die Gesamtzahl der Sonnenflecken (schwarz) und die Beiträge der nördlichen (rot) und südlichen (blau) Hemisphäre (oben), sowie die Lage der Flecken (unten) Foto: Scott McIntosh/University Corporation for Atmospheric Research

Während ein Satz entgegengesetzt geladener Bänder etwa die Hälfte seiner Wanderung in Richtung des äquatorialen Zusammentreffens hinter sich hat, erscheint ein zweiter Satz in hohen Breitengraden und beginnt seine eigene Wanderung. Diese Bänder erscheinen in hohen Breiten mit einer relativ konstanten Rate: alle 11 Jahre. Auf ihrer Reise durch die mittleren Breiten verlangsamen sie sich manchmal, was die Stärke des bevorstehenden Sonnenzyklus zu schwächen scheint.

Der letzte Terminator bestimmt den neuen Sonnenfleckenzyklus

Diese Verlangsamung verlängert den aktuellen Sonnenzyklus, indem sie die Auslöschung der Magnetfelder hinauszögert. Dadurch verlängert sich die Zeitspanne, in der sich die entgegengesetzt geladenen Felder überlappen und sich im Inneren der Sonne stören. Das wiederum hat den Effekt, dass es die „Sonnenflecken-Produktion“ des nächsten Zyklus auffrisst. Ko-Autor Bob Leamon, Forscher der University of Maryland Baltimore County, sagte:

Wenn wir auf die Terminator-Ereignisse der letzten 270 Jahre zurückblicken, stellen wir fest, dass der nächste Zyklus umso schwächer ausfällt, je länger die Zeit zwischen den Terminatoren ist. Und umgekehrt: Je kürzer die Zeit zwischen den Terminatoren, desto stärker ist der nächste Sonnenzyklus.

Diese Korrelation war bislang schwer zu erkennen. Sonnenforscher haben traditionell die Länge eines Sonnenfleckenzyklus von Sonnenminimum zu Sonnenminimum gemessen. Das Minimum ist jedoch eher durch einen Mittelwert als durch ein präzises Ereignis definiert. In der neuen Studie haben die Forscher von Terminator zu Terminator gemessen, was eine viel höhere Präzision ermöglicht.

Auf lang folgt schwach, auf kurz folgt stark

Während Terminator-Ereignisse etwa alle 11 Jahre auftreten und den Beginn und das Ende des Sonnenfleckenzyklus markieren, kann die Zeit zwischen den Terminatoren von Jahr zu Jahr variieren.

Zum Beispiel, so die Forscher, begann der 4. Sonnenfleckenzyklus mit einem Terminator 1786 und endete 1801, also 15 Jahre später. Der längste jemals beobachtete Sonnenfleckenzyklus. Der folgende Zyklus war unglaublich schwach mit einem Spitzenwert von nur 82 Sonnenflecken. Dieser Zyklus sollte als der Beginn des „Dalton“-Grand Minimums bekannt werden.

In ähnlicher Weise begann der 23. Sonnenfleckenzyklus im Jahr 1998 und endete nicht vor 2011, 13 Jahre später. Der Sonnenfleckenzyklus 24, der gerade zu Ende ging, war ebenfalls recht schwach, aber er war auch recht kurz – nur knapp 10 Jahre lang. Auf dieser Grundlage entstand die optimistische Vorhersage, dass der kommende Zyklus (besonders) stark sein wird.

„Sobald man die Terminatoren in den historischen Aufzeichnungen identifiziert, wird das Muster offensichtlich“, sagte McIntosh. „Ein schwacher Sonnenfleckenzyklus 25, wie ihn die Gemeinschaft vorhersagt, wäre eine völlige Abkehr von allem, was uns die Daten bis zu diesem Zeitpunkt gezeigt haben.“

(Mit Material des Nationalen Zentrums für Atmosphärenforschung (NCAR))



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