Ist die Zeit nur eine Illusion?
Wir neigen zu dem Glauben, dass unser Schicksal nicht festgelegt ist und dass alle Zeit in der Vergessenheit verschwindet. Wenn aber alles, was wir erleben und tun, Bewegung ist, kann Bewegung einfach so verschwinden? Ein renommierter britischer Physiker erklärt, dass es in einer speziellen Dimension gar keine Zeit gibt.
„Wenn man die Zeit packen möchte, entgleitet sie einem immer wieder“, sagte Julian Barbour, britischer Physiker und Autor des Buches „Das Ende der Zeit: Die nächste Revolution in der Physik“ (englischer Originaltitel: „The End of Time: The Next Revolultion in Physics“) in einem Interview mit der Edge Foundation. Während diese poetischen Worte im Raum verhallten, hatten Barbour und der Journalist seiner Meinung nach schon keine Verbindung mehr mit ihrem Selbst vor einigen Sekunden.
Barbour glaubt, dass Menschen die Zeit deshalb nicht begreifen können, weil sie nicht existiert. Obwohl die Theorie die er vertritt nicht neu ist, hatte sie nie eine Popularität wie Einsteins Relativitätstheorie oder die String-Theorie.
Das Konzept eines zeitlosen Universums ist für einige Wissenschaftler nicht nur von unwiderstehlicher Anziehungskraft, sondern könnte auch den Weg für die Lösung vieler Widersprüche bahnen, auf die die moderne Physik bei der Erklärung des Universums stößt.
Wir betrachten und erleben die Zeit als etwas naturgegeben Lineares, dem Pfad aus der Vergangenheit in die Zukunft unweigerlich Folgendes. Das entspricht nicht nur der persönlichen Erfahrung aller Menschen, sondern auch dem Zusammenhang, in dem die klassische Mechanik mit Hilfe der Mathematik das Universum erforscht. Lässt man dieses Konzept los, so können Ideen, wie das Prinzip von Ursache und Wirkung und die Unmöglichkeit an zwei Orten gleichzeitig zu sein, aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet werden.
Die von Barbour vorgebrachte Auffassung der Diskontinuität der Zeit schlägt ein Universum vor, das sich aus vielen Punkten zusammensetzt, die er „Jetzt“ nennt. Aber diese sogenannten „Jetzt-Punkte“ sollen keine ineinander übergehenden Momente sein, die aus der Vergangenheit kommen und in der Zukunft enden; ein „Jetzt“ ist demnach einer unter Millionen von „Jetzt-Punkten“, die im ewigen universellen Mosaik einer besonderen Dimension unbemerkbar existieren. Jeder davon steht auf subtile Weise mit den anderen in Verbindung, wobei dem benachbarten „Jetzt“ eine Sonderstellung zukommt. Jedenfalls existieren sie alle gleichzeitig.
Mit dieser Mischung aus Einfachheit und Komplexität verspricht Barbour mit seiner Idee all denjenigen Theoretikern eine großartige Hilfe zu sein, die willens sind, den Mangel an Zeit vor dem großen Urknall zu akzeptieren.
Barbour denkt, das Konzept der Zeit könnte ähnlich dem der Ganzen Zahlen sein. Alle Zahlen existieren gleichzeitig und es wäre unvorstellbar, dass die Nummer eins zeitlich vor oder nach der Nummer zwanzig existieren würde.
An dieser Stelle der Argumentation steht der Leser wahrscheinlich unweigerlich vor der Frage: „Möchtest du mich überzeugen, dass diese Bewegung, die ich gerade mit meinem Unterarm ausführe, nicht existiert? Wenn kleinste Bruchteile des „Jetzt“ nicht miteinander verbunden sind, wie kann ich mich dann an die ersten Ideen aus diesem Artikel erinnern? Wie kann ich noch wissen, was ich mittags gegessen habe? Warum wache ich morgens auf und gehe zur Arbeit, wenn der Job dem „Ich“ gehört, das nichts mit mir zu tun hat. Wenn die Zukunft bereits existiert, warum sollte man sich dann überhaupt um irgendetwas bemühen?“
Solche Dilemma entspringen dem illusorischen Empfinden, das die Zeit – so wie einen Fluss – als fließend wahrnimmt. Wir können uns ein zeitloses Universum wie einen langen Pudding vorstellen der der Länge nach in der Mitte mit Schokolade gefüllt ist. Wenn wir ein Stück herausschneiden, bekommen wir, was wir Gegenwart nennen, ein „Jetzt“.
Angenommen, wir wären die Schokolade im Zentrum, dann würden wir denken, dass unser Stück das einzige im ganzen Universum ist und die angrenzenden Stücke nur als Idee existieren. Für einen Beobachter des Puddings würde diese Vorstellung lächerlich erscheinen, da er wüsste, dass alle Stücke zusammengehören.
Diesem Beispiel folgend könnte man sagen, dass „Ich“ nicht dieselbe Person bin, die diesen Satz zu schreiben begann. Ich bin einzigartig, vielleicht in Verbindung mit jedem der Subjekte, die die Worte dieses Abschnittes früher geschrieben haben. Jedoch würden sogar die unabhängig voneinander existierenden endlosen „Jetzt-Punkte“ nicht zerstreut sein. Sie würden noch immer eine Struktur bilden, ein Block, ein ganzer Pudding ohne Krümel sein.
Und so sieht die Theorie von Barbour aus: In einem Raum des Kosmos existiert bereits die Zukunft (unsere Zukunft); und jede Sekunde unserer Vergangenheit existiert ebenfalls, nicht als Erinnerung, sondern als lebendige Gegenwart. Die schmerzvollste Angelegenheit für Menschen ist es – so wie östliche Philosophien es darstellen – zu versuchen, die feste Form zu durchbrechen.
Der Weise, der dem vorherbestimmten Pfad folgt, würde glücklich sein inmitten des kosmischen Schokoladenpuddings und versuchen, unsere einzigartigen und extrem winzigen „Jetzt-Punkte“ zu leben.
Die meisten von uns sind der festen Überzeugung, dass auf einer nicht wahrnehmbaren Ebene eine große kosmische Uhr jede einzelne Sekunde in diesem riesigen Raum, den wir Universum nennen, weitertickt. Einstein war allerdings schon Anfang des letzten Jahrhunderts davon überzeugt, dass die temporäre Realität für jedes Objekt des Universums relativ und die Zeit untrennbar mit dem Raum verbunden ist. Sogar Spezialisten, die die Uhren in der Welt synchronisieren, sind sich darüber bewusst, dass die Welt dadurch einem willkürlich festgelegten Ticken folgt, da Uhren überhaupt nicht in der Lage sind, Zeit zu messen.
Es scheint die einzige Alternative zu sein, sich der temporären Illusion dieser Unbegrenztheit hinzugeben in dem Bewusstsein, dass es einen Raum gibt, in dem unsere Vergangenheit noch existiert und unsere Handlungen demzufolge nichts ändern können. Oder wie Einstein selbst sagen würde: „Menschen wie wir, die an die Physik glauben, wissen, dass die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine hartnäckig andauernde Illusion ist.“
Orignalartikel auf Englisch: Is Time an Illusion?
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