Unsere Jugendlichen lesen immer weniger: Studie zeigt die negativen Folgen auf

Die meisten von uns verbringen heute viel mehr Zeit mit den digitalen Medien als noch vor zehn Jahren. Die Jugendlichen werden mit dem Smartphone in der Tasche erwachsen. In ihrem Umgang mit traditionellen Medien wie Bücher und Filme unterscheiden sie sich grundlegend von den Teenagern von vor einigen Jahrzehnten.
Titelbild
Die SAT-Ergebnisse 2016 [Scholastic Assessment Test] waren die niedrigsten, die es je gab.Foto: Aha-Soft/Shutterstock

Meine Co-Autoren und ich haben seit 1976 zusammengetragene national repräsentative Erhebungen von über einer Million US-Teenagern ausgewertet und eine beinahe seismische Veränderung in der Art und Weise entdeckt, wie Jugendliche ihre Freizeit verbringen. Und Bücher scheinen dabei immer mehr Staub anzusetzen.

Alles dreht sich um Bildschirme

2016 hat ein durchschnittlicher Zwölftklässler in seiner Freizeit sage und schreibe sechs Stunden pro Tag mit SMS, sozialen Medien und im Internet verbracht. Und das sind nur drei Aktivitäten! Wenn man weitere Aktivitäten im Bereich der digitalen Medien einbeziehen würde, wäre die Zeitdauer sicherlich noch größer.

Doch die Jugendlichen haben nicht schon immer so viel Zeit mit digitalen Medien verbracht. Die Zeitdauer, in der sie online sind, hat sich seit 2006 verdoppelt. Die Nutzung der sozialen Medien hat sich von einer einst periodischen zu einer täglichen Aktivität entwickelt. 2016 gaben fast 90 Prozent der Mädchen in der 12. Klasse an, dass sie jeden Tag auf Social-Media-Seiten seien.

Die Zeit für Videospiele stieg von unter einer Stunde pro Tag auf durchschnittlich eineinhalb Stunden. Ein Zehntel der Achtklässler hat 2016 40 Stunden pro Woche oder mehr mit dem Spielen von Videospielen zugebracht – das ist die Zeitdauer eines Vollzeitjobs. Der Tag hat aber nur 24 Stunden. Bleiben da nicht andere Dinge auf der Strecke?

Vielleicht nicht unbedingt. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Zeit im Internet die Zeit, die man mit traditionellen Medien verbringt, nicht ersetzen würde. Einige Menschen seien einfach mehr an Medien und Unterhaltung interessiert. Doch der Konsum von einer Art Medium heiße nicht zwangsläufig, dass die anderen Medien zu kurz kämen, betonen die Wissenschaftler.

Das sagt allerdings noch nicht viel darüber aus, was mit einer großen Gruppe von Menschen passiert, die immer mehr Zeit mit digitalen Medien verbringt. Doch großangelegte, über viele Jahre hinweg durchgeführte Erhebungen und Studien können uns Aufschluss darüber geben.

Bücher und Filme bleiben auf der Strecke

Während früher 70 Prozent der Acht- und Zehntklässler einmal im Monat oder öfter ins Kino gegangen sind, sind es heute nur noch etwa die Hälfte. Ins Kino zu gehen war zwischen Ende der 1970er bis Mitte der 2000er Jahre gleichbleibend beliebt. Das weist darauf hin, dass auch Blockbuster und Videokassetten den Kinobesuch nicht verdrängen konnten.

Aber nach 2007 ‑ als Netflix seinen Video-Streaming-Service einführte ‑ verlor das Kino seinen Reiz. Sich einen Film anzusehen, wurde immer mehr zu einer einsamen Angelegenheit. Dies passt in ein größeres Schema: In einer anderen Analyse fanden wir heraus, dass die heutigen Teenager deutlich weniger mit ihren Freunden ausgehen als die früheren Generationen.

Aber der Kinotrend ist blass im Vergleich zu der größten Veränderung, die wir entdeckt haben: einen enormen Lese-Rückgang. 1980 gaben 60 Prozent der Zwölftklässler an, jeden Tag in einem außerschulischen Buch, einer Zeitung oder Zeitschrift zu lesen. 2016 waren es nur noch 16 Prozent! Das ist ein erheblicher Rückgang. Und dabei konnte das Buch, die Zeitung oder Zeitschrift auch auf einem digitalen Gerät gelesen werden (bei der Umfrage wurde kein Format genannt).

Die Anzahl der Zwölftklässler, die angaben, sie hätten im Jahr zuvor keine Bücher nur zu ihrem Vergnügen gelesen, hat sich fast verdreifacht. 2016 war das bei jedem Dritten der Fall. Für die „iGen“ ‑ die Generation ab dem Geburtsjahr 1995, die ihre ganze Jugend hindurch mit Smartphones verbracht hat – gehören Bücher, Zeitungen und Zeitschriften immer weniger zu ihrem Leben dazu.

Natürlich lesen Jugendliche auch heute noch, aber sie lesen kurze Texte wie beispielsweise Bildtexte auf Instagram, keine langen Artikel, die tiefgründige Themen behandeln und kritisches Denken und Reflektieren erfordern. Womöglich als Folge davon waren die SAT-Werte [Scholastic Assessment Test] im Bereich Lesen im Jahr 2016 die niedrigsten, die es seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1972 je gegeben hat.

Auch für ihren Eintritt ins College verheißt das nichts Gutes. Stellen Sie sich vor, Sie gehen vom Lesen von Beschriftungen, die aus zwei Sätzen bestehen, zu dem Versuch über, auch nur fünf Seiten in einem 800 Seiten starken Hochschullehrbuch am Stück zu lesen. Das Lesen und Verstehen von längeren Büchern und Kapiteln erfordert Übung. Und diese Übung haben die Jugendlichen nicht mehr.

Vor einigen Jahren ergab eine Studie des „Pew Research Center“, dass junge Menschen tatsächlich mehr Bücher lesen als ältere Menschen. Allerdings schloss das auch Bücher für die Schule und ohne Altersbeschränkung mit ein. Wenn wir uns die Freude am Lesen im Laufe der Zeit ansehen, wird deutlich, dass die iGen erheblich weniger liest als frühere Generationen.

Der Weg in die Zukunft

Sollen wir der iGeneration jetzt also die Smartphones entreißen und ihnen Bücher in die Hand drücken? Eher nicht: Für die Jugendlichen sind Smartphones die wichtigste Form der sozialen Kommunikation.

Das heißt aber nicht, dass sie sie ständig benutzen müssen. Anhand von Daten, die eine übermäßige Nutzung der digitalen Medien mit psychischen Erkrankungen in Verbindung bringen, wird empfohlen, Freizeitaktivitäten am Bildschirm auf bis zu zwei Stunden pro Tag zu begrenzen. So bleibe Zeit für andere Aktivitäten, wie etwa ein Kinobesuch mit Freunden oder Lesen.

Von den Trends, die wir aufgedeckt haben, hat der deutliche Rückgang des Lesens vermutlich die größten negativen Auswirkungen. Das Lesen von Büchern und längeren Artikeln ist eine der besten Methoden, um zu lernen, kritisch zu denken, komplexe Sachverhalte zu verstehen und Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Diese Fähigkeiten sind wesentlich, um ein informierter Wähler, ein engagierter Bürger, ein erfolgreicher Student oder ein leistungsfähiger Mitarbeiter zu sein.

Wenn Bücher aussterben, wird sehr viel verloren gehen.

Jean Twenge ist Professorin für Psychologie an der San Diego State University. Dieser Artikel wurde ursprünglich auf The Conversation veröffentlicht.

Das Original erschien in der englischen The Epoch Times (deutsche Bearbeitung von aw). Originalartikel:Why It Matters That Teens Are Reading Less

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion