„Bin unschuldig“: Brokstedt-Messerattacker streitet seine Verbrechen ab
Es war einer der aufwühlendsten Mordfälle in diesem Jahr: die tödliche Messerattacke im Regionalzug bei Brokstedt in Schleswig-Holstein am 25. Januar. Nun soll dem Angeklagten, einem mittlerweile 34 Jahre alten Palästinenser, vor dem Landgericht Itzehoe der Prozess gemacht werden. Die zuständige Staatsanwaltschaft wirft dem abgelehnten Asylbewerber Ibrahim A. Mord in zwei Fällen und versuchten Mord in vier Fällen vor. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft aus niederen Beweggründen und Heimtücke.
„Ich bin unschuldig“
Der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Freitagmorgen, 7. Juli, begonnene Prozess wird von großem öffentlichen Interesse begleitet. Gleich am ersten Verhandlungstag sorgte der Angeklagte für einen Paukenschlag, der große Empörung auslöste: „Ich möchte nur so viel sagen, dass ich unschuldig bin“, erklärte der Palästinenser. Er sei zwar im Zug gewesen, so dessen Aussage vor Gericht, einen Messerangriff habe er aber nicht verübt.
Das taktische Spiel der Verteidigung scheint klar. Man plädiert auf eine Wahnerkrankung des Angeklagten. Dies soll nach Auffassung seines Rechtsanwalts, Björn Seelbach, als zentraler Punkt der kommenden Beweisaufnahme herhalten. Um diesen Punkt zu untermauern, verwies Seelbach nach Angabe der Nachrichtenagentur dpa auf das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen, der eine schwere psychische Erkrankung bei dem Angeklagten festgestellt habe.
Jedoch sei der Gutachter noch nicht sicher, ob auch zum Tatzeitpunkt ein wahnhafter Schub bei dem Palästinenser vorgelegen habe. Der Prozess soll mit 40 Verhandlungstagen recht umfangreich werden. Sollte dem Täter am Ende eine Art Psychowahn attestiert werden, könnte dies dafür sorgen, dass er für schuldunfähig erklärt und in einer Psychiatrie untergebracht wird.
Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow erklärte jedoch nach der Verkündung der Anklage: „Wir gehen von Schuldfähigkeit aus.“
Amri-Vergleich, aber keine Gefahr?
Derzeit sitzt der Mann in Untersuchungshaft. Er gelte als schwieriger und aggressiver Gefangener, hieß es. Tragisch: Erst wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke war der Mann aus der Untersuchungshaft in Hamburg entlassen worden. Dabei hatte ein psychiatrisches Gutachten dem Palästinenser in die Hände gespielt.
Obwohl er sich während der Untersuchungshaft 16 Mal mit einem Psychiater wegen psychischer Auffälligkeiten getroffen hatte und er sich in seiner Zeit im Gefängnis in Hamburg sogar mit Anis Amri, dem IS-Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, verglichen hatte, war bei ihm – sonderbarerweise und kurz vor seiner Entlassung – keine Selbst- oder Fremdgefährdung festgestellt worden.
Am Tag der Tat erschien der Palästinenser Ibrahim A., der per deutscher Definition „Staatenlose“ mit seit 2016 abgelehntem Asylantrag, ohne Termin am Info-Point der Kieler Ausländerbehörde. Er habe seinen Aufenthaltstitel verlängern wollen. Weil sein Aufenthaltsort für die dortigen Behörden unklar erschien, schickte man ihn zum Einwohnermeldeamt. Doch dort ließ sich Ibrahim A. gar nicht erst blicken. Stattdessen bestieg er den Zug von Kiel nach Hamburg und verübte sein blutiges Werk.
Wie Staatsanwältin Janina Seyfert in der Anklageschrift festhielt, habe Ibrahim A. aus Frust über den erfolglosen Behördentermin die Bluttat begangen. Zuerst stach er auf die 17-jährige Jugendliche und ihren Freund ein. Das Mädchen wurde von 26 Messerstichen getroffen, zwölf trafen den 19-Jährigen, einer mitten ins Herz. Dann widmete sich der Messertäter weiteren vier Fahrgästen in verschiedenen Waggons und verletzte sie schwer. Schließlich konnte ihm ein Mann mit einer Aktentasche und einer Laptoptasche schlagen, worauf der Attentäter das Messer verlor und umringt von Zeugen aufgab.
Diskussionen um Behördenfehler
Der Fall hatte fatale Fehler bei der deutschen Justiz aufgedeckt und umfangreiche Diskussionen ausgelöst. Mehrere Landesparlamente beschäftigten sich mit dem behördlichen Versagen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.
In diesen Bundesländern hatte Ibrahim A. gelebt, gewohnt und Straftaten begangen. Am Ende profitierte Ibrahim A. vom mangelhaften Informationsfluss zwischen den Behörden der verschiedenen Länder. Die Folge: Eine getötete 17-Jährige, ein toter 19-Jähriger, zwei Frauen (27, 54) und drei Männer (62, 22, 22) teils schwer verletzt – und das entsprechende Leid und Elend, das über die Familien, Freunde und Bekannte der Opfer gebracht wurde. Im Juni wurde bekannt, dass sich die 54-jährige Frau, die nach der Tat zeitweise ins künstliche Koma versetzt werden musste, das Leben genommen hat.
In Hamburg ist man sich jedoch keinerlei Mängel bewusst. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) erklärte: „Wir haben alle Maßnahmen unternommen, die vorgesehen sind.“
Für die AfD waren solche Aussagen nicht ausreichend. „Wir gedenken der Opfer der Migrationspolitik! Es sind furchtbare Schicksale, die sich hinter der zynischen Propaganda-Vokabel ‚Einzelfall‘ verbergen […]“, hieß es in einem Tweet der Oppositionspartei.
Für die Hamburger Linken gingen solcher Art Äußerungen zu weit. Deren Innensprecher, Deniz Celik, sprach zwar von einer furchtbaren Tat und davon, dass sich die Justiz unbequeme Fragen gefallen lassen müsse. „Doch neben der Bestürzung und Trauer über diese Tat ist da auch Wut: Weit über die AfD hinaus nutzen politische Akteure das Blutbad, um Stimmung zu machen gegen Geflüchtete und um neue Debatten über vermeintlich überfällige Abschiebungen anzustoßen“, so Celik. In seinem Statement legte Celik zudem Wert darauf, zu erwähnen, dass der Täter legal im Land gewesen sei und „nicht ausreisepflichtig“.
Und Celik hat durchaus recht. Der Asylantrag von Ibrahim A. wurde zwar 2016 bereits abgelehnt, er hatte auch seither mehrere Straftaten begangen, auch durch Messereinsatz. Dennoch genoss der staatenlose Palästinenser subsidiären Schutz. Dass das BAMF ein Verfahren angestrengt hatte, seinen Schutzstatus aufzuheben, ist wohl gesichert. Doch das Verfahren schwebt offenbar immer noch im luftleeren Raum der deutschen Justiz, die von so manchem Beobachter der Geschehnisse als „zahnlos“ betrachtet wird – zumindest in solchen Fällen von verhinderten Abschiebungen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion