Verschwindende Minister und Generäle: Säuberungen in China

In China verschwinden die Minister einer nach dem anderen. Schlägt Führer Xi um sich? Wie gefährlich ist die Entwicklung um den mächtigen Kommunistenführer? Eine Analyse.
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Experten zufolge schürt er mit einer immer selbstbewussteren Außenpolitik Nationalismus: Xi Jinping.Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa
Von 30. September 2023

Immer noch gibt es keine Anzeichen für den Verbleib des chinesischen Verteidigungsministers, General Li Shangfu. Experten gehen von internen Machtkämpfen und von Säuberungen durch Xi Jinping in China aus. Vor etwa zwei Wochen berichtete die Epoch Times bereits über das unerklärliche Verschwinden des ranghohen Funktionärs der Kommunistischen Partei Chinas (KPC). Li ist schon der zweite Minister, der innerhalb weniger Wochen verschwindet – ganz zu schweigen von einigen Generälen.

Bis zum heutigen Tag gibt es keine Informationen über den Verbleib von General Li. Die Lage in China sorgt für Beunruhigung. Vor allem in einigen von Chinas Nachbarländern scheint man die Pekinger Entwicklungen genau zu beobachten. Was passiert gerade im größten kommunistischen Land der Erde?

Nach Russland-Besuch verschwunden

Mitte August war Verteidigungsminister Li Shangfu noch zu Besuch in Russland und Weißrussland, um eine strategische Partnerschaft zu bekräftigen. Unmittelbar nach dem Besuch verschwand der General.

Ein Treffen am 7. und 8. September mit vietnamesischen Verteidigungsführern zwecks einer Kooperation wurde abgesagt. Hochrangige vietnamesische Beamte erklärten gegenüber „Reuters“, dass Peking mitgeteilt habe, dass General Li sich abrupt zurückzog. „Reuters“ zitierte zwei Beamte aus Hanoi, die sagten, Peking habe Vietnam mitgeteilt, dass es wegen General Lis „Gesundheitszustand“ sei.

Besorgte Nachbarn

Längst werden die Vorkommnisse in China nicht mehr als rein chinesisches Problem betrachtet. Eine hochrangige Quelle in Neu-Delhi, die mit der amerikanischen Epoch Times unter der Bedingung der Anonymität sprach, sagte, die Säuberung sei offenbar auf einen Machtkampf innerhalb der KPC zurückzuführen. „Sehr gefährlich für die Nachbarn, da militärische Maßnahmen zur Stärkung der politischen Macht eingesetzt werden können. Indien sollte sehr wachsam sein“, so die Quelle.

NishaKant Ojha, ein in Neu-Delhi ansässiger Verteidigungsanalyst, erklärte in einer E-Mail an die Epoch Times USA, dass das Verschwinden von Chinas hochrangigen Funktionären Xi Jinpings politischen Unsicherheiten widerspiegelt.  Er glaubt, dass diese politischen Unsicherheiten zusammen mit Chinas rückläufiger Wirtschaft und der steigenden Arbeitslosigkeit im Reich der Mitte nicht gut für Länder seien, die immer noch auf China angewiesen sind.

Korruption unter Korrupten?

Hier und da wird in den Medien auf Insiderhinweise verwiesen, die auf Korruptionsermittlungen gegen den General hindeuten. Andere verweisen auch auf Ähnlichkeiten mit dem Fall des ebenfalls verschwundenen Außenministers Qin Gang. Spekulationen wurden laut, ob Lis Verschwinden mit der Säuberung der obersten Ränge von Chinas Raketenstreitkräften zu tun haben könnte. Auch in diesen Fällen wurde von Korruptionsermittlungen berichtet.

Grant Newsham, ein leitender Forschungsmitarbeiter am Japan Forum for Strategic Studies und pensionierter Oberst der US-Marine, erklärte gegenüber der Epoch Times USA in einer E-Mail, dass es „auf diesen Ebenen wahrscheinlich keinen einzigen chinesischen Beamten [gibt], der sich nicht der Korruption schuldig gemacht hätte“.

Moderne Konterrevolutionäre

Newsham glaube, so die Epoch Times USA, dass Xi Jinping das Thema „Korruption“ in eine moderne Version der Vorwürfe „konterrevolutionärer Aktivitäten“ der maoistischen Ära umgewandelt habe.

Newshams Angaben nach sei Korruption „der häufigste oder allgemeingültige Vorwurf dafür, Menschen loszuwerden und den Anschein zu erwecken, als hätten sie sich einer Sache schuldig gemacht“. Dass der Verteidigungsminister bei „Korruption“ erwischt worden sei und Xi lediglich einen korrupten Beamten aus dem Weg geräumt habe, halte Newsham daher für „unwahrscheinlich“.

Spione überall

Der deutsche Sinologe Frank Lehberger erklärte in einer E-Mail gegenüber der Epoch Times USA, dass Xi Jinping die ganze chinesische Gesellschaft „absichtlich in einen paranoiden Wahnsinn versetzt“ habe. Man suche „in jeder Stadt und jedem ländlichen Hinterland nach größtenteils nicht existierenden ‚ausländischen Spionen‘“, erklärte der China-Experte.

Das Ministerium für nationale Sicherheit des chinesischen Regimes hat am 31. Juli auf seinem neuen WeChat-Account mitgeteilt: „Spionageabwehr und Anti-Spionage erfordern die Mobilisierung der gesamten Gesellschaft.“

Bereits seit 1. Juli gilt in China die neue Version des Anti-Spionage-Gesetzes, wie Epoch Times bereits berichtete. Die Palette der Vorwürfe wurde ausgeweitet, die Formulierungen undeutlicher verfasst, was ein breites und unkalkulierbares Spektrum der Anwendbarkeit mit sich bringt. Es wurden sogar Belohnungen für das Melden von Spionen angekündigt.

Wenn der Führer um sich schlägt

Die Lage in China scheint ernster, als man auf den ersten Blick glauben mag, wenn der Oberste Führer der Kommunisten um sich schlägt. Allerdings scheint alles eher im Verborgenen zu geschehen.

Sinologe Frank Lehberger meint: „Diese Säuberungsaktion innerhalb der KPC und der Volksbefreiungsarmee geht jedoch in einem relativ heimlichen, zurückhaltenden Modus weiter, in Form von unerklärlichem Verschwinden aus der Öffentlichkeit, plötzlichen Todesfällen und ‚Urlaub aus gesundheitlichen Gründen‘“, so Lehberger. Das sei „definitiv nicht die Art der stalinistischen Säuberungen der 1930er-Jahre mit aufwendig inszenierten und propagierten Schauprozessen“, so der China-Experte.

Lehberger glaubt, in den bestätigten Berichten über die Vorkommnisse in Chinas Führungsriege eine Art „Aufsässigkeit“ innerhalb der KPC zu erkennen, und dass die autokratische Herrschaft von Xi Jinping in Gefahr sei, ebenso wie seine „größenwahnsinnigen Pläne, die Herrschaft über Asien und später die ganze Welt zu erlangen“. Nach Ansicht des China-Experten leidet Führer Xi offenbar an einer „typischen Form diktatorischer Paranoia“.

Der letzte Zug vor einem Krieg?

Doch wie sich die Lage letztendlich entwickeln wird, bleibt ungewiss. Ex-US-Militär Grant Newsham vom Japan Forum for Strategic Studies meinte, dass Xi Jinping wohl bemerkt haben könnte, „dass sich in manchen Kreisen Opposition formiert“. Das liege auch daran, dass Xi „zweifellos viele Feinde hat, weil er im Laufe der Jahre seine Rivalen aus dem Weg geräumt hat“, schrieb Newsham in seiner E-Mail.

„Oder vielleicht möchte er ‚sein Team‘ aus völlig nachgiebigen Speichelleckern und Inkompetenten zusammenbringen – die keine Bedrohung für ihn darstellen und Befehle befolgen –, bevor er irgendwohin zieht?“, so der Experte: „Sagen wir, gegen Taiwan, Indien, die Mongolei, Japan und so weiter.“



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