Wo ist General Li? Chinas Verteidigungsminister ist verschwunden

Erst verschwindet der Außenminister in China, dann ranghohe Generäle und nun der Verteidigungsminister. Was ist los in Xi Jinpings Reich?
Titelbild
General Li Shangfu, neuer Verteidigungsminister und Staatsrat von China während der Vereidigung vor dem Nationalen Volkskongress in der Großen Halle des Volkes in Peking am 12. März 2023.Foto: Noel Celis/AFP via Getty Images
Von 15. September 2023


Wieder einmal macht das Verschwinden eines ranghohen Führers der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) von sich reden. Nachdem Ende Juni Chinas Außenminister Qin Gang wochenlang verschwunden war, ist nun der Verteidigungsminister General Li Shangfu dran. Seit zwei Wochen etwa ist Li in der Öffentlichkeit nicht zu sehen. Die chinesischsprachige Epoch Times sprach mit einem Insider des chinesischen Militärs. Wo steckt General Li?

Verteidigungsminister verschwunden

Im März dieses Jahres war klar: General Li Shangfu, Chinas Waffenforscher Nr. 1 und Spezialist für Cyber- und Weltraumkrieg, wird zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Obwohl der von den USA sanktionierte General damit ein eher repräsentatives und diplomatisches Amt übernahm, hatte ihn de facto Staats- und Parteichef Xi Jinping und pro forma der Nationale Volkskongress dazu auserkoren, das Militär auf Vordermann zu bringen.

„Wir müssen die Modernisierung der nationalen Verteidigung und des Militärs umfassend vorantreiben und die Volksarmee zu einer großen Mauer aus Stahl ausbauen, die die nationale Souveränität, die Sicherheit und die Entwicklungsinteressen wirksam schützt“, hatte Xi auf seiner Abschlussrede vor dem Nationalen Volkskongress am 13. März 2023 erklärt.

Nun, nach gerade einmal sechs Monaten im Amt, ist Li Shangfu verschwunden. Das blieb nicht unbemerkt. Gesehen wurde Minister Li zuletzt auf einer Plenarsitzung am 29. August in Peking beim „China-Afrika-Friedens- und Sicherheitsforum“. Dort hielt er eine Rede und verschwand, berichtet die chinesischsprachige Epoch Times. Auf einer routinemäßigen Pressekonferenz des Außenministeriums der Kommunistischen Partei Chinas am 11. September fragten ausländische Medien nach dem Minister. Außenamtssprecherin Mao Ning entgegnete lediglich: „Ich verstehe die Situation, über die Sie sprechen, nicht.“

Erst der Außenminister, dann die Raketen-Generäle

Tage zuvor hatte sich bereits der US-Botschafter in Japan, Rahm Emanuel, auf X (ehemals Twitter) gewundert: „Die Kabinettszusammensetzung von Präsident Xi ähnelt mittlerweile Agatha Christies Roman ‚And Then There Were None‘. Zuerst wird Außenminister Qin Gang vermisst, dann werden die Kommandeure der Rocket Force vermisst, und nun wurde Verteidigungsminister Li Shangfu seit zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen.“ 


Wird gegen Li Shangfu ermittelt?

Möglicherweise wurden gegen Verteidigungsminister Li bereits Ermittlungen aufgenommen, wie am 7. September der unabhängige Kommentator Cai Shenkun auf X veröffentlichte. Den Angaben zufolge soll es um Korruption und schwerwiegende Disziplinarverstöße gehen.

In China werden diese Vorwürfe gern bei Säuberungen innerhalb von Partei, Regierung und Militär verwendet. Cai erklärte: „Wenn die Nachricht wahr ist, wird dies nach dem Verschwinden des Außenministers auf Landesebene, Qin Gang, in der neuen Regierung ein weiterer wichtiger Unfall eines Beamten auf Landesebene sein. Das bedeutet, dass der erbitterte Kampf an der Spitze nicht reibungslos verlief.“

Der Kommentator meinte, dass auch von Xi Jinping persönlich ausgewählte hochrangige Beamte noch mit Säuberungen konfrontiert seien. „Diese raue politische Atmosphäre ähnelt immer mehr der Zeit, als Mao Zedong an der Macht war“, so Kommentator Cai. Niemand sei sicher.

Chinas Militär unter tödlichem internem Druck

Yao Cheng, ehemals Fregattenkapitän (Oberstleutnant) der chinesischen Marine, sprach am 11. September mit der chinesischsprachigen Epoch Times über das Verschwinden von Li Shangfu. Yao meinte, dass General Li wohl verhaftet worden sei. Das habe sich zuvor bereits angekündigt.

„Die Zentrale Militärkommission hatte eine Mitteilung herausgegeben, um die Abteilung für Ausrüstungsentwicklung von 2017 bis heute zu überprüfen. Viele Leute in der Armee hatten mir erzählt, dass die Situation bei der Beschaffung von Ausrüstung überprüft werden sollte, als Li Shangfu im Amt war.“

Yao ging auf Li Shangfus Werdegang ein. Dieser habe im September 2017 als Nachfolger von Zhang Youxia die Leitung der Abteilung für Ausrüstungsentwicklung der Zentralen Militärkommission übernommen.

Yao meinte, dass Xi Jinpings nächstes Ziel Zhang Youxia sein werde, einer der beiden Vizevorsitzenden der Zentralen Militärkommission, die Xi Jinping anführt. „Sie üben so viel Druck auf das Militär aus, dass die Leute in den Tod getrieben werden“, erklärte der ehemalige KPC-Offizier.

Wie Yao Chen noch sagte, würden derzeit elf hochrangige Generäle der Raketentruppen (Rocket Force) unter doppelter Aufsicht stehen. Xi Jinping habe bemerkt, dass ihm die Soldaten nicht gehorchten. Er habe große Angst vor einer Meuterei, so Yao.

Der verschwundene Außenminister Qin

Ende Juni verschwand bereits der chinesische Außenminister Qin Gang von der Bildfläche – für mehrere Wochen. Die Gerüchteküche brodelte. Dann wurde bekannt, dass Xi Jinping den von ihm geförderten KPC-Funktionär seines Amtes enthoben hatte. Offenbar ging es um Xis Misstrauen, militärische Leaks, eine außereheliche Liebschaft mit politischer Brisanz und Verbindungen zu ranghohen Militärführern. In dieser Zeit wurde auch verstärkt über Todesfälle unter chinesischen Generälen international berichtet.

Selbst Xi Jinpings Chef-Leibwächter, Generalleutnant Wang Shaojun, Leiter des Zentralen Sicherheitsbüros (CSB), verstarb unerwartet – „an einer Krankheit“, wie berichtet wurde. Zuvor: monatelanges Schweigen. Alles sieht nach einem eskalierenden Machtkampf hinter den Kulissen der Kommunistischen Partei Chinas aus.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion