Deutschlands Indo-Pazifik-Strategie: Der „scharfe Bruch“ mit China wird vermieden

Sowohl in Deutschland als auch in der EU insgesamt verliert man Illusionen bezüglich eines politischen Wandels des KP-Regimes in China. Experten sind jedoch uneins darüber, ob Deutschland mit seiner Indo-Pazifik-Strategie zu Peking tatsächlich auf Distanz geht.
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Außenminister Heiko Maas.Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa/dpa
Von 11. September 2020

Wie weit sollen in Deutschland und der EU die Konsequenzen aus der zunehmend um sich greifenden Erkenntnis gehen, dass das KP-Regime in China auch nach Jahrzehnten der Strategie „Wandel durch Handel“ keine Tendenzen in Richtung Freiheit zeigt – und im Gegenteil sogar seinen wirtschaftlichen Einfluss zunehmend auf Kosten seiner Handelspartner ausspielt?

Sogar in Japan rätselt man nun, inwieweit die jüngst vorgestellte Indo-Pazifik-Strategie der deutschen Bundesregierung tatsächlich ein Indiz für mehr Wachsamkeit gegenüber dem chinesischen Totalitarismus darstellt.

Illusionen in Japan

Das Nikkei-Portal wähnt in der Strategie bereits einen „scharfen Bruch“ und „ein Ende von Deutschlands Flitterwochen mit China“. Tatsächlich beinhaltet diese ein deutliches Bekenntnis zum Ausbau der Beziehungen zu den Demokratien in Asien, wie Japan und Südkorea. Dies wird auch explizit so zum Ausdruck gebracht, und der Kontext der Corona-Krise und der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China, die sich darin offenbart hat, lässt immerhin die Schlussfolgerung zu, Deutschland wolle sein Portfolio diversifizieren und sei zumindest zu der Erkenntnis gelangt, dass man sich zu einseitig auf die Partnerschaft mit Peking konzentriert habe.

Anlässlich der Präsentation am Mittwoch der Vorwoche (2.9.) hatte Bundesaußenminister Heiko Maas geäußert, Deutschland wolle „mithelfen, die künftige globale Ordnung zu gestalten, damit diese auf Regeln und internationaler Zusammenarbeit beruht, nicht auf dem Recht des Stärkeren“. Schon diese Äußerungen waren, wie der weitere Kontext verdeutlichte, nicht allein auf das totalitäre Regime in China gemünzt, sondern meinten auch die Regierung in den USA.

Und während Maas im Einklang mit ähnlichen Initiativen Frankreichs die engere Zusammenarbeit mit Demokratien wie Japan oder Australien und den prowestlichen Staaten der Vereinigung Südostasiatischer Nationen sowie freie Märkte beschwor, ging er dabei nie so weit, Taiwan in den Kreis derjenigen aufzunehmen, zu denen man intensivere Beziehungen wünsche.

Indo-Pazifik-Strategie keine grundlegende Abkehr von Kohl-Strategie

Nach wie vor entfallen 50 Prozent des Gesamtvolumens der bilateralen Handelsbeziehungen Deutschlands in der Indo-Pazifik-Region auf die totalitäre Diktatur in Peking. Ähnlich wie im Fall der Handelsbeziehungen zu den USA, deren Pionier ausgerechnet der als prononcierter Konservativer geltende Präsident Richard Nixon war, hatte auch im Fall Deutschlands ausgerechnet Regierungschef Helmut Kohl einen entscheidenden Anteil an der ökonomischen Abhängigkeit, in die das Land gegenüber China geriet.

Dieser hatte 1984 Schanghai besucht und dort die Grundlagen zu einem „jahrzehntelangen Modernisierungsbemühen“ gelegt. Damals eröffnete Volkswagen dort seine erste Fabrik in China, und Kohl sprach vor dem Bundestag von einer „stabilen, langfristigen Partnerschaft“, die man dort aufbauen wolle. Die wirtschaftlichen Eliten des Landes zeigten sich begeistert und folgten dem Ruf zu den neuen Ufern.

In einem ausführlichen Beitrag für „Politico“ arbeitete Nette Nöstlinger auf, wie sich Berlin in die Peking-Falle begab. Anders als das Nikkei-Portal gibt sie sich in ihrer Analyse auch keinen Illusionen darüber hin, dass Deutschland tatsächlich eine substanziell kritischere Position zum KP-Regime einnehmen würde. Schon in den Jahren der Kohl-Ära hatte man vergessen, darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn Peking den Schlüssel zu seinen Märkten nutzen würde, um seine Partner in der dadurch entstehenden ökonomischen Abhängigkeit einzuschließen.

Exporte wieder auf Vor-Corona-Niveau

Genau so geschah es jedoch: Während Peking seine Vorteile daraus zog, den Zugang zu westlichen Märkten für die eigene Ertragsmaximierung zu nutzen, nahm man es mit der Marktöffnung gegenüber westlichen Investoren nicht immer ganz so genau, sondern trieb den Preis dafür in erhebliche Höhen. Immer wieder nagelte man westliche Partner auf die Bereitschaft zu umfangreichem Technologietransfer fest, zudem nutzte man Joint Ventures, Forschungskooperationen und die Fähigkeiten der eigenen Hacker, um schnell, unbürokratisch und häufig auch ohne zu fragen an Geschäftsgeheimnisse zu gelangen.

Volkswagens Ferdinand Piëch prahlte noch Anfang der 1990er Jahre, sein Konzern werde „die Chinesen von ihren Fahrrädern holen“, BASF konnte es nicht erwarten, sich den Markt zu erschließen und auch Siemens war schnell vor Ort. Schon bald war die wirtschaftliche Verflechtung Deutschlands mit dem Regime in Peking so weit gediehen, dass ein Zurück keine Option mehr war.

Im Vorjahr summierte sich der Gesamtwert der aus Deutschland nach China gelieferten Güter auf fast 100 Milliarden Euro, das war in etwa die Hälfte des dorthin ausgeführten Exportvolumens der gesamten Europäischen Union. Die Summe der Importe war sogar noch höher. Die Corona-Pandemie hat den intensiven Beziehungen keinen Abbruch getan, mittlerweile sind die Exporte wieder auf dem Niveau von vor der Krise, schreibt „Politico“.

Anders als die USA, deren Ruf nach Entkopplung immer mehr zuvor in China angesiedelte Konzerne folgen und entweder in umliegende Länder oder nach Hause ausweichen, zeigt Deutschland keinerlei Ambitionen, seine Positionen zu reduzieren.

VW beharrt auf Werk in Urumqi

Erst im Mai hat BASF seinen Großkomplex für High-Tech-Plaste im Süden des Landes für eine Investitionssumme von 10 Milliarden US-Dollar ausgebaut – das bislang größte Projekt in der 155-jährigen Firmengeschichte.

Von allen Wagen, die VW verkaufte, gingen im Vorjahr 40 Prozent nach China, und erst im Mai erwarb man einen 50-Prozent-Anteil am staatlichen Konzern JAC Motors. Nach der Emissionsaffäre in den USA und Problemen in der geplanten Zusammenarbeit mit dem indischen Tata-Konzern scheint man mehr denn je entschlossen, die intakten Beziehungen zum Schurkenstaat auf Heavy Rotation zu halten.

Entsprechend verteidigt man auch die eigene Produktionsstätte in Urumqi, der Hauptstadt der Provinz Xinjiang, wo Pekings Kommunisten Konzentrationslager unterhalten und einen Völkermord an der muslimischen Minderheit der Uiguren betreiben.

Daimler auf Kotau-Kurs

Auch BMW und Daimler, die jeweils 30 Prozent ihres Exportvolumens nach China ausliefern, sind peinlichst darauf bedacht, selbst Leisetreterei gegenüber der totalitären Herrschaft an den Tag zu legen und der deutschen Politik damit ein Beispiel zu geben.

Erst 2018 hatte Daimler eine kleinlaute Entschuldigung an die Potentaten in Peking gerichtet, nachdem man den „Fehler“ begangen hatte, in einem Werbespot ein Zitat des Dalai Lama zu verwenden. Dass seit 2016 der deutsche Robotik-Vorzeigebetrieb Kuka in chinesischen Händen ist, hat die Bewegungsfreiheit der Autokonzerne gegenüber der Führung unter Machthaber Xi Jinping nicht gerade vergrößert.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China ist sogar noch deutlich größer als die von Russland – was eine Erklärung dafür ist, dass, was politische Handreichungen oder Sanktionsdrohungen anbelangt, die Zunge deutscher Politiker und Medien in Richtung Kreml deutlich lockerer sitzt als mit Blick auf Peking.

Deutschland bleibt bei „nuanciertem“ Zugang

Ungeachtet der Absichtserklärungen im Zusammenhang mit der Indo-Pazifik-Strategie bleibt die deutsche Politik gegenüber China auch im Angesicht klarer Ansagen der USA schaumgebremst.

Bezüglich der völkerrechts- und vertragswidrigen De-facto-Beseitigung der Autonomie Hongkongs durch das KP-Regime hat man es bei symbolischen Akten wie einem Stopp des Auslieferungsabkommens und vorübergehender Zuflucht für eine Handvoll Demokratie-Aktivisten belassen.

Immerhin benennt die EU China mittlerweile als „systemischen Rivalen“ und zeigt sich besorgt wegen der offensiven Übernahmepolitik europäischer Unternehmen durch Konzerne in Diensten der KP. Eine Strategie dagegen gibt es noch nicht – selbst im Bereich entscheidender Infrastruktur-Fragen wie des 5G-Ausbaus wollen viele EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, den Ernst der Lage nicht erkennen.

„Andere Beziehung zu Leben und Tod“

Deutschland spricht nach wie vor allenfalls von einem „komplizierten“, „vielschichtigen“ und „nuancierten“ Zugang zur Frage des Umgangs mit dem Regime. Die Forderung Angela Merkels bei ihrem jüngsten Peking-Besuch, die Probleme in Hongkong „im Dialog“ zu lösen, bleibt bisher das Gewagteste, was Berlin an Ansagen in Richtung des KP-Regimes zu machen bereit war.

Selbst die Grünen, die mit Blick auf Länder wie Russland oder Polen, aber auch bezüglich Kritik an Donald Trump nie um Maximalforderungen verlegen sind, sprechen sich – wie etwa ihr Außenpolitiker Omid Nouripour – gegen den „Konfrontationskurs“ aus, den die USA gegenüber Peking favorisieren.

Während man andernorts auf dem „Multilateralismus“, den „universellen Werten“ und der „regelbasierten internationalen Ordnung“ beharrt, zieht man sich, was China anbelangt, immer noch auf die Einschätzung des Milliardeninvestors Jürgen Heraeus zurück, der noch im Februar im Handelsblatt mahnte, man könne China „nicht nach unseren Wertestandards oder unseren kulturellen oder humanistischen Idealen bewerten“. Man funktioniere dort einfach anders und habe „sogar eine andere Beziehung zu Leben und Tod“.

Vertrauen in China auf dem Nullpunkt

Allerdings sieht Janka Oertel vom Asien-Programm des European Council on Foreign Relations eine spürbare Trendwende auch bei deutschen Konzernen seit dem Ausbruch der Corona-Krise. Mit seinen Vertuschungsaktivitäten und seinen Bemühungen, sich anschließend als Retter in der Not zu verkaufen, habe man sich keine Freunde gemacht.

Sowohl in Deutschland als auch in der EU insgesamt verliert man Illusionen bezüglich eines politischen Wandels des KP-Regimes in China. Experten sind jedoch uneins darüber, ob Deutschland mit seiner Indo-Pazifik-Strategie zu Peking tatsächlich auf Distanz geht.

„Wir sehen eine Veränderung, was das Level des Vertrauens anbelangt“, erklärt Oertel gegenüber Politico. „Zuvor war es sehr hoch, mittlerweile ist es sehr gering.“

Mittlerweile gilt es auch als unwahrscheinlich, dass es gelingen wird, wie geplant noch in der Phase der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das geplante Investitionsschutzabkommen zwischen China und der EU unter Dach und Fach zu bringen. Dabei wäre das eine Hoffnung der Industrie gewesen, nachdem sich schon die Erwartungen zerschlagen hätten, mehr Handel würde China vom Weg des Totalitarismus wegführen.

Investitionsschutz-Abkommen bis Ende 2020 immer unwahrscheinlicher

Das Abkommen sollte nun wenigstens westlichen Investoren besseren Marktzugang, mehr Rechtssicherheit, mehr Gleichbehandlung mit chinesischen Unternehmen, weniger erpresserische Bedingungen und weniger Diebstahl intellektuellen Eigentums sichern. Das Regime Xi Jinpings zeigt sich jedoch kaum bereit, den Europäern entgegenzukommen. Offenbar sieht man deren Potenzial, Druck auszuüben, als überschaubar und leicht auszurechnen an.

Friedolin Strack vom Industriellenverband BDI konstatierte 2019 in einem Bericht über die Industriepolitik Chinas nach der Übernahme durch Xi Jinping resigniert, die Strategie des Westens, China zu öffnen, sei gescheitert. China werde keine liberale, marktgetriebene Wirtschaft werden. Die einzige Hoffnung Europas, dem Regime etwas entgegensetzen zu können, wäre eine „einige EU“. Diese ist jedoch auch mit Blick auf den künftigen Umgang mit dem Regime in China nicht in Sicht.



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