Die Kommunistische Partei Chinas steht vor ihrer größten Krise seit SARS

Der Ausbruch des Coronavirus stellt die Kommunistische Partei Chinas vor große Probleme. Die Parteimitglieder fürchten, die Legitimität der Herrschaft der Partei zu verlieren. Kann Xi Jinping die Partei noch retten?
Titelbild
Tedros Adhanom, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schüttelt dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor einem Treffen in der Großen Halle des Volkes am 28. Januar 2020 in Peking, China, die Hand.Foto: Naohiko Hatta - Pool/Getty Images
Von 14. Februar 2020

Die Kommunistische Partei Chinas muss eine politisch brisante Entscheidung treffen. Gibt sie zu, dass der Virusausbruch nicht unter Kontrolle ist, und sagt sie diesjährige hochkarätige offizielle Veranstaltung den Nationalen Volkskongress ab? Oder bringt sie im nächsten Monat 3.000 Abgeordnete nach Peking und riskiert dabei den öffentlichen Zorn über den Umgang mit der Krankheit durch die Regierung?

Die Partei sah sich bereits aufgrund ihrer unnachgiebigen Zensur, die sie während des Ausbruchs der Seuche zur Schau gestellt hat, der Kritik ausgesetzt. All dies geschieht unter der Führung von Xi Jinping, der 2012 an die Macht kam und mehr politische Macht besitzt als jeder andere chinesische Führer seit Mao Zedong.

Das Coronavirus und SARS

Nun hat sich die neue Krankheit mit dem Namen Covid-19 zur größten Krise der Partei seit Chinas letztem Ausbruch einer mysteriösen Krankheit in den Jahren 2002-2003 entwickelt. SARS, das Schwere Akute Respiratorische Syndrom, forderte fast 800 Todesopfer. Schon bei der damaligen Epidemie beschuldigte man Peking, die öffentliche Sicherheit gefährdet zu haben – indem man die Krankheit verheimlichte, um den Übergang an der Parteispitze nicht zu stören.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Staatschef Xi vor einer ernsthaften Bedrohung seiner Position und Stellung steht. Jedoch spielt der Zorn der Öffentlichkeit den Gegnern der herrschenden Partei in die Hände. Er nährt Zweifel an Xis autokratischer Herrschaft.

Steve Tsang, Direktor des China-Instituts an der School of Oriental and African Studies in London, sagt:

Auf lange Sicht wird ihm das meiner Meinung nach schaden.“

Aber im Moment fühlen sich selbst Parteimitglieder, die sich über Xis Schwächung freuen, verpflichtet, sich um ihn zu scharen und blieben noch kleinlaut, so Tsang. „Sie werden nicht riskieren, dass eine Krise wie diese die Legitimität der Kommunistischen Partei selbst zerstört.“

Der Nationale Volkskongress

Prominent besetzt, jedoch machtlos, wird der Nationale Volkskongress, der am 5. März eröffnet wird, über die Bühne gehen. Der Premierminister und die Kabinettsminister halten dort ihre einzigen Pressekonferenzen des Jahres ab, während sich die Delegierten bei Gruppensitzungen treffen und die Fragen ausländischer Reporter beantworten eine potenziell gefährliche Mischung.

Die Parteiführer befürchten, dass die Delegierten „ihrem Ärger und ihrem Frust freien Lauf lassen“, meint Willy Lam, Politikwissenschaftler an der chinesischen Universität Hongkong.

Er glaubt, es werde wahrscheinlich zu einer „schweren Zensur“ kommen. Man wolle sicherzustellen, dass verärgerte Delegierte nicht mit Reportern sprechen. Falls, so betont er, das Treffen nicht zum ersten Mal seit der ultra-radikalen Kulturrevolution von 1966 bis 1976 verschoben wird.

Die Partei könnte die Versammlung in der Hoffnung, dass der Ausbruch vielleicht abklingt und die Veranstaltung abgehalten werden kann, auf Mai oder später verschieben. Und zwar dann „ohne dabei das Bild zu vermitteln, dass es ihnen egal ist, wie es [das Virus] die Menschen beeinflusst“, sagt Tsang.

Die Durchführung der Veranstaltung würde den intensiven Maßnahmen Pekings zur Seuchenbekämpfung widersprechen. Sie haben Städte mit insgesamt 60 Millionen Einwohnern isoliert und verbietet landesweite Reisen und öffentliche Versammlungen. Dies führte zu Störungen des Geschäftsbetriebs und zu wachsenden wirtschaftlichen Verlusten.

Zensur auf Chinas Internet-Plattformen

Die Partei hat ihre Monopolkontrolle über die Medien und die allgegenwärtige Zensur dazu genutzt, um Online-Kritik in WeChat und anderen sozialen Medien zu unterdrücken. Jedoch sieht sie sich auch in ihren eigenen Reihen mit einem Murren über die autokratische Herrschaft von Xi konfrontiert. Dessen Abenteurertum im Südchinesische Meer sowie andere außenpolitische Angelegenheiten, die die Beziehungen zu Chinas Nachbarn belasten, sind vielen [Parteimitgliedern] ein Dorn im Auge.

In einem Aufsatz mit dem Titel „Wütende Menschen haben keine Angst mehr“ kritisierte ein Juraprofessor an der Elite-Tsinghua-Universität in Peking „das Regieren durch ‚Big-Data-Totalitarismus‘ und WeChat-Terrorismus“.

Die Politik ist korrupt und das Regime ist ethisch erschöpft“, schrieb Xu Zhangrun in einem Essay, das auf der kalifornischen Website China Digital Times veröffentlicht wurde.

Im vergangenen Jahr wurde Xu von seinem Posten suspendiert und von der Tsinghua-Universität untersucht, weil er die Entscheidung der Partei im Jahr 2018 kritisiert hatte, die Begrenzung für die Amtszeit des Präsidenten aus der chinesischen Verfassung zu streichen. Die Streichung des Artikels ermöglichte Xi eine Amtszeit auf unbeschränkte Zeit.

Erst die Politik, dann die öffentliche sicherheit

Darüber hinaus hatte die Partei diesen Monat mit einem Ausbruch öffentlichen Zorns zu kämpfen, nachdem Li Wenliang verstorben war. Li Wenliang war ein Arzt aus Wuhan, der im Dezember wegen der Warnung vor dem Virus von den Behörden getadelt wurde. Die örtlichen Behörden wurden beschuldigt, Ärzte davon abzuhalten, über den Ausbruch des Virus zu sprechen. Und zwar nur, um ein großes politische Ereignis in der Provinz Hubei eine gesetzgebende Versammlung zur Vorbereitung des Nationalen Volkskongresses nicht zu überschatten.

Auf Lis Blog-Konto warfen Bürger den Behörden von Wuhan vor, die Politik über die öffentliche Sicherheit zu stellen.

Parteiführer haben seitdem versucht, dem Volkszorn Herr zu werden. In der Hoffnung ein Ventil für den Frust und Ärger der Bevölkerung geschaffen zu haben, erlaubten sie den Nutzern sozialer Medien, lokale Wuhan-Funktionäre öffentlich zu kritisieren.

Man siehe die Parallelen zur SARS-Epidemie 2002-2003 die Partei sah sich damals ähnlicher Kritik ausgesetzt. Die ersten Fälle wurden im November 2002 gemeldet. Die Partei gab bekannt, die Krankheit sei unter Kontrolle. Sie erklärte den Notstand erst, nachdem der damalige Präsident Jiang Zemin im März 2003 die Macht an Hu Jintao weitergegeben hatte.

Im Zentrum der Macht

Seit seiner Ernennung zum Generalsekretär der Partei im Jahr 2012 hat sich Xi enorme Macht angeeignet und ist damit praktisch zum Führer auf Lebenszeit geworden. Er übernahm die Führung des Militärs und stellte Rivalen, darunter die Nummer 2 der Partei Premierminister Li Keqiang in den Hintergrund. Xi ernannte sich selbst zum Leiter der Parteigremien, die Wirtschaftsreformen und andere wichtige Fragen überwachen.

Dies gilt als Bruch mit den zwei früheren Generationen der Parteiregierung, die auf einem Konsensus zwischen den Mitgliedern des inneren Machtkreises der Partei, dem Ständigen Ausschuss, basierten.

Es ermöglichte Xi, ehrgeizige Pläne durchzusetzen. Darunter die milliardenschwere „One Belt, One Road“-Initiative (Chinas Neue Seidenstraße) zur Ausweitung des Handels. Durch den Bau von Häfen, Eisenbahnen und anderer handelsbezogener Infrastruktur in Asien, Afrika und dem Nahen Osten wird Xis Prestigeprojekt vorangetrieben.

Aber genau diese Tatsache macht es für Xi auch schwieriger, Schuld abzuladen. Diese Woche brach er ein langes öffentliches Schweigen über die Krankheit, indem er ein Viertel von Peking besuchte, in dem etwa 340 Fälle des Coronavirus aufgetreten sind.

Xis Ansehen

Xi wird persönlich mit einer Reihe heikler Themen identifiziert und in Verbindung gebracht. Von Pekings Handelskrieg mit Washington und der heiklen Beziehungen zu Taiwan, der selbstregierten Insel, die die Kommunistische Partei als ihr Territorium beansprucht. Bis hin zu den pro-demokratischen Protesten in Hongkong und der Massenverhaftung ethnisch-muslimischer Minderheiten in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas.

Xi hat offenbar versucht, sich vom jüngsten Virusausbruch zu distanzieren, indem er den Premierminister Li Keqiang am 26. Januar zum Vorsitzenden der Seuchenbekämpfungs-Arbeitsgruppe ernannt hat.

Einen Tag nach seiner Ernennung flog Li nach Wuhan, traf sich mit Ärzten und Krankenschwestern und besuchte einen Supermarkt. „Dies sieht nach einem Versuch aus, die Schuld auf Li Keqiang abzuwälzen, falls die Fortschritte bei der Bekämpfung der Krankheit unbefriedigend sind“, meint Lam.

Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von rm)
Originaltitel: Chinese Communist Party Faces Its Biggest Crisis Since SARS



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