Droht dem größten Staudamm der Welt die Katastrophe? – Experte rät Chinesen: „Haut ab!“

Beamte der Kommunistischen Partei Chinas gehen davon aus, dass die aktuellen Überschwemmungen in China die schlimmsten seit 49 Jahren sind. Experten machen sich Sorgen um die Sicherheit des weltgrößten Staudamms, dem "Drei-Schluchten-Damm" am Jangtse.
Von und 23. Juni 2020

Die diesjährige Hochwassersaison im Jangtse-Becken begann am 2. Juni. Beamte der Kommunistischen Partei Chinas sagten, dass die aktuelle Überschwemmung die größte seit 49 Jahren sein könnte. Ob der Drei-Schluchten-Damm ihm widerstehen kann, ist ungewiss und gibt Anlass zur Sorge.

Gleich mehrere Provinzen in Südchina werden seit Anfang Juni von schweren Regenfällen heimgesucht.

Ab dem 16. Juni fiel in Teilen Südchinas, Zentralchinas und Südwestchinas 24 Stunden lang ununterbrochen starker Regen. Die autonome Gemeinde Ngawa der Tibeter und Qiang im Norden der Provinz Sichuan maßen bereits eine maximale Niederschlagsmenge von 50 Millimetern. In einigen Gebieten fiel Hagel von zehn Millimetern Durchmesser.

Dammbruch in Damba

In den frühen Stunden des 17. Juni wurde stromaufwärts des Drei-Schluchten-Damms das Kraftwerk Meilong (2.000 KW) in Kreisstadt Damba, Landeskreis Ganzi, Provinz Sichuan, von den Schlammlawinen beschädigt. Die Staumauer brach und die Wassermassen ergossen sich stromabwärts, sie überfluteten ganze Dörfer.

In einem Video im Internet sagte der Filmer, dass der Sichuan-Chongqing-Oberlauf überflutet wurde, mehrere kleine Stauseen brachen.

Experte: „Haut ab!“

Ebenfalls am 17. Juni twitterten viele Internetnutzer eine Warnung des bekannten chinesischen Experten Huang Xiaokun im Freundeskreis bezüglich der Großstadt Yichang in West-Hubei: „Letztes Mal sagte ich noch: Die Leute, die unterhalb von Yichang (entlang dem Jiangtse) leben, sollen abhauen.“

Es wird berichtet, dass Huang Xiaokun einen Master-Abschluss in Ingenieurwissenschaften hat und landesweit zertifizierter Bauingenieur der ersten Kategorie ist. Derzeit arbeitet er als Forscher und Doktorvater der China Academy of Building Research (CABR) sowie als Chefingenieur und Direktor des Forschungs- und Entwicklungszentrums des CABR.

Die Angst vor einem Bruch des Drei-Schluchten-Staudamms scheint groß zu sein.

In einem Interview der chinesischsprachigen Epoch Times am 18. Juni mit dem in Deutschland lebenden Damm-Experten Dr. Wang Weiluo, wiederholte dieser die Ratschläge von Huang Xiaokun: Alle im Unterlauf des Drei-Schluchten-Dammes sollten fliehen.

Doch wohin könnten sie fliehen? Der Unterlauf des Jangtse ist ein dicht besiedeltes Gebiet, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Der Jangtse fließt von West nach Ost durch Zentralchina und ist mit 6.380 Kilometern der längste Fluss Asiens. Er ist nach dem Nil und dem Amazonas der drittlängste Strom der Erde. Auf seinem Weg zum Ostchinesischen Meer durchläuft er elf chinesische Provinzen oder Autonome Gebiete: Qinghai, Tibet, Sichuan, Yunnan, Chongqing, Hubei, Hunan, Jiangxi, Anhui, Jiangsu und Shanghai.

Selbst Mao wagte den Damm nicht zu bauen

Dr. Wang Weiluo befürchtet bei Problemen mit dem Damm unvorstellbare Folgen. Laut Dr. Wang waren viele Menschen in China gegen den Bau des Dammes, der seiner Meinung nach auch nie hätte gebaut werden dürfen.

Selbst Mao hielt das Drei-Schluchten-Projekt für zu gefährlich. 1969 wollten Zhang Tixue, stellvertretender Direktor des Revolutionskomitees der Provinz Hubei und Qian Zhenying, stellvertretender Direktor des Revolutionskomitees des Ministeriums für Wasserressourcen bei Mao den Bau des Staudamms beantragten. Dr. Wang Weiluo, Experte für den Drei-Schluchten-Damm:

Es wird gesagt, dass der Drei-Schluchten-Damm Mao Zedongs Traum sei. Dann hätte Mao Zedong zustimmen sollen, ihn zu bauen – aber Mao Zedong entließ die beiden.“

Zuvor fragte Mao die Beiden: „Sie können mit einem Topf Wasser über Ihrem Kopf tief und fest schlafen?“ An dieser Auffassung hielt er bis zu seinem Tod fest – und Mao hatte in seinem Leben viele Projekte mit katastrophalem Ausgang geplant.

Der politische Damm

Anfang der 1990er Jahre wurde das umstrittene Projekt angegangen. Professor Huang Wanli, ein bekannter Wasserexperte an der Tsinghua-Universität, mahnte vor den Gefahren des Drei-Schluchten-Projekts.

Dreimal schrieb er an den damaligen KP-Chef Jiang Zemin, dass dieses Projekt unmöglich sei und Land und Leuten schade. Er prophezeite letztlich eine Katastrophe.

Doch Jiang, der mit dem Blut der Studenten vom 4. Juni 1989 auf dem Tiananmen-Platz an die Macht kam, wollte ein Bündnis mit dem damaligen Premierminister Li Peng, dem Verfechter des Damm-Projekts eingehen, um seine Position zu festigen. 1992 verabschiedete Jiang den Beschluss über den Dammbau durch den Nationalen Volkskongress und der Bau begann am 14. Dezember 1994 offiziell. Der Bau dauerte bis 2009.

Gefährliches Leben im Fluss

Laut Dr. Wang Weiluo leben die Menschen im Drei-Schluchten-Reservoir gefährlich. Viele neue Einwandererstädte in den Drei Schluchten sind auf ehemaligen Erdrutschen erbaut worden. Zahlreiche neue Städte und Landkreise leben zudem unterhalb der Flusshöhe: „Sie leben in diesem Fluss. Unter der Flut lebst du an einem gefährlichen Ort“, so Dr. Wang.

Die Häuser der Menschen im Reservoirbereich seien nicht erdbebensicher, nur die Häuser des Sekretärs des Kreisparteikomitees und die des Parteikomitees der Stadt, sowie der Damm selbst: „Weil in der Machbarkeitsanalyse des Drei-Schluchten-Projekts nur gezeigt wurde, dass der Drei-Schluchten-Damm nicht fallen wird, wenn er von einem Erdbeben der Stärke 6 getroffen wird.“ Wang fügte hinzu: „Dass der Damm nicht fällt, bedeutet nicht, dass Ihr Haus nicht fällt.“

Laut Dr. Wang könne der starke Regen im Drei-Schluchten-Gebiet Probleme am Damm verursachen und einige der Stauseen seien unsicher. Zudem meinte Dr. Wang, dass das Drei-Schluchten-Gebiet selbst ein Berggebiet sei, „Das fängt an, sich der Verantwortung zu entziehen, oder?“.

Mindestens 40 Prozent der chinesischen Stauseen sind unsicher

Am 11. Juni sagte Ye Jianchun, Chinas stellvertretender Minister für Wasserressourcen, auf einer Pressekonferenz, dass China in die Hochwassersaison eingetreten sei und 148 Flüsse über dem Warnlevel lägen, darunter auch der Mittel- und Unterlauf des Jangtse.

Ye sagte noch, dass es in China 98.000 Reservoire gebe, 94.000 davon seien kleine Stauseen. „Soweit ich weiß, sind mindestens 40 Prozent der Stauseen unsicher“, meinte Dr. Wang nach Angaben der chinesischsprachigen Epoch Times dazu.

Wenn die Anlagen bei der diesmaligen Überschwemmung, der größten seit den 1970er Jahren, zusammenbrechen, würde ein „schwarzer Schwan“-Ereignis eintreten, meinen manche, um die Katastrophe in all ihren Unvorhersehbarkeiten zu umschreiben. Dr. Wang erklärt jedoch, dass bei einer großen Anzahl von Dammbrüchen wohl eher ein „Graues Nashorn“-Ereignis folgen werde.

Der Unterschied besteht hauptsächlich in der untätigen Vorhersehbarkeit eines Grauen-Nashorn-Ereignisses gegenüber der Unvorhersehbarkeit eines Schwarzen-Schwan-Ereignisses, weil es das in dieser Form bisher nicht gab oder in Betracht gezogen wurde.

 

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