Geschichtsverdrehung: China vergleicht Taiwan-Frage mit deutscher Wiedervereinigung

China hofft auf deutsche Unterstützung für eine Wiedervereinigung mit Taiwan. Chinesischer Außenminister zieht eine kuriose Karte: die deutsche Einheit 1989. Taiwans Bedingung: Zuerst muss die Kommunistische Partei weg.
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Foto: Suo Takekuma und Alexander Nemenov/POOL/AFP via Getty Images
Von 21. April 2023

Zurückschauend auf die China-Reise von Annalena Baerbock kommt ein Aspekt an die Öffentlichkeit, der vorher wenig Beachtung gefunden hatte. China erhofft sich hinsichtlich seiner Ambitionen der Wiedervereinigung mit Taiwan deutsche Unterstützung.

Die deutsche Außenministerin traf zwar nicht persönlich mit Xi Jinping zusammen, es fanden jedoch nicht nur Gespräche mit dem neuen Außenminister Qin Gang statt, sondern auch mit Chinas oberstem Diplomaten, Wang Yi. Der ehemalige Außenminister und nun Direktor der Zentralen Kommission für Auswärtige Angelegenheiten der Kommunistischen Partei Chinas – der auch das Außenministerium untersteht – hatte ein Anliegen an Baerbock.

Hinkender Wiedervereinigungsvergleich

Der 69-jährige ranghohe KP-Führer legte der deutschen Außenministerin nahe, Chinas Wiedervereinigungsbestrebungen mit Taiwan zu unterstützen. Wang Yi begründete sein Ansinnen damit, dass Peking auch die „Vereinigung von Ost- und Westdeutschland“ unterstützt habe.

Auch auf der Website des chinesischen Außenministeriums gab Wang Yi dies zum Besten: China habe die Wiedervereinigung Deutschlands unterstützt. Er hoffe und glaube daher, „dass Deutschland auch Chinas große Sache der friedlichen Wiedervereinigung unterstützen wird“. Denn, so behauptet Wang Yi: „Taiwans Rückkehr nach China ist ein wichtiger Teil der internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Doch der Vergleich von Chinas Bestrebungen hinsichtlich Taiwan und der deutschen Wiedervereinigung hinkt gewaltig, nicht nur aus historischer Sicht.

Taiwan: Wiedervereinigung erst nach KP-Untergang

Prof. Dr. Shieh, Jhy-Wey, der Repräsentant der Republik China (Taiwan) in Berlin, verwies auf seinem Facebook-Kanal diesbezüglich darauf, dass die deutsche Außenministerin nicht auf Wang Yis Anspielung geantwortet habe – aus Höflichkeit, wie er schrieb. Shieh fasste einige historische Details zusammen: „Im Jahr 1990 wurden das liberale und demokratische Westdeutschland und die Einparteiendiktatur der DDR zu Deutschland wiedervereinigt. […] Die Berliner Mauer und das kommunistische Regime in Ostdeutschland wurden gemeinsam beseitigt“, erinnert Shieh.

Bezüglich einer Wiedervereinigung zwischen China und Taiwan machte Shieh deutlich: „Dann, wenn das kommunistische Regime zusammengebrochen ist, würden wir im folgenden Jahr über die Wiedervereinigung sprechen.“

Frage von Moral und gemeinsamer Interessen

Der Taiwan-Repräsentant in Deutschland verwies auch darauf, dass Annalena Baerbock mehrfach gesagt habe, Deutschland, die EU, die USA, Japan und die anderen G7-Staaten hätten erklärt, dass man keine Veränderung des Status quo in der Taiwanstraße mit Gewalt aus China akzeptieren werde.

Shieh verwies auf Baerbocks Aussagen, dass 50 Prozent des Welthandels durch die Taiwanstraße gingen und dass 70 Prozent der weltweiten Halbleiter in Taiwan hergestellt würden. Sie habe von einem Tsunami-Effekt und Weltwirtschaftskrise bei einer Eskalation des Konflikts gesprochen, erklärte Shieh.

Nach Angaben von Shieh könnte diesen beiden Gründen bald noch ein dritter hinzugefügt werden: „Wegen der Schlüsselposition Taiwans in der indopazifischen strategischen Allianz kann die freie Welt unter keinen Umständen zulassen, dass Taiwan in die Hände eines diktatorischen und autoritären China fällt!“

Shies Fazit: „All dies zeigt, dass sich die Gründe der traditionellen liberalen Welt für die Unterstützung Taiwans [und die Ablehnung der Besetzung Taiwans durch China] von der alten ‚gemeinsamen moralischen Ebene [Demokratie für Demokratie]‘ auf die ‚gemeinsame Interessensebene‘ verlagert haben.“

Warnung vor KPC-Heuchelei

In Bezug auf Wang Yis Äußerungen warnte der ehemalige China-Politikberater des US-Außenministeriums unter Mike Pompeo, Miles Yu, vor der Heuchelei der diplomatischen Philosophie der KP Chinas (KPC). Yu ist Direktor des China-Zentrums des Washingtoner Hudson Institutes und Professor für Militärgeschichte an der US-Marineakademie in Annapolis. In einem Twitter-Beitrag wies er auf Lücken in der Rhetorik des Pekinger Regimes hin, berichtet die chinesischsprachige Epoch Times.

Der China-Experte meinte, dass China damals die „Koexistenz von Ost- und Westdeutschland unterstützt habe, und beide haben sich gegenseitig diplomatisch anerkannt“. Er wies darauf hin, dass die Wiedervereinigung Deutschlands von den Völkern beider Länder demokratisch gebilligt worden sei. Keine der beiden Seiten sei arrogant aufgetreten oder habe mit Gewalt gedroht, so der Historiker. Damit deutete er unmissverständlich auf die chinesischen Pläne hin, eine Wiedervereinigung mit Taiwan bei Bedarf auch gewaltsam umsetzen zu wollen.

Miles Yu verwies auch auf ein aktuelles Beispiel: „Bis heute erkennt China angesichts der Unterschiede in ihren politischen Systemen die gegenseitige Souveränität von Nordkorea und Südkorea an. Daran kann man die Heuchelei und Kraftlosigkeit der diplomatischen Philosophie der KPC erkennen.“

 



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